© Nurith Wagner-Strauss

Hör mir zu: CLOSE ENCOUNTERS bei den Wiener Festwochen

Wie oft reden wir aneinander vorbei, statt miteinander? Richtiges Zuhören will eben gelernt sein. Anna Rispoli hat ganz genau hingehört. 50 Stunden an Material hat die aus Italien stammende Regisseurin für die Wiener Festwochen zusammengetragen, transkribiert und neu einsprechen lassen. Für ihre „Close Encounters“ trifft das Publikum auf eine Schülerschaft, um gemeinsam einen Dialog nachzusprechen.

Ist das alles ein großes Missverständnis? Hat man die Aufgabenstellung auch richtig verstanden? Rispoli lässt es sich nicht nehmen, selbst eine knappe Einführung im Theater Akzent Anfang Juni zu geben, bevor man zum Dialog gebeten wird. Ein Schüler sucht sich einen Besucher aus, um gemeinsam einen Perspektivenwechsel zu erleben. Bei mir ist es Lorenz, der mir erklärt, was gleich passieren wird. Wir begrüßen uns und lernen uns kurz kennen, während wir auf dem Weg zu dem Raum sind, in dem das Gespräch stattfinden soll. Dann sitzen wir uns schon gegenüber, schauen uns in die Augen, stecken uns einen der Kopfhörer ins Ohr und das Gespräch vom Band beginnt.

© Nurith Wagner-Strauss

Ich spreche eine weibliche Stimme nach. Das Tempo ist flott. Zeit, um über das Gehörte länger nachzudenken, bleibt anfangs nicht, weil man sonst kaum hinterher kommt. Gleichzeitig fördert „Close Encounters“ die eigene Reflexion, weil es die volle Aufmerksamkeit einfordert. Ein Aussteigen nach wenigen Minuten ist, jedenfalls für mich als Teilnehmer, nicht drin. Lorenz berichtet später, dass es manche nach 5 Minuten abgebrochen hätten, weil sie die Intention dahinter schon verstanden hätten. Andere hätten sich wiederum geweigert, selbst den Dialog zu sprechen. Rispoli schafft jedenfalls einen Raum, der ein aktives Zuhören begünstigt und Empathie für sein Gegenüber entstehen lässt. Kommunikationsstärke mal anders herum. Zuhören bedeutet hier nicht einfach nur hinhören, sondern repräsentiert einen aktiven Prozess.

Mich auf Lorenz einzulassen, geschieht bei mir recht schnell. Bereits nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass die Themen, die einen als Jugendlicher heutzutage beschäftigen, die gleichen wie vor 20 Jahren sind. Statussymbole, Familie, Job, Sexualität, sich nicht verstanden fühlen und das Alleinsein. Nach 30 Minuten ist der Dialog zu Ende. Lorenz und ich tauschen uns über unsere Erfahrungen aus. Ihm habe dieses Projekt und der dazugehörige Workshop, der mit Schülerinnen und Schülern aus je einer AHS und einer Berufsschule stattgefunden hat, geholfen, seine Schüchternheit zu überwinden. Bei mir hat diese Eins-zu-eins-Begegnung dazu geführt, dass ich meine anfängliche Skepsis einfach öfter und schneller beiseite schieben kann als zuvor gedacht. „Close Encounters“ ist ein tolles Projekt, welches sein Ziel nicht verfehlt und ohne Zweifel weit nach Vorstellungsende nachhallt.

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