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Ein Teil von etwas Größerem: LONDON GRAMMAR und die neue Rückkehr zu alter Stärke

Wenn Schwermut wirklich heilend ist, ist das hier eine Katharsis: London Grammar versammeln nach längerer Auszeit das Leid dieser Welt zum bereits dritten Mal in der Kehle ihrer Sängerin Hannah Reid. Unaufdringlich, dann umso mehr süchtig machend, sobald das Trio aus UK mehr sonniges Tageslicht in ihre Gefühls-Dunkelkammer lässt.

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Es dauert etwa zweieinhalb Minuten, dann haben sie uns erneut eingewickelt. Versucht man nach dem Intro, welches so klingt, als träfen Florence + The Machine auf Enya, und dem folgenden, beseelten Titelsong den besonderen Sound dieser Formation einzusortieren, ergibt man sich schon wenig später willenlos und allzu gern dieser einnehmenden Atmosphäre. „Californian Soil“ enthält einige der mitreißendsten, schlicht besten Lieder, die London Grammar je aus der Feder liefen. Sie haben ein neues Gleichgewicht gefunden, während um sie herum Welten eingerissen, umkämpft und neu erbaut wurden. Ein Album wie ein langer, besonnener Atemzug, welches man am besten am Stück hört.

„I better call your father from afar and break the news that you have vanished, like a star“

Hat Reid das gerade wirklich gesagt? „I saw the way you laughed behind her back when you fucked somebody else“, heißt es etwa im mantraartigen „Lord It’s A Feeling“. Das sind Worte, die bei anderen banal wirken, hier aber ihre Wirkung nicht verfehlen. Nur nicht zurückhalten, sondern das verarbeiten, was einem auf der Seele brennt. Das Trio aus dem britischen Nottingham öffnet sich, lässt deutlich los und zeigt explizit Zähne. Es ist unüberhörbar, dass die Band an Charakter, Klasse und auch an Reife gewonnen hat. Davon künden diese elf neuen Songs, die in ihrem Abwechslungsreichtum und auch ihrer Offensivität Vergangenes durchaus in den Schatten stellen. Es ist eine konstante Homogenität und eine durchgängige Qualität des Materials, welche dieses Album über den Durchschnitt heben. Der Blick auf die Welt ist nun geschärft, hat sich verändert. Trotzdem merkt man der Platte das Gewicht, das es ihren Schöpfern aufbürdet, nicht an. Diese Gruppe lässt sich neuerdings auch auf Frühlingswiesen genießen, doch trotz eingängiger Melodien, die nahezu jeden Song wie „Missing“ oder „Lose Your Head“ unwiderstehlich machen, herrschen wahrlich keine paradiesischen Zustände vor. Shiny happy people sind London Grammar deswegen noch lange nicht, aber sie gießen Öl ins Feuer ihrer Zweifler und das großzügig.

Irgendwo zwischen früheren Massive Attack („Lord It’s A Feeling“) und aktuelleren The XX („Baby It’s You“), schwebt das Trio in seiner eigenen, ansprechenden Trip-Hop-Umlaufbahn. Hannah Reid streift dabei als vom Leben gezeichnete Poetin durch Szenen und Orte, die von toxischen Beziehungen, Seitensprüngen, Misogynie, aber auch von Euphorie und aufkeimender Liebe geprägt sind. Das Kunststück, sich selbst und den eigenen Weg, ohne Eitelkeit, zur Storyline zu machen, ist neu. Und dann ihre Stimme. Auf „Californian Soil“ singt Reid, trotz all den persönlichen Unsicherheiten und privaten Machtkämpfen, herzzerreißend schön zu schwelgerischem Cinemascope-Pop. Da bleibt alles beim Alten. Hier herrscht eine geschlossene, fein orchestrierte musikalische Eintracht. Was bei anderen kalt und statisch anmutet, klingt hier dynamisch und lebendig. Der Beat groovt dezent in allen Lagen, dennoch bleibt die Stimmung auch in ihren gehobenen Momenten gedrückt. Nichtsdestotrotz sind lebendigere Songs wie „How Does It Feel“, „I Need The Night“ oder „Call Your Friends“ eine höchst willkommene Abwechslung, weil diese Musik in ihrer Ästhetik über reine Schönheit hinausreicht. Der amerikanische Traum ist so lädiert wie vielleicht noch nie, doch „Californian Soil“ leuchtet so stark, um auch über das Jahr 2021 hinaus weiter strahlen zu dürfen.


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Tracklist:
01. Intro
02. Californian Soil
03. Missing
04. Lose Your Head
05. Lord It’s A Feeling
06. How Does It Feel
07. Baby It’s You
08. Call Your Friends
09. All My Love
10. Talking
11. I Need The Night
12. America

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