doppelfinger
© Sophie Löw

doppelfinger im Interview zu „By Design“

Der junge Songwriter doppelfinger hat im März mit „by design“ ein Album veröffentlicht, das erfreulich „unösterrichisch“, nach zeitlos schönem Folk klingt. Dabei hat er sich auch ein äußerst spannendes Potpourri an Kollaborarteur_innen und Mitmusiker:innen mit ins Boot geholt. Wir haben kurz vor Veröffentlichung des Albums mit ihm über seine Inspiration und seinen Werdegang gesprochen.

Clemens Bäre, wie doppelfinger mit bürgerlichem Namen heißt, kommt ursprünglich aus dem Mühlviertel. Wie viele verschlug es ihn durch das Studium nach Wien. Aus den ersten, noch im Kinderzimmer geschriebenen Solosongs entstand innerhalb der Wiener Indie-Bubble soetwas wie ein natürlicher Flow, an dessen Ende nun plötzlich ein Album dasteht, das sich ganz organisch ergeben habe. Manchmal macht es einfach klick und es finden die richtigen Leute am richten Ort zusammen. So ist mit „by design“ ein wunderschönes Folk-Kleinod entstanden in dem doppelfinger sein musikalisches „Coming Of Age“ eindrucksvoll zelebriert.

subtext.at: Deine ersten Songs sind 2018 praktisch noch Zuhause im Kinderzimmer entstanden und waren damals noch nicht dafür gedacht jemals an die Öffentichkeit zu gelangen. Jetzt sitzen wir hier etwa vier Jahre später kurz vor Veröffentlichung deines ersten Albums. Wie war dein Werdegang bis zum dem Punkt an dem du dich entschieden hast, als „doppelfinger“ mit diesen Songs an die Öffentlichkeit zu gehen?
Clemens: Schwierig eigentlich, da die eigene Vergangenheit so zu durchschauen. Manche Songs sind noch entstanden, ohne dass es da schon große Hintergedanken in diese Richtung gab, andere dann erst im Albumprozess. Da hab ich mir dann schon gedacht: „Okay, des Song muss jetzt noch irgendwie drauf“. Irgendwie hat sich das alles durch meinen Umzug nach Wien ergeben. Meine Situation hat sich einfach ein bisschen verändert. Plötzlich bin ich mit viel mehr musikmachenden Menschen in Kontakt gekommen und habe darüber hinaus auch begonnen mehr live zu spielen. Dann hat es sich zum Beispiel ergeben, dass ich über einen gemeinsamen Freund meinen Produzenten kennengelernt habe, oder auch die Sophie, die dann das Cover für mich gemacht. Das war alles sehr natürlich und easy, weile diese Musikszene in Wien sehr klein, aber auch sehr aktiv ist und sich gefühlt jeder irgendwie unterstützt. Dieser Gedanke ein Album zu machen war für mich als Musikfan dann schon sehr früh da und als dieser Entschluss mal stand hat sich alles irgendwie so gefügt, ohne dass ich da etwas forciert hätte.

subtext.at: Hast du dir in diesem sehr natürlichen Flow trotzdem nochmal die Frage gestellt: „Okay, will ich das jetzt veröffentlichen?“
Clemens: Klar. Natürlich stellt man sich irgendwann die Frage: „Warum mache ich das überhaupt?“ und ich hab da gefühlt auch eine Antwort drauf. Am Ende des Tages ist es mir wichtig, den Versuch zu starten Musik zu machen, die zumindest für eine Person irgendwo genauso wichtig ist, wie für mich die Musik von der ich Fan bin. Das ist so der Versuch dahinter. Weil sonst bräuchte ich meine Musik ja nicht zu veröffentlichen. Wenn ich es nur für mich alleine machen würde, dann bräuchte ich nur das Ableton-Projekt speichern, schließen und das nächste aufmachen.

subtext.at: Deine Musik klingt für mich – und das ist in diesem Fall bitte als Kompliment zu verstehen – sehr unösterreichisch. Man denkt da mehr an amerikanisches Hinterland als ans Mühlviertel. Zeitlos schön und irgendwie auch sehr zerbrechlich. Was sind deine Einflüsse und Inspirationen beim Musikmachen?
Clemens: Das ist lustig, dass du das sagst. Weil das war schon immer so ein Wunsch von mir aus diesem Bild vonwegen „Hey ich bin jetzt 12 und spiel jetzt Posaune in der Musikkapelle“ auszubrechen, was bei mir sicher mal eine Option gewesen wäre. Ich hab mich da immer irgendwie geweigert und wahrscheinlich hatte ich auch deswegen immer den Drang zu versuchen, daraus auszubrechen und eben auch nicht das zu machen, was schon andere österreichisches Artists vor mir probiert haben. Natürlich hat man dann zusätzlich so seine Einflüsse und die sind, wenn man so wie wir jetzt mit dem Internet aufwächst, schneller und einfacher zugänglich. So hab ich mir schon relativ früh aussuchen können was mir gefällt und was nicht. Mit 12 Jahren Bob Dylan zu entdecken hat sich für mich total natürlich angefühlt und so hab ich relativ bald begonnen mich mit dieser Art der Musik mehr zu assoziieren als vielleicht mit österreichischer Kultur.

subtext.at: Trotzdem gibt es in diesem österreichischen Indie Kosmos nicht allzu viele Artists die stilistisch in diesem zeitlosen Folk verorten würde. Ist es vielleicht trotzdem die besondere Herausforderung das spezielle Feeling dieses Genres authentisch zu transportieren?
Clemens: Also ich will jetzt sicher nicht sagen, dass es so schwierig ist und ich deswegen so gut bin (lacht). Für mich fühlt es sich vielleicht einfach leichter an weil sich diese Art von Musik so in meinen Kopf gebrannt hat. Dafür könnte ich vielleicht keinen modernen Popsong schreiben. Aber ich sehe schon auch bei anderen Tendenzen zu dieser Art von Musik. Also wenn ich mit Maria zum Beispiel über ich Projekt OSKA rede – klar, das wird anders produziert und es wird anders damit umgegangen – aber in der Grundstruktur steckt da schon sehr viel Folk drinnen. Warum aber auch vielleicht manche dieses Label „Folk“ meiden, ist das Klischee: „Okay, da steht ein Dude alleine mit Gitarre da“ – oder auch mit vielen Gitarren. Aber es ist schon irgendwie mehr als das. Deswegen will ich dieses Klischee auch nicht bedienen.

subtext.at: Aber es ist wahrscheinlich auch irgendwo die ursprünglichste, unkomplizierteste Form Musik zu machen, oder?
Clemens: Für mich hat sich das immer total einfach und natürlich angefühlt. Ich kann mich daheim hinsetzen, meine Gitarre komisch stimmen und einfach Sachen ausprobieren. Aber das ist mein Zugang und für andere kann das wieder ganz anders aussehen.

subtext.at: Du zeigst ja auch auf deinem Album Facetten und Klanglandschaften her die weit über dieses „Dude mit Akustikgitarre“-Klischee hinausgehen und hast dir ein großes Spektrum an Leuten ins Boot geholt, die mitmusiziert, gesungen oder produziert haben. OSKA und Sophie Lindinger (Leyya, My Ugly Clementine) oder Jakob Herber (FLUT), um nur ein paar zu nennen. Besonders Jakob scheint als Produzent und Co-Songwriter eine große Rolle gespielt zu haben. Wie kam diese musikalische Beziehung zustande?
Clemens: Jakob ist mir ursprünglich mal von einem Freund empfohlen worden. Er ist ja musikalisch eigentlich anderswo beheimatet und bringt so eine ganz coole Energie mit. Er hat das als eines der ersten Projekte das Culk Album produziert, was ich unglaublich super gefunden hab und dann einfach viele Projekte, die in ganz unterschiedliche Richtungen gegangen sind. Das fand ich spannend. Es ist da sehr talentiert darin, auf Projekte zuzugehen und denen jetzt nicht unbedingt seinen eigenen Stempel aufzudrücken, sondern sich sehr offen drauf einzulassen und zu schauen wie man das noch auf ein höheres Level heben kann. Ich finde durch seine Perspektive und alle die in weiterer Folge etwas zur Platte beigesteuert haben – wie auch ein Lukas Lauermann am Cello, von dem ich ein riesiger Fan bin – die haben dazu beigetragen, dass es am Ende einfach nochmal ein anderes Spektrum bekommen hat.

subtext.at: Gibt es soetwas wie einen Erzählfaden den das Album hat? Was sind so die Geschichten und Emotionen die dich beim Schreiben bewegt haben?
Clemens: Es passiert eher selten, dass ich mich hinsetzen sage: „Okay, ich möchte jetzt diese eine Thematik behandeln, oder diese eine Geschichte hat mich dazu bewegt, dass ich das und das schreib“, sondern es ist eigentlich meistens ein bisschen chaotisches Ausbrechen. Manchmal schreibt man einen Song und schaut dann zurück und versteht ihn selber erst nachdem er geschrieben worden ist. Das kann ewig lange dauern. „Quite Alright“ war für mich zum Beispiel eher eine Zusammenfassung oder Rückblicken auf das Album und auf die Thematiken, die in diesem Album behandelt werden. Es ist sehr unterschiedlich, aber meistens ist es einfach auch ein chaotisches sich aufs Blatt übergeben und dann schauen was es ist. Da ist wenig kalkuliert und viel späteres Entdecken und neue Deutungsversuche dabei. Am schönsten würde ich es auch finden, wenn ich das gar nicht groß erklären brauche, sondern sich die Hörer:innen irgendwo selbst darin entdecken und einen ganz persönlichen Zugang finden. Das ist für mich das Schönste und Wichtigste am Musikmachen.


TOUR DATES

19.5.22  Innsbruck, Die Bäckerei
20.5.22  Graz, Orpheum Extra
21.5.22  Steyr, Röda
26.5.22  Wien, B72


Doppelfinger - by design

doppelfinger: by design

VÖ: 18.03.2022
CD / LP / Stream
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Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.