stream festival 2023
Foto: Christoph Leeb

Stream Festival: von Rock bis Neoklassik

Von Neoklassik bis Rock – in umgekehrter Reihenfolge. Das Stream Festival Linz bot am Freitag ein buntes Potpourri an Artists, von AF90 bis Hania Rani.

Neben Talks rund um die Musikindustrie sind es natürlich die Live-Konzerte, die die Linzer:innen zum Stream Festival bewegen. Die Hauptbühne wanderte heuer auf den Linzer Pfarrplatz – malerisch zwischen Erholungsfläche und Durchzugsstraße konnte man hier Musik genießen.

AF90

Den Auftakt vor uhrzeitbedingt noch schütterer Kulisse machten AF90. AF90 – oder, um den Namen zu erklären, Andreas Födinger, Jahrgang 1990. Dieser Mann ist in österreichischen Musikkreisen bei Weitem kein Unbekannter mehr, als Drummer von Bilderbuch oder als Mitglied von Farewell Dear Ghost machte er sich bereits einen Namen. Nun macht er „sein eigenes Ding“ – oder, wie er es musikalisch formuliert: „can we talk about me?“. Es ist ja immer dasselbe: Frontpersonen kriegen die Aufmerksamkeit, Gitarrist:innen sind musikalisch geil, Bassist:innen sind eh da, und Drummer:innen werden vergessen, wenn sie nicht grade Dave Grohl heißen und bei einer semibekannten Grunge-Band an den Trommeln gesessen sind. AF90 machen das, was sie wollen. Im ehrlichsten gemeinten Sinne. Rockig, Begleitband mit bekannten Namen, sich selbst nicht, aber die Musik dafür umso mehr ernstnehmend! Ja, das war gut!


Aze

Weiter im Programm in der von FM4 präsentierten Stage: Aze. Die sind in der einschlägigen heimischen Alternative-Landschaft ebenso keine Unbekannten mehr. „Hotline AZE“ heißt eine der meistdiskutierten Platten des Vorjahres, mit denen AZE in die heimische Musiklandschaft eingestiegen sind und sich einen Namen machten. Beyza & Ezgi sind derzeit quasi auf Dauertour, machen R’n’B mit Indie, mischen ein bisschen Dreampop darunter und schaffen eine Mischung, die hierzulande einzigartig ist. „More Than This“ und „Call me Back“ sind Tracks, die auf diversen Streaming-Playlists auf Dauerschleife laufen werden und das auch schon tun. Gerne mehr von ihnen, und gerne auch mehr in intimerem Rahmen!


Kids Return

Der heimliche Headliner des Abends, wie wir finden, wenn es danach – Achtung Spoiler! – Tess Parks nicht gegeben hätte. Kids Return aus Paris, oder eine Mischung aus MGMT und den Beach Boys. Ja, das haben wir grade wirklich so geschrieben. „Eine Freundschaft zwische Adrien Rozé and Clément Savoye“ begündete das Schaffen von Kids Return, wie sie selbst von sich sagen. Wie das klingt? Verdammt gut, für all die Indie- und Allesdazwsischenclubs dieser Welt wie geschaffen. „Orange Mountains“ heißt die bekannteste Single aus dem Album „Forever Melodies“, einem Albumtitel, der im Falle von Kids Return mehr als nur Programm ist. Eine Band, die man, wenn man sie noch nicht liebt, spätestens nach dem Konzert lieben wird. Vor allem deswegen, weil man mit den Mitgliedern auch danach in der Crowd noch in Kontakt kommen konnte.


Tess Parks

Wir haben es oben schon erwähnt: nun zum heimlichen Headliner, Tess Parks. Die in Toronto geborene Wahllondonerin schaffte es dann, zumindest uns musikalisch unter die Haut zu gehen. „And Those Who Were Seen Dancing“ heißt die aktuelle Platte, die im Vorjahr erschienen ist, und die Tess Parks‘ musikalisches Schaffen bislang perfektioniert. Man könnte hier lang ausholen: Alan McGee (ja, das ist der Ich-Habe-Oasis-Entdeckt-Dude) hält viel von Tess Parks, ihr Debut „Blood Hot“ ist zwar auch schon zehn Jahre alt, aber dennoch nicht minder großartig, und eine fulminante Bühnenpräsenz ist bei ihr selbstverständlich. Würde aber dem Konzert von Tess Parks nicht Genüge tun. „WOW“ ist nicht nur der Opener der aktuellen Platte, sondern vermittelt gleich das Gefühl, das sich nach dem Konzert von Tess Parks unweigerlich einstellt. Eine Erhabenheit auf der Stage, wie man es sich nur wünschen kann, musikalisch samt gut aufgelegter Band on top. Schade, dass vor allem in den hinteren Reihen der Lautstärkepegel nunja, eher Stammtisch- als Konzertniveau erreichte. Nichtstdestotrotz sicher das Highlight des Abends!


Hania Rani

Nun zum letzten Sot des Abends: Hania Rani. Die polnische Pianistin ist nicht nur auf diesem Kontinent eine der wohl gefragtesten Künstlerinnen ihres Genres. An dieser Stelle geben wir es ja zu: das Neoklassik-Genre hat es uns angetan. Nils Frahm, Martin Kohlstedt, Olafur Arnalds, die Grandbrothers und Co stehen bei uns ganz weit oben in der Plattenteller-Playlist. Gerne verlieren wir uns in ihrer Musik und landen in Traumwelten, die sie mit ihrer Musik erschaffen. Liebend gerne hätten wir das auch im Fall von Hania Rani am Stream Festival getan, denn Platten wie „Esja“ (2019) oder „On Giacometti“ (das aktuelle Werk) sind, im richtigen Ambiente genossen, wunderschön. Wunderschön auch an diesem Freitagabend am Pfarrplatz Linz – zumindest dann, wenn man in den ersten vier Reihen gestanden ist. Dahinter stellte sich dann leider schon die Frage: ist Linz bereit für ein Neoklassik-Konzert zum Headlinerslot? Ernste Zweifel muss man hier leider schon anmelden, denn der Lärmpegel im mittleren und hinteren Segment des Pfarrplatzes pendelte dann schon zwischen „laut“, „sehr laut“ und „unerträglich laut“. Schade, denn Hania Rani an sich ist großartig. Wie wärs mit einem Auftritt im Brucknerhaus? Große Konzerthäuser würden im Fall von Hania Rani ja an der Tagesordnung stehen.


Wer dann noch Energie hatte, durfte dann im Rahmen der Stream-Festival-Clubnight noch am OK Deck, in der Stadtwerkstatt oder in der KAPU abshaken. Oder sich für Tag Drei ausruhen. Was wir dann auch zum Großteil glücklich taten.

Fotos: Andreas Wörister, Christoph Leeb


Stream Festival 2023

Stream festival

Musik / Popkultur / Digitalisierung
18. – 20. Mai 2023

www.streamfestival.at
Eintritt frei

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.