Free Tree Open Air 2021: When the rain begins to fall
Endlich wieder Festival! Das Free Tree Open Air lockte uns ins tiefe Innviertel und war letztes Wochenende musikalischer Nahversorger. Bands wie Buntspecht, My Ugly Clementine, Bukahara, Blond, Lola Marsh, Lou Asril und Yukno ließen uns den Regen und Gatsch vergessen.
Bereits zum achten mal fand letztes Wochenende das Free Tree Open Air statt. Bekannt ist das Festival nicht nur für seine Live-Musik, sondern auch für die unzähligen Side-Events. Viele Workshops und Nebenbühnen luden zum Verweilen ein. Das Free Tree ist auch eines der bekanntesten Green Events, welches auch schon mehrmals für die Bemühungen ausgezeichnet wurde und auch schon jahrelang als Green Event zertifiziert ist. Nach einer längeren Pause konnte das Festival trotz Corona heuer wieder unter den Sicherheitsbestimmungen (3 G – Regel) stattfinden.
Auch wenn vom Festival propagiert wurde, mit dem Rad anzureisen, mussten wir aus Zeitgründen leider auf das Auto ausweichen, trotz fehlenden Schildern haben wir es dann auch geschafft, den Parkplatz zu finden. Es ist aus unserer Sicht nachvollziehbar, dass hier für jene, die nicht ökologisch anreisen, in einer gewissen Art benachteiligt werden, deswegen würde ich mir wünschen, dass die fünf Euro Parkplatzgebühr für nachhaltige Projekte zweckgewidmet werden.
Der Antrag am Freitag war groß, überall musste man einiges an Zeit einplanen, um an sein Band zu kommen: 3G-Check und Geld auf seinen Chip raufladen. Nach so langer Festivalpause ist man das nicht mehr wirklich gewohnt, in einer Menschentraube zu stehen.
Auf der Hauptbühne ging es bereits um 15.30 mit der Band „Old Mrs. Bates“, die wir leider verpassten, los. Somit begann das Festival für uns mit „Franky and the F*cking four Fingers“, einer vierköpfigen Bluesrock Band aus St. Martin im Innkreis in Oberösterreich.
Mit Songs aus dem 2019 erschienenen Album „Early Train“ (Early Train, So Bad, Come On, Mama Mama, The Joker) und Eigeninterpretationen (Praise You) im Gepäck eröffneten sie als zweite Band am ersten Festivaltag die Hauptbühne des Open Airs und begeisterten auch mit ihren brandneuen Songs Love und Devils Synfony das Free Tree Publikum. Franky and the F*cking four Fingers sorgen nicht nur für Stimmung, sie machen vor allem Bluesrock tanzbar.
Weiter machte die vierköpfige Band „Junger“, welche direkt ums Eck im Bezirk Ried ihre Homebase haben. Dass in Ihrem Erstlingswerk „Kein Land in Sicht“ akribisch gearbeitet wurde und es für die vier Mittvierziger ein Herzensprojekt ist, kann man schon beim ersten Ton hören. Lieder wie „Fan von dir“, „Zähl mit mir bis unendlich“ oder „Spiel für mich“ konnten bereits am frühen Nachmittag so die einen oder anderen Festivalbesucher*innen vom Campingplatz zur Hauptbühne locken.
Bis jetzt hatten wir noch nie das Vergnügen, „Oska“ live zu erleben. Bereits in frühen Jahren probierte sich Sängerin Maria Burger an Geige, Klavier und Gitarre aus. Ursprünglich kommt die Musikerin aus dem wunderschönen Waldviertel, mittlerweile hat die junge Musikerin ihrem Lebensmittelpunkt aber in Wien, wo sie auch Pop- und Jazzgesang studierte. Zu finden war sie aber hauptsächlich auf der Straße, wo sie mit ihrer außergewohlichen Stimme Passant*innen begeistert. So dauerte es auch nicht lange, dass ein Plattenlabel auf sie aufmerksam wurde. Heuer im Jänner veröffentlichte sie ihre Depüt-EP „Honeymoon Phase“. Ihre sanfte Stimme und die wunderbare Location verführen einen in eine andere Welt.
2018 waren die Herren von „Yukno“ noch bei uns in der Stadtwerkstatt zu Besuch, drei Jahre später begeistern uns die Grazer am Free Tree Open Air. Dass wir nicht die einzigen sind, welche die Musik der Jungs auf Heavy-Rotation hat, beweisen ihre 150.00 Hörer*innen und die Streamingzahlen, die bei manchen Songs über die Millionenmarke hinausgeschossen sind. Also wir sind zumindest mit den anderen Besucher*innen in die erste Reihe gestanden und haben unsere Stimmbänder zu Songs wie „Hund“ oder „Blut“ malträtiert – mehr muss wohl nicht gesagt werden.
Danach hat uns „Lou Asril“ mit Songs wie „Heaven“ oder „Divine Goldmine“ auf ein Neues bewiesen, dass er erstens (und wir wiederholen uns hier) eine großartige Stimme hat und zweites Soul mega sexy sein kann. Wir kennen Lou Asril noch von seinen ersten Auftritten, wo er gerade mal mit 19 Jahren das Ahoi!Pop Sommer an der Donaulände Linz eröffnete und sich somit mit Größen wie „Yung Hurn“ oder „Bilderbuch“ eine Bühne teilte. Letztes Jahr veröffentlichte er seine erste EP mit dem Namen „louasril“, mit der er heuer auf so einigen größeren Bühnen unterwegs ist.
Stimmlich großartig ging es dann mit „Lola Marsh“ weiter. Das Duo aus Israel hat uns schon bei so manch anderen Festivals ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Sängerin Yael Shoshana Cohen und Multiinstrumentalisten Gil Landau veröffentlichten letztes Jahr ihr zweites Album “Someday Tomorrow Maybe“ und ihre Songs findet man in beinaher jeder Indie-Playlist. Songs wie „Only for a Moment“ oder „Wishing Girl“ verbinden wir automatisch mit Sommer und Festivals und zaubern uns auch noch beim hundersten Mal ein Lächeln ins Gesicht.
Während sich ein Teil von uns bereits auf den Heimweg machte, besuchte der andere Teil unseres Teams die anderen Stages.
Der Samstag startete für uns mit Kerosin95 und einem gefüllten Platz vor der Hauptbühne. Wenn Kerosin95 „meine Emotionen heizen diese Bude ein“ rappen, dann entspricht das zu hundert Prozent der Wahrheit. Mit ihren ehrlichen Texten balancieren Kerosin95 zwischen Ernst und Ironie, und Songs wie „Nie Wieder Gastro“, „Außen Hart Innen Flauschig“, „Meine Welt“, „Shiver“ und „FUTTER“ laden zum Mitsingen und Tanzen ein. Ein großartiges Konzert, aber vielleicht sogar noch ein bisschen großartiger für Mitglieder der Queer-Community und FLINTA* Personen, einfach nur weil man sich gemeinsam ärgern und dabei Party machen kann.
Nach Kerosin95 begeisterte das Südtiroler Pop-Duo Anger, leider aber nur für ein paar Songs, bis zur Sturmwarnung und Evakuierung des gesamten Konzertgeländes. Wie beim Free Tree Festival zu erwarten waren die Festivalbesucher extrem hilfsbereit, auch als es hieß man solle sich wegen einer Hagelwarnung besser in die Autos flüchten. Passiert ist gottseidank nichts, außer dass ein bisschen Wasser im Zelt stand, und der vorhergesagte Hagel blieb glücklicherweise auch aus. Nach ungefähr eineinhalb Stunden war das Unwetter dann auch schon wieder überstanden, es gab Entwarnung und die Konzerte durften weiter stattfinden. Leider schafften wir es an dem Tag nicht mehr zur Hauptbühne, da ein trockener Schlafplatz doch sehr erstrebenswert erschien, und der erst wieder geschaffen werden musste.
Nachdem das Festival den Sturm mehr oder weniger gut überstanden hatte, konnte das Programm am Sonntag wie gewohnt weitergeführt werden. Mit Gummistiefeln ausgerüstet machten wir uns auf den Weg zur Hauptbühne, um der Tiroler Musikerin „Little Element“ einen Besuch abzustatten. Die Musik der jungen Singer-Songwriterin und Produzentin lässt sich am ehesten als Dream Pop/experimental Folk/Surf und TripHob beschreiben. Mit ihren Songs und den teilweise surfigen Gitarrenklänge katapultiere uns die junge Musikerin direkt ans Meer. 2020 erschien ihre Debüt-LP „Fire“, wo unter anderem der Song „Tel Aviv“ zu hören ist. Obwohl die Innsbruckerin der erste Act an dem Tag war, haben sich vor der Bühne schon viele Leute versammelt, um den sommerlichen Vibes zu lauschen.
Mary Jane’s Soundgarden begeistern mit einer unglaublich tanzbaren Mischung aus Hip Hop, Funk und Groove. Die Band hat die richtige Ausstrahlung um sowohl musikalisch als auch textlich den Funk(en) zum Publikum überspringen zu lassen, und vor allem mehr Energie als wohl alle Festivalbesucher zusammen am letzten Tag des Festivals, was aber niemanden davon abgehalten hat sich zu bewegen.
Johnny and the Yoohahoos
Highlight des gesamten Festivals waren unsere Meinung nach „Blond“! Die drei Musiker*innen haben um 18.00 Uhr Nachmittag mal kurz die Bühne abgerissen – einfach so. Hätten wir gewusst, wie sich „Las Vegas Glam“ live anfühlt, so hätten wir uns diesem Genre schon früher verschrieben. Die beiden Schwestern Nina und Lotta Kummer und Sandkastenfreund Johann Bonitz erobern im Moment die Herzen aller Indie/Alternative-liebhaber*innen. Ihre Debüt-LP „Martini Sprite“ veröffentlichten sie letztes Jahr, leider hatte sie dann kaum Chancen mit dem Meisterwerk auf Tour zu gehen.Danke Corona. Aber heuer lässt sich das Trio nicht mehr bremsen und startet so richtig durch – samt in die Show integriertem Fitnessprogramm. Und zusätzlich werden „Blond“ wohl auch bald einen Platz im Guinessbuch der Weltrekorde haben: für den häufigsten Bühnenoutfitwechsel on stage. Den Fokus ihrer Texte richten sie auf allgemeine Problemthemen, unter anderem Frauen im Musikbusiness oder auch Corona. Wie können wir da wohl still stehen bleiben, bei Songs wie „Spinaci“ oder „Du und ich“. Und um es mit den Worten der Band zu sagen: „Es könnte grad nicht schöner sein“ – halt ohne Uterusmanipulation.
In Linz ist der Italo Pop auch 2021 noch nicht so 100 % angekommen – währen dessen hat sich in Wien die Band Roy Bianco & die Abbrunzati Boys gegründet und eroberte mit charmanten Schlagergesten das Publikum am Free Tree Open Air. Die selbsternannten Halbgötter des Italo-Schlagers brachten vor Kurzem ihren ersten Langspieler auf den Markt mit den „Greatest Hits“, wie sie meinen. Diese Hits wie „Baci“, „Giro“, „Pone di Rialto“ oder „Vino Rosso“ ließen so manche Italo-Fans auf Hochtouren laufen.
Der musikalische Abend wurde dann auch noch mit der österreichischen Supergroup „My Ugly Clementine“ ergänzt. Falls wer die Band noch nicht kennt: sie besteht aus Sophie Lindinger, bekannt durch Leyya, Mira Lu Kovacs (sie kennt man vielleicht durch 5KHD), Kathrin Kolleritsch alias Kerosin95 und Nastasja Ronck (Lucid Kid). Die Band hat nicht ohne Grund bereits Hallen ausverkauft, Preise gewonnen und tausende Hörer*innen auf Spotify – um es simpel auszudrücken: sie sind einfach verdammt gut. Deswegen begeistern uns Songs wie „Playground“, „Cool4u“ oder „Good bad ugly“ immer wieder aufs Neue, egal wie oft wir sie schon gehört oder live erleben durften.
Apropros öfters live erleben: Buntspecht, welche Ende Juli in der Braukommune Freistadt bei der Sunnseitn zu Gast waren, waren auch am Free Tree Open Air am Start. Markant für die Band ist vor allem die außergewöhnliche Stimme des Sängers Lukas Klein, welche, wie man so schön sagtn „alle Stücke“ spielen kann. Sie beschreiben sich selbst als sechs betrunkene Seiltänzer aus Wien, welche die Kinderlieder für alle schreiben, wo alles sein darf/soll/muss. Und bei Songs wie „Unten den Masken“ oder „Brennnesseln“ kann niemand mehr still stehen bleiben.
Die Band Bukahara war wohl das perfekte Vorzeigebeispiel dafür, wie es aussieht, wenn sowohl die Band als auch das Publikum Bock auf das Konzert haben. Mit Liedern aus ihrem letzten Album „Canaries in a Coal Mine“ (Happy, Afraid No More) wärmte die Band das Publikum auf, und bekam sofort einen Einblick in die Textsicherheit der Crowd. Bei etwas älteren Hits (A Child’s Tale, No!, Eyes Wide Shut, Grotta Delle Ninfe, Vogel) wurde nur noch mehr bestätigt, wie gut die Band beim Publikum abschnitt. Ein absolutes Highlight!
Ein Festival während einer Pandemie zu organisieren und umzusetzen erfordert viel Muße – davor ziehen wir den Hut. Gerade nach so einer langen Festivalpause tut es gut, wieder ein bisschen Normalität zu spüren, selbst wenn das heißt bei Regen vor der Bühne im Gatsch zu stehen und langsam von Oben bis Unten durchnässt zu werden. Oder wieder zu merken, wie sehr einem die Routine in der Vorbereitung für ein Festival fehlt – und man sich dann plötzlich mit weißen Turnschuhen, kaputtem Zelt und ohne Wasservorrat im Innviertel befindet. Wir sagen auf jedenfall Danke für die Möglichkeitm Musik ohne Einschränkungen endlich wieder LIVE genießen zu dürfen!
Fotos: Lisa Leeb & Lisa Trost