Klondike Filmstill
Foto: Heimatfilmfestival Freistadt

Klondike

Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Frau. Eine Frau, die versucht inmitten von Krieg und Terror ein möglichst normales Leben zu führen und sich bestmöglich auf eine Geburt vorzubereiten. Voller Emotionen, aber doch mit einer gewissen Ferne erzählt der Film von Verzweiflung und Hoffnung.

Die Geschichte beginnt im Dunkel. Alleine die Worte einer Unterhaltung begrüßen das Publikum. Eine Unterhaltung über Träume, über Vorstellungen eines anderen Lebens. Die Gesprächspartner sind Irka und Tolik. Die werdenden Eltern zwingt eine Explosion, welche die ganze Region erschüttert, dazu, wieder in die Realität zurückzufinden. Die Vorfreude auf das kommende Familienglück schwindet sichtlich. Es ist Sommer 2014 und in ihrer Heimat wütet ein Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Als schließlich das Passagierflugzeug MH17 nahe ihrem Dorf abstürzt, verschärft sich die Situation weiter. Vom Vater des Kindes wird erwartet, sich den russischen Separatisten anzuschließen. Irkas Bruder sieht Tolik dadurch als Verräter seiner ukrainischen Heimat an. Und die werdende Mutter selbst will das Dorf und die damit verbundene Heimat auf gar keinen Fall verlassen. Um den bestehenden Streit zwischen ihrem Bruder und ihrem Ehemann zu schlichten, verpflichtet die Ukrainerin die beiden, das zerstörte Haus neu aufzubauen und es zu reparieren.

VOM SONNENAUFGANG UND DER BLEIBENDEN HOFFNUNG

Ohne Frage macht dieser Film auf Schwierigkeiten und Problematiken aufmerksam, macht Gebrauch von vielschichtigen Metaphern und legt das Augenmerk auf eine Tragödie, deren Auswirkungen es kaum über die ukrainischen Staatsgrenzen hinaus in die Welt geschafft haben. Wütend, aufgewühlt und inspiriert von den Geschehnissen im Juli 2014 in der Region Donezk, beschließt Maryna Er Gorbach, die Ereignisse in einem Film zu verarbeiten. Gemeinsam mit ihrem Team trifft sie eine sehr mutige Entscheidung: Sie werden hauptsächlich in den wenigen Minuten von Sonnenauf- und Sonnenuntergang drehen. Eine einengende Aufgabe, welche bravourös gemeistert wurde. Sie haben es geschafft, dadurch ein Stimmungsbild entstehen zu lassen, welches man so schnell nicht vergisst.

Filmstill aus Klondike
Foto: www.klondikemovie.com

„As long as they do not bomb sunset and sunrise there is hope!“ Diese Worte der Regisseurin haben keine*n im gut besuchten Kino kalt gelassen. In dem Q&A spricht sie über Krieg, Terror und Waffen, aber auch wie der Film als Portrait einer werdenden Mutter und einer Familie fungiert, welche irgendwie versucht, im Wahnsinn der Gewalt nicht die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Eine große Geschichte, welche sich auf die kleinsten und alltäglichsten Dinge übertragen lässt.

NÜCHTERN BEOBACHTEND, ERSTAUNLICH NAH

Dieser Film hat so viele Punkte zu erwähnen und man weiß nicht so genau, wo man beginnen sollte. Als Erstes ist die atemberaubende Stimmung, welche vermittelt wird, zu nennen. Wie bereits erwähnt sind die Szenen hauptsächlich in der kurzen Zeit zwischen Tag und Nacht oder umgekehrt aufgenommen. Eine unglaubliche Leistung und der volle Respekt an alle Mitwirkenden. Die Bilder sind großteils in zwei Einstellungen aufgenommen. Man betrachtet die Geschehnisse aus einer nüchtern klaren Perspektive, statisch, als einzige Bewegung die Figuren, wie sie im Bild ein und aus gehen. Neben diesem fast schon kühlen Blick werden abwechselnd dazu Nahaufnahmen gezeigt, welche sich auf die Emotionen der Charaktere fokussieren. Dabei wird dem Publikum nichts aufgezwungen.

Neben dem Schmaus für die Augen ist der Spielfilm ebenso für die Ohren interessant aufbereitet. Der Soundtrack ist dezent und schmiegt sich hervorragend in die Geschehnisse. Wie unauffällig dieser wirklich ist, bemerkt man erst im Nachhinein, wenn die Frage auftaucht, ob der Film denn überhaupt irgendeine Art der Musik beinhaltet hat. Ein Punkt, der den künstlerischen Wert der Produktion abermals unterstreicht.

Fazit

Die einen werden ihn durch den erstaunlichen Look und die gänzlich beeindruckende Machart nicht aus dem Kopf bekommen. Andere wird dieser Film im Herzen berühren. Aber keine*r wird den Saal verlassen, ohne sich an Irka, Tolik und die kleine Familie zu erinnern. Sei es nun Bild, Ton oder Schauspiel. Ein Film, der durch und durch überzeugt, der sich mit einer wahren Begebenheit beschäftigt und der sich auf so subtile Art einer Thematik nähert, wie man sie nur selten im großen Kino findet.


Filmplakat Klondike

Klondike

Regie: Maryna Er Gorbach
Kamera: Sviatoslav Bulakovskyi
Ukraine/ Türkei 2022, 100 Minuten

www.klondikemovie.com


Festival Der neue Heimatfilm

24. – 28. August 2022

www.filmfestivalfreistadt.at

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Kreativ offenes Köpfchen, kaum ohne Kamera und Notizbuch vorzufinden.