Das Musical Ensemble von Natascha, Pierre und der große Komet von 1812
Foto: Reinhard Winkler

Natascha, Pierre und der große Komet von 1812

Das Musical im Landestheater Linz von Dave Malloy nach Leo Tolstoi ist ein gesungener russischer Roman in Kurzform. Lediglich das Hallo ins Publikum ist gesprochen, jedoch als Chor der Darsteller. Ein Musical, wie ich es noch nie gesehen habe.

Gleich vorab: Das Musical selbst hat mir nicht ganz so gut gefallen. Die Umsetzung jedoch war grandios. Durch das Gefühl der Neuheit, also ein Must-See für alle Musicalfans! Die Figuren sprechen nie. Sie singen ihre Gefühle und Aktionen. Die Songs haben keine wirkliche Ohrwurm-Qualität. Auch auf einen Kostümwechsel wartet man vergeblich. Und was der große Komet mit allem zu tun hat wird auch erst am Schluss verraten.

DIE HANDLUNG

Die Handlung ist durch die vielen Beziehungen der Charaktere, also das „wer mit wem“ gezeichnet. Kurz: Natascha verbringt mit ihrer Cousine Sonja den Winter in Moskau bei ihrer Patentante und wartet dort auf die Rückkehr ihres Verlobten Andrej aus dem Krieg. Zwischendrin trifft sie dessen Vater und Schwester (beides Genossen, die man eher nicht treffen möchte), die dekadente Moskauer Gesellschaft und Anatol, den Frauenhelden. Anatol verdreht Natascha den Kopf und verführt sie. Anschließend will er sie entführen, was jedoch scheitert. Es fliegt auf, dass Natascha ihren Verlobten betrogen hat, weswegen sie nun eine Frau ist, die niemand mehr haben will, schon gar nicht der zurückgekehrte Andrej. Pierre, der während des gesamten Stücks daran leidet, dass er keine Liebe für seine fremdgehende Ehefrau hat und generell unglücklich ist, trifft am Ende auf Natascha und ist Schockverliebt. Er erlebt einen Moment der Erleuchtung als er den großen Kometen am Nachthimmel erblickt.

Die Besetzung

Schon das erste Lied „Moskau“ reißt mich fast vom Stuhl. Die Charaktere haben Spaß dabei sich vorzustellen, die Musiker tanzen mit ihren Geigen auf der Bühne herum und ich am liebsten gleich mit! Das Casting des Stücks ist hervorragend. Nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch die Nebenrollen haben ihre Time to Shine und wurden perfekt besetzt. Daniela Dett wickelt alle als verruchte Hélène mit ihrer tiefen, lustvollen Stimme um den Finger. Lisa Antoni als Sonja, die Cousine von Natascha, singt so herzzerreißend schön über Freundschaft und Gernot Romic als Anatol verzaubert als Herzensbrecher nicht nur Natascha, sondern auch das Publikum. Auch die Leistung von Celina dos Santos als zerrissene Tochter und Karsten Kenzel als Balage, der wilde Kutscher, muss hier nochmal lobend erwähnt werden. Lukas Sandmann passt perfekt als Dolochow, wobei mich sein Lispeln, bzw. S-Fehler (ich kann’s nicht genau zuordnen), manchmal stört.

Die Musiker

Ein großes Lob ist auch den Musikern auszusprechen. Einige hüpfen oft quietsch-vergnügt auf der Bühne herum, während sie ihr Instrument perfekt im Griff haben. Der Rest des Orchesters sitzt in Pierre’s Wohnzimmer, auf der 2. Ebene der Bühne. Dort oben spielt Pierre selbst auch mit. Wenn er das aber nicht tut, setzt sich der Dirigent ans Klavier und spielt, während er das gesamte Orchester anleitet. Für mich einfach nur beeindruckend!

Mein GEsamteindruck

Die Bühne des Landestheaters wurde wie schon erwähnt für das Stück komplett umgebaut. Wir sehen mehrere Ebenen, Leitern, Stuhen und Eintritte der Besetzung durch das Publikum. Vor allem in den Szenen des organisierten Chaos, die mich immer wieder fast vom Stuhl reißen und vergnügt mitwippen lassen, füllt sich die Bühne mit Musicaldarstellern, Musikern und sechs Mitgliedern von Tanz Linz. Oft weiß ich gar nicht wo ich hinsehen soll. Dennoch erwische ich mich dabei den Blick gar nicht von Pedro Tayette abwenden zu können, der eine Ausstrahlung mitbringt, die auch meinen nicht-so-musical-begeisterten Freund mitreißt.

Das Musical beschert uns so viele unterschiedliche Themen wie Freundschaft, Liebe, toxic masculinity oder einfach nur die pure Lust am Leben. Wir erleben schnelles, organisiertes lustvolles Chaos, ruhige Momente und vielschichtige Charaktere. Auch eine völlig verwirrte Opernszene ist dabei. Warum auch nicht? Definitiv ein anders und neues Musicalerlebnis im neuen Kleid des großen Saals im Musiktheater.

Ein Appell

Ein wichtiger Anhang noch: Ich habe noch nie ein so unruhiges Publikum erlebt. Deswegen nutze ich diese Chance, an die Theaterbesucher zu appellieren: Es ist wahnsinnig respektlos gegenüber den anderen Gästen und dem Ensemble sich laut zu unterhalten, an unpassenden Stellen zu lachen und vor allem lautstark zu gähnen. Ich spreche hier vor allem die Boomer und älteren Generationen an. Ihr prätentiösen oberen Mittelstand-Mitglieder erschreckt, schockiert und erzürnt mich immer wieder.


Weitere Termine: landestheater-linz.at

Ich bin wahrscheinlich die Definition von Jack of all Trades. Ich liebe es vieles zu machen, sonst kommt die Unruhe in mir zum Vorschein. "Fake it till you make it", ist einer meiner Lieblingssätze, denn wenn ich etwas machen möchte, mach ich's eben einfach. Deswegen bin ich: Eventmanagerin, professionelle Tänzerin, Tanztrainerin, Content Creator, Bloggerin, Sprecherin/ Moderatorin in Ausbildung und vieles mehr. Ich freu mich, wenn ihr meine Beiträge lest und über eure Nachrichten!