SZIGET Festival 2022: 6 Tage Inselurlaub

Von 10. bis 15. August fand im Herzen von Budapest das Sziget statt: ein Festival, das sogar noch mehr gehalten hat, als es ohnehin schon versprach. Hochkarätige, international gefeierte Headliner, ein breites Angebot an Kunst- und Kultur, unvergessliche Erinnerungen und der ein oder andere Überraschungsmoment.

MITTWOCh

Remi Wolf

Hitze, Party, Warteschlange: das Festival startete für mich und viele andere mit einem riesigen organisatorischen Chaos rund um Remi Wolf. Wer, wann und wie fotografieren durfte war lange unklar. Das hatte zur Folge, dass alle anwesenden Fotograf:innen erst mal salopp eine Dreiviertelstunde in der prallen Sonne darauf gewartet haben, Zutritt zum Fotograben zu erhalten, bis es dann doch hieß, man hätte die ersten drei Songs fotografieren dürfen- es hätte nur niemand gewusst und jetzt sei es zu spät.

Abgesehen vom anfänglichen organisatorischen Chaos war’s trotzdem toll. Die junge Amerikanerin Remi Wolf war ein würdiger erster Festivalact und hat schon mal stark vorgelegt. Hits wie „Disco Man“, „Liz“ und „Sexy Villain“ laden sehr stark zum Mitsingen und Tanzen ein, und das Publikum war trotz Nachmittagshitze und Staub motiviert!

Milky Chance

Ich war ein bisschen überrascht, diese Band auf der Mainstage zu finden. Irgendwie hab ich anscheinend verpasst, wie die so bekannt geworden sind. Verdient ist der Erfolg auf alle Fälle, die Menge war ziemlich textsicher und musikalisch war die Show auch solide. An der Bühnenperformance könnte man aber noch etwas feilen. Etwas unspektakuläres Kopfwippen, ganz nach dem Motto „Stolen Dance“, mit leichtem Bedarf nach Verlustmeldung.

Dua Lipa

Am ersten Tag hat Dua Lipa als Headliner gleich mal allen anderen gezeigt wie Bühnenperformance geht. Rollerskates zählen zwar zu den verbotenen Gegenständen am Festivalgelände, aber Dua Lipa hat irgendwie ein paar Rollschuhfahrer:innen auf die Bühne geschmuggelt. Spektakuläre Choreographien mit Hebefiguren und eine unglaublich starke Gesangsstimme – es war alles und mehr, aber vor allem tanzbar. Eigentlich würde ich gern gleich noch eine ihrer Shows besuchen.

Cleopatrick

Ich weiß nicht wie lange ich jetzt darauf gewartet habe, Cleopatrick endlich live sehen zu können. Unter anderem war der Moment in dem ich den Bandnamen im Lineup entdeckt habe ausschlaggebend dafür, dass ich plötzlich unbedingt aufs Sziget Festival wollte. Und sie waren großartig! Die Setlist ließ keine Wünsche übrig, die Performance ebensowenig. Nur leider war anscheinend niemand von der Tontechnik anwesend. Wenn doch: oje.

DONNERSTAG

Alice Merton

Gesanglich leider unerwartet schwach und mit einem Outfit, das ein bisschen sehr an eine Autowaschanlage erinnert, entgeisterte Alice Merton auf der Mainstage. Die ersten Reihen schien das nicht zu stören, aber aus Gesprächen mit anderen Festivalbesucher:innen weiß ich, dass ich nicht alleine mit meiner Enttäuschung war. Einige ihrer Songs wären ja eigentlich richtig gut. Schade. Vielleicht beim nächsten Mal?

GIRLI

Wieder einer der Namen im Line-Up, die sofort mein Interesse am Sziget geweckt haben: GIRLI. „Nieder mit dem Patriarchat“ steht auf der Videoleinwand hinter der Bühne, während die 24-jährige Britin darüber singt, wie nervig ungefragte Kommentare und Ratschläge zu ihrem Auftreten und Catcalls sind. GIRLI schreibt außerdem Songs über Themen, die ihr wichtig sind, egal ob diese für die Mehrheit populär genug sind oder nicht. Auf der Bühne, dann im Fotograben, dann einmal mitten im Publikum, und wieder auf der Bühne: Bei der Energie, die sie mitbringt, braucht GIRLI keine Backgroundtänzer:innen. Und so wie ihre persönliche Fotografin über die Bühne gehüpft ist schon gar nicht. GIRLI war ein absolutes Highlight.

Bastille

Bastille Songs haben einfach einen unglaublich livetauglichen Charakter und sind perfekt dafür gemacht, von einer riesen Menschenmenge mitgesungen zu werden. Wie der Leadsänger selbst zugibt, verarbeiten Bastille viele eigentlich ernstere Themen mit melancholisch-glücklichen Melodien. Ein Konzert, das lange nachhallt. Bastille sind halt einfach gut.

Kings of Leon

Ein absolutes Gänsehautkonzert. Ich war zwar nicht überrascht davon, dass Kings of Leon live gut sind, aber sie sind wirklich unglaublich gut. Wenn ich in meinem Leben nur noch ein Konzert besuchen könnte, weiß ich jetzt für wen ich mich entscheiden würde.

Dublic

Vielleicht wärs intelligenter gewesen, statt den trippy Visuals eine Epilepsiewarnung auf die Videowalls zu schreiben. Die Person mit der Seifenblasenmaschine hat sich auch definitiv irgendwie in dieses Zelt verirrt. Dublic sind gefühlt kategorisch alle EDM Subgenres abgegangen, haben während der Show herausgefunden, dass DnB Bootleg Remixes von TikTok Songs bei dem Publikum am besten funktionieren und sind dann in der Schiene hängen geblieben. War aber echt okay so.

Apashe

Die Show hat mit einem Knall begonnen. Ich bin leider etwas ungünstig gestanden und komplett von der Konfettikanone abgeschossen worden. Glück im Unglück war, dass es nicht die Nebelmaschine war.
Zu Apashe selbst: Sounddesign kann er. Stimmung kann er auch. Außerdem gab es bei der Show die spannendsten Visuals bisher auf den Videowalls zu sehen.

Sláger Stage

Falls jemand die schlechtesten DJs der Welt sucht, ich hab sie gefunden. Songs direkt vor dem Refrain abzuwürgen ist schon eine ganz eigene Kunst. Eine Stage, um die man am besten einen großen Bogen macht, es sei denn man steht darauf von sämtlichen Classics nur das Intro und die erste Strophe zu hören.

FREITAG

Stromae

So gut besucht habe ich den Platz vor der Mainstage das ganze Festival nicht gesehen. Das hatte aber leider den Nachteil, dass man von der einen Seite der Mainstage bis zur anderen Seite etwa eine halbe Stunde brauchte. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Menge habe ich zwar nicht viel von der Stage gesehen, das Publikum hatte aber bis in die letzten Reihen Spaß. Der Maestro weiß eben, wie man nachhaltig Stimmung macht.

Justin Bieber

Nachdem ich die Menschenmenge bei Stromae schon gesehen habe und wortwörtlich keine Aussicht auf mehr möglich war, hab ich beschlossen mir die Show von Justin Bieber vom Pressebüro neben der Mainstage aus anzuhören. War wie Radio hören, nur mit ein bisschen mehr Bass.

Woodkid

Die ganze Performance ist ein Kunstwerk: ein perfekt durchdachtes audiovisuelles Konzept, Interaktion mit dem Publikum, Musiker:innen die offenkundig Freude daran haben zu performen. Gesanglich ist Woodkid sowieso wahnsinnig gut, und tanzen kann er auch noch. 10/10, wenn nicht sogar mehr. Definitiv einer der besten Acts am Sziget, Headliner eingeschlossen.

Jungle

Basslastiger Disco Sound, der sich manchmal ein bisschen in Richtung Surf-Rock verirrt, gepaart mit unverhältnismäßig viel Strobo und Kuhglocken, so könnte man die Show der Band Jungle beschreiben. Die Performance war leider etwas unspektakulär. Mit einer dauerhaft relativ undurchsichtigen Nebelwolke auf der Bühne und einfärbigem Licht mit Strobo on top ließ die Lichtshow leider auch zu wünschen übrig. Musikalisch waren sie allerdings wirklich gut. Ein sehr eingespieltes Team.

SAMSTAG

Random Trip

Eine Band, die ich vorher noch gar nicht am Radar hatte ist Random Trip. Die ungarische Pop Gruppe (Genre: gefühlt alles?) hat es geschafft, dass ich etwa eine Viertelstunde am Gelände durch die Gegend geirrt bin, weil ich wissen wollte woher die Musik kommt. Dass ich die Quelle auf der Main Stage finde hätte ich nicht gedacht. Eine sehr angenehme Überraschung, wirklich hörenswert!

Black Honey

Black Honey waren schon Support für Queens of the Stone Age, ihre Musik lässt sich am besten mit „Indiepop with a dark twist“ beschreiben. Der Stil erinnert ein wenig an Pale Waves, das Outfit der Sängerin an eine Porzellanpuppe. Und wenn es keinen Merch Stand gibt, dann improvisiert man als Band eben und verkauft nach der Show signierte Platten und T-Shirts über den Fotograben.

Pabst

A little wall of death, maybe? Nach Black Honey ging es für mich weiter zu Pabst. Die Berliner waren noch ein bisschen im „german mode“ und sind zwar anscheinend hier nicht ganz so bekannt, aber nach und nach haben immer mehr Leute festgestellt, dass auf der ALL Europe Stage gerade ziemlich die Post abgeht. Abgesehen von den kurzen technischen Problemen am Anfang eine einwandfreie Show – gerne bald wieder!

Lola Marsh

Letztes Jahr ungefähr zur selben Zeit hatte ich schon mal das Vergnügen, Lola Marsh live zu sehen. Das war auf einer etwas kleineren Mainstage, am Free Tree Open Air. Dieses mal spielten sie zwar nicht auf der Mainstage, sondern im Free Dome, die Bühne war jedoch deutlich größer. Ihr Auftritt ist einfach immer wieder gut. Und wenn das Publikum auch noch merklich Bock hat, ist das Konzerterlebnis sowieso optimal.

Psychotic Monks

Definitiv schwer einzuordnen und ziemlich schräg sind die Psychotic Monks. Sich mitten im Publikum mit einem Kabelmikro am Boden herumzuwälzen und sich komplett darin zu verwickeln ist zwar sehr mutig, aber irgendwie war das Publikum von der Aktion eher irritiert. Musikalisch einzuordnen sind sie irgendwo bei psychedelic experimental garage post rock / punk und Noise Performance.
Ihr selbst bestimmtes Genre lautet „post George Orwell“. Eigentlich gibts da gar nichts weiter zu sagen.

Lewis Capaldi

Zwischendurch war ich nicht ganz sicher, ob ich mir ein Konzert oder ein Kabarett anhöre. Der Platz vor der Mainstage war wieder gesteckt voll, also hab ich beschlossen, mir einen gemütlichen Platz auf dem Staubboden hinter der Menge zu suchen und Lewis Capaldi von dort aus zugehört, wie er über Durchfall, Darmgrippe und Calvin Harris sinniert hat. Ein paar Songs hat er auch gespielt. War gut.

Calvin Harris

Beim Fotografieren war es schwer überhaupt gerade stehen zu bleiben, geschweige denn eine ruhige Hand zu haben. Weil, bist du deppert, da war nix ruhig. Bei dem Bass hab ich mir ab den ersten paar Tönen des ersten Songs dauerhaft eingebildet, dass mein Gehörschutz aus den Ohren gefallen sein muss.
Die erste Reihe hat das anscheinend auch ziemlich unterschätzt. Viele sind direkt nachdem die Show angefangen hat, trotz stundenlangem Warten auf den Headliner, in der Menge sehr schnell weiter nach hinten verschwunden, während sie sich, so gut es ging, mit den Händen die Ohren zugehalten haben.

Beabadoobee

Die Musik von Beabadoobee wirkt wie aus einem 90er-Jahre Coming of Age Film gegriffen. Frischer, schwungvoller Gitarrenpop auf tanzbar. Persönlich mag ich den Sound unglaublich gerne. Und mittlerweile kann ich den Stagename der Britin sogar schon aussprechen.

Bad Gyal

Sich einfach auf ein Festival einzulassen bedeutet manchmal auch Shows von Künstler:innen zu besuchen, die man nicht schon vorher kennt oder recherchiert hat. Beim Künstlernamen Bad Gyal hab ich allerdings ganz bestimmt keine katalanische Paris Hilton erwartet. Was allerdings gesagt werden muss: Stimmung machen kann sie, und hinter der Tanzperformance steckt sicher nicht gerade wenig Arbeit.

SONNTAG

Ronnie Flex and the Fam

Wenn man bisher nichts bewusst davon mitbekommen hat, dass laut Veranstalter etwa 50% der Festivalbesucher:innen aus den Niederlanden kommen, dann bei der Show von Ronnie Flex. Man muss keine meisterhaften detektivischen Fähigkeiten besitzen um das bei den mitgebrachten Flaggen, ausgefallenen Kostümen und der Textsicherheit der Crowd herauszufinden.

Unterstützt wurde der niederländische Rapper von der Fam, die gemeinsam mit dem Sänger bei der letzten Nummer eine Art Mitmachchoreografie zu Drank & Drugs performten. Was ich mir definitiv von der Show mitgenommen habe: lang anhaltende gute Laune!

Sigrid

Zeitgenössischer Pop und eine große Stimme. Von der jungen Norwegerin habe ich 1-2 Songs gekannt, hatte aber keine wirklichen Erwartungen an die Show. Sigrid hat erfolgreich bewiesen, dass es keine Bühne voller Backgroundtänzer:innen und keine auffälligen Bühnenoutfits braucht. Wenn man genug Talent mitbringt, geht das auch alleine, in Tanktop und Jeans. Der Slot zum Sonnenuntergang hat auch ganz gut zur Stimmung gepasst.

Palaye Royale

Auch wieder Profis was das Thema Bühnenperformance betrifft sind Palaye Royale. Gitarren schmecken ihnen anscheinend ganz gut, Mikrofonständer sind ausgezeichnete Wurfobjekte und ein bisschen auf der Bühne herumkugeln eignet sich super als Ausgleich zum Herumhüpfen zwischen Bühne und Publikum.
In der ersten Strophe von „Seven Nation Army“ war der gesangliche Ansatz zwar um etwas mehr als einen Halbton zu tief, aber das schien das Publikum nicht weiter zu stören. Ein guter Song zum mitgröhlen. Tonlage? Wurscht.

Anne-Marie

Anne-Marie schreibt Songs über Beziehungen. Besser gesagt über die, die in die Brüche gegangen sind. Herzschmerz als Motiv ist jetzt in der Musik nicht so ganz neu, aber Anne-Marie verpackt das ganze in fröhliche Popsongs mit Beats und Melodien die ins Ohr gehen. Dazu bringt sie viel Energie mit auf die Bühne. Ihr Outfit hat etwas kindliches an sich, im Hintergrund brennen blitzblaue Plastikteddies.

Die Frage „Who hurt you?“ wird zwar nicht namentlich beantwortet, der Tathergang jedoch dafür in jedem Song sehr ausführlich geschildert. Gleich zu Beginn war es der Britin anscheinend noch sehr wichtig anzukündigen, dass sie zu viel Cola getrunken hat und jetzt ständig rülpsen muss, direkt gefolgt von dem Versprechen „es wird auch während der Show passieren“.

Tame Impala

Vielleicht bin ich mit der Meinung etwas alleine, aber die Musik von Tame Impala erinnert mich einfach an eine etwas modernere, basslastigere Mischung aus Kinks und Beatles. Wo mir vermutlich mehr Menschen zustimmen werden: er ist eine großartige Wahl für den Headlinerspot. Einige der Songs gefallen mir live sogar noch ein bisschen besser als die Albumversionen. Sagen wirs mal so, der Drummer konnte z.B. bei „Elephants“ seiner Kreativität freien Lauf lassen und hat die Gelegenheit genutzt um ein bisschen zu improvisieren. Die Visuals und die Lichtshow waren auch der Wahnsinn.

Caribou

Ein Albtraum zum Fotografieren, aber eine traumhafte Show zum Ansehen. Nachdem mich die paar Songs, die ich bei ihrer Show am Maifeld Derby gesehen hab neugierig gemacht haben, wollte ich Caribou auch am Sziget einen kurzen Besuch abstatten. Ich bin aus Versehen bis zum Schluss geblieben. Eine ganz eigene Stimmung, und definitiv eine der faszinierendsten Lichtshows des Festivals!

Steve Aoki

Die Ticketswap Arena war komplett vollgestopft und viel zu klein für einen Act wie Steve Aoki. Auflegen kann er aber. Sein Set war irgendwie eine Mischung aus Classics von Artists wie Celine Dion, Abba, Queen und Hot Butter, TV Samples und aktuellen Partysongs, zu denen er selbst dann etwas schief, aber voll überzeugt mitgesungen hat. Dazu sehr viel Nebel und ein kurzlebiger Kuchen. Ich glaube, wenn man massentauglich und ohne dafür gelyncht zu werden „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana und „Sandstorm“ von Darude mischen kann, kann man alles.

MONTAG

Carson Coma

Ein kurzer Abstecher zum Pressebüro hat mich wieder mal zu einer positiven Überraschung auf der Mainstage geführt. Carson Coma sind eine ungarische Alternative Rock Band. Im regenbogenfarbenen Discoanzug performte der Leadsänger vor einer kleinen, sehr gemütlich aussehenden Wohnzimmerinstallation. Eine Band, die ich gerne mal bewusst eingeplant mit mehr Zeit in einem weniger staubigen Setting sehen würde.

Iceage

Direkt nach Carson Coma die nächste positive Überraschung: ich war gerade eigentlich unterwegs zum Voguing Workshop als ich irgendwie beim Free Dome hängen geblieben bin. Leider habe ich nur die letzten paar Songs gesehen, denn Iceage haben echt was drauf! Dänischer Punkrock, der sich absolut hören lässt!

Inhaler

Inhaler sind eine irische Indierock Band. Ihr Leadsänger ist niemand geringeres als Elijah Hewson, der Sohn von Bono von U2, das merkt man auch ziemlich am Sound der Band. Die Fans sind ziemlich enthusiastisch und singen inbrünstig bei jedem Song mit, zwischen den Songs wird mit lauten Rufen um die Aufmerksamkeit einzelner Bandmitglieder gebuhlt.

Holly Humberstone

Musik, die unter die Haut geht. Greifbare, nachfühlbare Texte, gemischt mit einprägsamen Melodien – absolutes Ohrwurmpotenzial. Nachdem ich Holly Humberstone zuvor bei einem 5-Minuten-Blitzinterview kennenlernen durfte, ist meine Vorfreude auf ihre Show nochmal ein bisschen gestiegen. Wie sympathisch kann man bitte sein?

Die Show selber war zwar ein emotionales Minenfeld, aber dafür richtig schön.

Princess Nokia

Who that is, ho? Princess Nokia!
Nachdem sie die erste Reihe mit Wasser komplett durchnässt hat, bat die amerikanische Rapperin um Nachsicht, weil sie heute nicht wie gewohnt performen kann, da sie starkes Asthma hat und ihr der Staub am Festival ziemlich zusetzt.

An dieser Stelle sei gesagt, dass der Staub wirklich schlimm war, weil es die letzten paar Wochen anscheinend hier nicht geregnet hat. Teilweise war es auf den Wegen zwischen den Bühnen schwer normal zu atmen, ohne einen Hustenanfall der Sonderklasse zu bekommen, ob mit oder ohne Maske / Tuch vor dem Gesicht.

Doch wenn diese Performance Nachsicht benötigt, dann weiß ich auch nicht weiter. Das zu übertreffen wäre echt schwierig. Princess Nokia hat mich so umgehaun wie der Bass die Wasserflaschen beim DJ Pult.

Arctic Monkeys

Unüberraschend richtig gut waren auch die Arctic Monkeys. Live haben die Briten meine jahrelang aufgestauten hohen Erwartungen mehr als erfüllt. Arctic Monkeys sind eine der Bands, bei denen ich jeden Song gekannt habe. Nicht, weil sie nur Hits gespielt haben, sondern weil einfach jeder Song ein Hit ist. Was für die Ohren und fürs Herz.

Clutch

Für diejenigen, denen es bei Arctic Monkeys zu leise zuging, gab es im Free Dome währenddessen und danach die heavy Gitarrenriffs der Band Clutch. Der Leadsänger überzeugte mit einer wirklich starken gesanglichen Leistung, musikalisch wirklich top. Kann man sich anhören!

Fontaines D.C.

Was hilft am besten gegen das Gefühl der Traurigkeit, wenn eine großartige Festivalwoche dem Ende zugeht? Ein würdiger Abschluss! Genau den hab ich mir von dieser Band gewünscht, und Fontaines D.C. lieferten ab! Ein großartiges Konzert mit großartiger Stimmung, musikalisch sowieso einfach richtig, richtig gut. Von mir aus hätten sie ruhig noch länger spielen dürfen!

Guiss Guiss Bou Bess

Den Abriss von Fontaines D.C. wollte ich eigentlich so stehen lassen und mit dem Gefühl direkt zurück ins Apartment fahren. Mich hat dann aber doch noch die Neugier zur Global Village Stage gelockt. Dort wurde mit der Band Guiss Guiss Bou Bess eine Mischung aus dem Sound traditioneller senegalesischer Sabar Trommeln und tiefen elektronischen Bässen versprochen. Was ich nicht erwartet habe war in die steilste Danceparty des Festivals zu stolpern. Ziemlich cool, gern wieder!

FAZIT

Starkes, diverses Lineup

Das Sziget will kein Genrefestival sein. Davon zeugt vor allem auch das Lineup auf der Main Stage. Hier ist von Pop und EDM bis Rock alles vertreten. Natürlich gibt es auch bewusst verschiedene kleinere Stages für verschiedene Genres, aber in Venues wie dem Dropyard mit dem Schwerpunkt Hiphop / Trap – wurden zum Beispiel die Artists gebeten, in ihrer Muttersprache zu performen. Selbst wenn man nicht alles textlich versteht, ist die Sprache keine Barriere, denn schlussendlich geht es um die Musik und das Miteinander.  

Verantwortungs- und Wertebewusstsein

Das Sziget Festival ist eines der größten Musikfestivals in Europa mit einer Kapazität von 95.000 Besuchern pro Tag und 40.000 „Szitizens“, also Menschen, die auf dem Gelände campen. Laut Programme Director József Kardos besteht der Unterschied zwischen dem Sziget Festival und anderen Festivals darin, dass sie neben Musik auch andere Kunstformen wie Performance Art unterstützen. Außerdem steht das Sziget für Akzeptanz, Toleranz und Miteinander. Bei der Pressekonferenz erklärte Kardos außerdem, dass die Insel der Freiheit nicht nur im physischen, sondern auch im übertragenen und metaphorischen Sinne eine Insel ist. Eine 6-tägige Auszeit zum Alltag und der Realität.

Das Sziget versucht übrigens unter dem Motto „Go green!“ ihren ökologischen Fußabdruck, dessen sie sich als großes Festival sehr wohl bewusst sind, so gut es geht zu verringern. Beispielsweise haben sie dieses Jahr eine Kampagne gegen Plastikstrohhalme mit dem Titel „Don’t suck!“ gestartet und verwenden ausschließlich wiederverwendbare Becher bei den festivaleigenen Bars.

Persönliches

Trotz anfänglichem Chaos und dem Staubproblem ein unglaublich schönes Festival, von der Deko bis zum Lineup. Das Sziget hat einige für mich ziemlich wichtige Kriterien erfüllt, wie etwa einfache Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus der Innenstadt möglich zu machen, dafür zu sorgen, dass die Toiletten nicht komplett verdreckt sind (was bei einem 6 Tage langen Festival schon mal passieren könnte), eine gute Infrastruktur und Meetingpoints am Gelände zu schaffen, beim Essen auch gute vegetarische / vegane Alternativen anzubieten und (ganz essenziell!) gratis Kaffee im Pressebüro.

Sziget, wir sehn uns wieder. Bis bald!


schreibt, fotografiert, filmt. außerdem irgendwie immer überall.