Scarborough Filmstill
Foto: Heimatfilmfestival Freistadt

Scarborough

Es sind drei Familien, drei Schicksale und drei Kinder, die darüber erzählen. Mit seiner sensiblen Art nimmt dieser Film die Zuseher*innen mit auf eine Reise nach Scarborough, einem Stadtteil Torontos, in dem es wenig Hoffnung zu geben scheint.

“I have two best friends, minus one equal one alive. And one broken heart, divided by heaven and earth.” Mit diesen Worten schließt Sylvie ihre Rede. Sylvie hat zwei beste Freunde, Bing und Laura. Gemeinsam bilden sie die drei Perspektiven der Geschichte. Die drei Kinder haben mit unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen. Sylvies Mutter versucht bestmöglich mit Sylvies kleinen Bruder umzugehen. Der Junge mit der „besonderen Sprache“ macht das Leben für seine Familie nicht unbedingt einfacher. Bing hat mit Traumata und anderen Schwierigkeiten zu kämpfen – sei es nun das Problem mit seinem Vater oder das Mobbing in der Schule. Die leise und vernachlässigte Laura wird von ihrer Mutter ausgesetzt und kommt im Anschluss zu ihrem Vater, welcher sich jedoch auch nicht viel besser um sie kümmern vermag. Der Film zeigt den Versuch, aus diesen Situationen zu flüchten, der Beginn eines berührenden Einblickes in das Leben der drei Kinder und ihrer Familien.

VOM SPIELFILM, DER ZUR DOKUMENTATION WURDE

Keine Frage, dass traurige Kinderschicksale gute Inspiration für die Leinwand bieten. Was dieser Film geschafft hat, ist es, in einem Spielfilm einen Raum zu kreieren, in dem man sich von einer wahren Geschichte umgeben fühlt. Authentisch und ohne Zwang zeigen Sylvie, Bing und Laura ihre Welten und bringen sie dem Publikum näher. Ohne große Erklärungen gibt man den Zuseher*innen die Möglichkeit, selber herausfinden welche Gründe all die Geschehnisse haben könnten. Wieso sitzt Laura alleine in einer Bowling-Halle? Weswegen versteckt Bing seine Bettdecke am Morgen unterm Bett? Was sind die Gründe für Sylvies ausgeprägte Zivilcourage? Der Film gibt dem Publikum genügend Zeit, um all das zu denken, all die Gefühle zu fühlen und sich von den Personen mit in deren Welt führen zu lassen.

LACHEN, TRÄNEN UND ETWAS GÄNSEHAUT

Bei solch traurigen Umgebungen unterscheidet sich ein sehr guter Film von dem Durchschnitt. Dieser Film ist einer der ganz besonderen Art, denn er lädt nicht nur ein, drei kanadische Kinder auf der Reise durch ein Schuljahr zu folgen, sondern ist auch eine Reise der Gefühle. In dem einen Moment ist man zu Tränen gerührt. Im nächsten, die Tränen kaum getrocknet, will man mit den Charakteren herzhaft mitlachen. Man ist wütend auf den Vater, hat den vollen Respekt gegenüber der Mutter, hat Mitleid, trauert und fühlt die Liebe, welche sich in der entstehenden Freundschaft bildet. Eine Achterbahn der Gefühle, aber im bestmöglichen Sinn.

Fazit

Leise und fließend taucht man in eine andere Welt ein und wird von ihr verschlungen. Trotz der Thematik ist dieser Film weder brutal, noch zwingend oder will von sich überzeugen. Er zeigt authentisch, wie viel Leid man auf sich nehmen kann, um für das Umfeld stark sein zu können. Doch zeigt er ebenso, dass es trotz des Leides immer wieder wo ein Licht gibt, welche Form und Gestalt dieses auch haben mag, das durch die Dunkelheit leitet. Scarborough ist ein Portrait starker Frauen, welche alles Mögliche für die Kinder in ihrem Schutz tun würden. Und oft ist alles Mögliche einfach nur ein Wort der Unterstützung, ein Lächeln oder eine Umarmung.


Plakat Scarborough

Scarborough

Regie: Shasha Nakhai
Kamera: Rich Williamson
Kanada 2021, 136 Minuten

www.scarbfilm.com


Festival Der neue Heimatfilm

24. – 28. August 2022

www.filmfestivalfreistadt.at

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Kreativ offenes Köpfchen, kaum ohne Kamera und Notizbuch vorzufinden.