Nuclear Nomads
Im Wohnmobil Tag für Tag von Atomkraftwerk zu Atomkraftwerk reisen? Unvorstellbar für die meisten Menschen, jedoch Lebensrealität von tausenden Personen in Frankreich. „Nuclear Nomades“ zeigt den Alltag von Personen, die mit gefährlichen Reinigungs- und Inspektionsarbeiten in Atomkraftwerken ihr Geld verdienen.
Im Film von Kilian Armando Friedrich und Tizian Stromp Zargari wird die Geschichte der „Nuclear Nomades“ anhand von drei Handlungssträngen erzählt. Einem Familienvater, der regelmäßig von seinen Liebsten getrennt ist, einem junger Mann, der dem Traum eines eigenen Hauses nacheifert und einem Paar, das gemeinsam in Atomkraftwerken ihr Geld verdient. Als Leiharbeiter*innen vermittelt man die vier Personen an die 56 Atomkraftwerke in Frankreich, um jene Tätigkeiten zu erledigen, die sonst niemand machen will. Sie alle hoffen auf ein besseres Leben.
Einsamkeit Als Treuer Begleiter
Der Film macht die schwierigen Arbeitsbedingungen an vielen Stellen ersichtlich. Personen fahren von einem Atomkraftwerk zum nächsten, stellen ihr Wohnmobil auf einen einsamen Campingplatz oder Parkplatz und verbringen ihre Freizeit großteils alleine. Es wirkt, als wäre die Work-Life-Balance ordentlich im Ungleichgewicht, da letztendlich aufgrund der vielen Reisen und dem Schichtdienst kaum Zeit für Familie und Freunde bleibt. Die Community der „Nuclear Nomades“ wirkt auch nicht wirklich stark und verbunden, denn Interaktionen zwischen Arbeitskolleg*innen scheinen eine Seltenheit. Die Ortsungebundenheit lässt sich wohl schwer mit starken sozialen Beziehungen verbinden. Einsamkeit steht somit an der Tagesordnung.
Der PReis ist Hoch
Die eindrucksvollen Bilder der Kühltürme und das allgegenwärtige elektronische Surren hinterlassen ein mulmiges Gefühl bei den Zusehenden. Es erscheint surreal, wenn jeden Tag der erste Blick aus dem Fenster die Nebelschwaden rund um das Atomkraftwerk sind. Die Gefahr scheint allgegenwärtig. Die gesundheitlichen Risiken der „Nuclear Nomades“ stellen ein sehr großes Problem dar. Die Arbeitenden dürfen immer nur einer bestimmten Strahlendosis ausgesetzt werden. Ist die Strahlenbelastung zu hoch, muss pausiert werden. Eine Pause bedeutet zugleich kein Gehalt. Nichtsdestotrotz wird für relativ hohe Monatslöhne so einiges in Kauf genommen und die enorme Gesundheitsgefährdung klein geredet.
Fazit
Die Dokumentation gibt Einblicke in den Lebensalltag eines für uns vollkommen fremden Arbeitsmodells und man stellt sich die Frage, warum es tatsächlich Menschen gibt, die sich freiwillig diesem Risiko aussetzen. Die Filmemacher schaffen es, die triste Einsamkeit der „Nuclear Nomades“ und die Bedrohung dieser Art von Energieproduktion gut mit der Kamera einzufangen. Durch bewusste Zurückhaltung und eine beobachtende Haltung wirken die Aufnahmen sehr authentisch. Man fühlt mit den Protagonist*innen mit und möchte wissen, was aus ihren Träumen und Hoffnungen geworden ist.
Nomades Du Nucléaire // Nuclear Nomades
Regie: Kilian Armando Friedrich & Tizian Stromp Zargari
DE 2023 / 73 min / Französisch, OmeU
mit Vincent Jouet, Marie Lore Porchert, Florian Wernert, Jérome Bienmont
filmfestival linz
26 april – 01 mai 2023
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