Andreas Spechtl von Ja, Panik
Foto: Christoph Leeb

Ja, Panik – ein Abgesang

Mit einem Jahr Verspätung startete gestern die Tour zum Album „Die Gruppe“ von Ja, Panik. Alte und junge Fans waren ins Wiener Flex gekommen, um nach Jahren der Bühnenabstinenz die MusikerInnen um Andreas Spechtl zu hören.

Apokalypse Or Revolution, das ist der einzige Song, den ich vom bereits vor einem Jahr erschienenen sechsten Album der nun in Berlin lebenden Band kenne. Davor klafft eine siebenjährige Pause, in der sich einige Buch-, Solo- und Kunstprojekte ergeben haben. Apokalypse Or Revolution war auch der erste Song, bei dem das Publikum gestern Abend begeistert und textsicher bei der Sache war. Anderen neuen Nummern wurde bemüht gelauscht. Doch die gewohnt mehrsprachigen Text waren beim neuen rotzigen Sound nur schwer zu verstehen.

Diskurs-Pop mit Identitätskrise

Schnell ist klar, dass das Album „Die Gruppe“ eigentlich viel mehr sein möchte, als man aufs erste heraushören kann. Dreckiger, roher und auch ein bisschen prophetisch muten die Texte an, die sich wie auch schon früher um gesellschaftspolitisch relevante Themen drehen. Kapitalismus, Pandemie, Veränderung.

 Ich glaube aber, dass es der Gruppe Ja, Panik schon um das In-Bewegung-Bleiben an sich geht.

Nach mehreren Jahren Funkstille kann und will wohl keine Musikgruppe dort anknüpfen, wo sie aufgehört hat. Über die Veränderung von der Band zur Gruppe hat uns Andreas Spechtl schon letztes Jahr im Interview erzählt.

Versuch einer Zeitreise

Das Publikum ist geduldig. Freundliches mitwippen und warten, ob die nächste Nummer vielleicht nicht doch wieder eine von früher ist. Selbst die ganzen Jungen, die die Songs damals, 2006, noch gar nicht gehört haben können, warteten auf die Klassiker. Die wenigen, die Ja, Panik spielten, klangen auch trotz neuer Besetzung wie früher. Doch Stimmung kam bei dem nach gut 80 Minuten mit drei Zugaben wieder beendeten Tourauftakt nicht wirklich auf. Aber zum ersten Mal seit langem sah ich bei einem Konzert wieder Gesichter. Manch 20-jähriger hat die Zeit genutzt, um den zur Krankenkassenbrille passenden Pornoschnauzer hinter der Maske wachsen zu lassen. Neben ihm eine junge Frau mit 80er-Jahre Dauerwelle und Leopardenprint-Jacke. So repräsentierte das Publikum mindestens genauso bemüht „Berliner Avantgarde“ wie die fünf MusikerInnen auf der Bühne.

Fazit

Den Anspruch, inhaltlich so relevant wie früher zu sein, hat „Die Gruppe“ bestimmt. Doch ob sie ihn erfüllen, muss man dem Album wohl Song für selbst entlocken. Denn zu alter Form haben sie, zumindest auf der Bühne, noch nicht wieder gefunden.

Fotos: Christoph Leeb

Album Cover Die Gruppe Ja, Panik

Tourdaten 2021 2022

19/APR/2022 WIEN Flex
21/APR/2022 SALZBURG ARGEkultur
22/APR/2022 MÜNCHEN Ampere
23/APR/2022 ST. GALLEN Palace
26/APR/2022 BERLIN Lido
29/APR/2022 KÖLN Gebäude 9
30/APR/2022 HAMBURG Uebel & Gefaehrlich
03/JUN/2022 NÜRNBERG Z-Bau
04/JUN/2022 SCHORNDORF Manufaktur
05/JUN/2022 FRANKFURT Mousonturm

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