© Rahi Rezvani

History repeats itself: Die Editors im Interview

Mehrere Jahre lang spielen die Editors Post-Punk/Rock der britischen Schule in unterschiedlichen Schattierungen. Auf dem siebten Album „EBM“ dehnt und definiert die Formation aus Birmingham 2022 den Bandsound weiter aus. Im vergangenen Jahr geht die Band also ein paar Schritte in der Geschichte zurück, um einen entscheidenden nach vorn zu machen.

Dieses Update, wenn man so will, speist sich aus der Electronic Body Music-Bewegung der 80er und 90er Jahre, für die „EBM“ steht. Auf der anderen Seite symbolisiert der kurze und prägnante Titel die nicht mehr ganz so neue, aber jetzt fixe Zusammenarbeit der Editors mit Musiker Benjamin John Power alias Blanck Mass, der zuvor schon in Arbeitsprozesse involviert war und nun als festes Bandmitglied dem Sound seinen Keyboard-Stempel aufdrückt.

Für die einen ist dieser Schichtstapelexzess aus drängenden Elektrosounds und dröhnenden Technobässen zu viel des Guten, für all die anderen kommt dieser Anstrich mit ordentlich Wumms gerade recht. Die Editors bleiben spannend und auch unbequem, weshalb dieses Interview mit Ben angedacht ist. Was persönlich geführt werden soll, findet aufgrund einer Panne mit dem Tourbus zum späteren Zeitpunkt über den elektronischen Weg statt.

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subtext.at: Ben, manche Leute besitzen das Talent, Dinge aus einem unterschiedlichen Blickwinkel betrachten zu können. Ist das nun deine Rolle bei den Editors?
Ben Power: Was das Kreative anbelangt, wurde ich schon immer intensiv von Grenzen auslotender Musik und Kunst angezogen. Als sie mich eingeladen haben, der Band fest beizutreten, war ich sehr glücklich darüber, dass sie diese Seite an mir schätzen.

subtext.at: Waren die Editors verzweifelt auf der Suche nach einem neuen musikalischen Anstrich nach dem Album „Violence“?
Ben Power: Als neues Bandmitglied ist für mich schwierig zu sagen, ob die Band verzweifelt auf der Suche war oder nicht. Die Editors haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie keine Risiken scheuen. Ich nehme an, dass es auch der Grund dafür war, was es für mich interessant gemacht hat, mich der Band anzuschließen. Entweder gehst du Risiken ein oder du tretest auf der Stelle.

subtext.at: Es ist kein Geheimnis, dass wenn eine Beziehung länger anhält, der Alltag dazwischen kommt und sie dann fahrig werden kann und sich eventuell festfährt. Mit dir als neues Bandmitglied, wie hältst du den Funken bei euch aufrecht?
Ben: Ich stelle sicher, dass ich jedem einzelnen Bandmitglied jeden Tag drei positive Dinge über sie erzähle.

subtext.at: Wie war der Entstehungsprozess rund um „EBM“ für dich? Organisch, kalkuliert, geplant oder mehr nach dem Trial-and-Error-Prinzip?
Ben: Merkwürdigerweise eine Mischung von alldem. Es war eigentlich angedacht, diese Songs im Rahmen einer speziellen Festivalshow in einem Dance-Tent einmalig vorzustellen. In dieser Hinsicht war das also geplant. Mit der Zeit wurde dieses Vorhaben revidiert und wir haben weiter Songs ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen geschrieben. Dann hat uns Covid ins All verfrachtet hat und Livemusik stand gar nicht als Option im Raum. So begann der Prozess eine organische und forschende Form anzunehmen.

subtext.at: Was hat dich am meisten an EBM überrascht?
Ben: „Silence“ war der einzige Track, der nicht komplett fertig war, als wir ins Studio gegangen sind. Zu sehen, wie Justin uns steuert und alles einfädelt und den Song von einem groben Demo zu einem ausgewachsenen, ausschweifenden Epos anschwillen lässt, war verblüffend. Es war nicht überraschend, es war nur erstaunlich, wie es sich entfaltet hat.


subtext.at: Versucht ihr alle gemeinsam ein Problem zu lösen oder wartet ihr einfach, bis der Blitz sozusagen einschlägt?
Ben: Dieser Moment des Blitzeinschlags passiert üblicherweise dann, wenn alle Komponenten einrasten. Das ist immer ein wahrhaft erstaunlicher Moment. Manchmal kommt es aber auch vor, dass ich Songs im Schlaf schreibe.

subtext.at: Wir sind alle mal in der Situation, über den Tellerrand blicken zu wollen. Leider sind wir oft ins unseren Gewohnheiten fest verankert und bevorzugen Routinen. Wie geht ihr in der Band mit diesem Thema um?
Ben: Ich stimme dir zum Teil zu, dass wir alle unsere Routinen besitzen. Wenn eine Gruppe aber mit unterschiedlichen Methoden der Herangehensweise einen gemeinsamen Flow findet, dann ist das der Moment, wo der Zauber passiert. Wir haben ziemlich gleiche oder zumindest kompatible Herangehensweisen hinsichtlich der Melodik und des Empfindungsvermögens. Es kommt uns also sehr entgegen, dass sich die Farbpalette der Editors ständig ändert.

subtext.at: Denkst du, dass „EBM“ einen Schritt aus der Komfortzone für die Band darstellt?
Ben: Mit Sicherheit. Ich bin aber auch der Meinung, dass jedes Album der Editors einen Schritt aus der Komfortzone gewagt hat. Das ist einer der Gründe, warum es diese Band heute noch gibt.

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subtext.at: Fällt dir etwas ein, ein Lob oder ein Kompliment, was ein Fan oder Freund über „EBM“ gesagt hat?
Ben: „I quite like it, actually.“

subtext.at: Die Entscheidung, die Melancholie in dein Leben zu lassen, ist das etwas, was dein Leben auf langer Sich bereichert?
Ben: Über die lange Sicht kann ich nichts sagen, aber sie hilft mir, im kreativen Prozess etwas Bestimmtes anzuzapfen. Es ist ein hilfreiches Werkzeug wenn ich Kunst erschaffe. Persönlich habe ich kein Vertrauen in die Kunst, wenn sie zu fröhlich ist.

subtext.at: Wir mussten uns mit dem Brexit beschäftigen, mit Corona rumplagen oder um kriegerische Angriffe auf europäischem Boden. Haben diese Dinge einen bestimmten Einfluss auf das Songwriting der Editors?
Ben: Es ist sehr schwierig, diese Dinge, die auf der Welt passieren, komplett aus dem kreativen Sichtfeld auszublenden, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat.

subtext.at: Würde die Musik anders klingen ohne diese Geschehnisse auf der Welt?
Ben: Menschen sind ein Produkt ihrer Umwelt und selbst wenn man vorhat, politische Themen aus der Musik rauszuhalten, werden sie einen Weg finden, sich hineinzuschleichen. Welche körperlichen Auswirkungen das alles auf einen hat, sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Es ist nahezu unmöglich, dem zu entkommen.

subtext.at: Ist die Informations- und Reizüberflutung die größte Gefahr in der heutigen Zeit für den kreativen Output eines Künstlers?
Ben: Als Künstler muss man sich konstant weiterentwickeln. Im Zuge dessen ist es wohl tatsöhlich so, dass durch diese Entwicklungen das Album-Format einen Schlag abbekommen hat und darunter leidet. Leute hören sich selten ein Album von vorne bis hinten an, wie es früher mal der Fall war. Auf der anderen Seite ist es unglaublich einfach geworden, neue Künstler für sich zu entdecken. Kleinere Artists können große Plattformen für sich nützen, um auf sich aufmerksam zu machen. Das ist eine recht positive Entwicklung.

subtext.at: Mit dem Best Of „Black Gold“ hat die Band bereits einen Karriererückblick veröffentlicht. Bist du selbst an einem Punkt in deinem Leben angelangt, an dem du auf Erreichtes zurückblickst?
Ben: Bedauerlicherweise finde ich es nahezu unmöglich, in der Gegenwart zu leben. Ich blicke immer zurück, auf Vergangenes und auf Dinge, die als Nächstes passieren werden. Um es ganz klar und einfach auszudrücken: Ja, natürlich blicke ich auf Erreichtes zurück.

subtext.at: Welche Erinnerungen kommen in dir hoch, wenn du an die Zeit zurückdenkst, als das Debüt “The Back Room“ von den Editors erschienen ist?
Ben: Ich habe hinter einer Bar in Worcester gearbeitet, die „The Firefly“ hieß. „The Back Room“ lief bei uns rauf und runter zu der Zeit. Sehnliche Erinnerungen und Gefühle von Nostalgie sind das, die hoch kommen.

subtext.at: Welchen Song performst du live unheimlich gern auf der derzeitigen Tour?
Ben: „Strange Intimacy“.

subtext.at: Hast du einen Lieblingssong aus dem Fundus der Band, der momentan nicht auf der Setlist zu finden ist?
Ben: „Eat Raw Meat = Blood Drool“.

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