Resi Reiner
Foto: Lisa Edi

Resi Reiner: „Das Album fühlt sich richtig an“

„Weißt du was ich mein?!“ heißt die Debutplatte der mittlerweile in Wien beheimateten Künstlerin Resi Reiner. Neun Tracks, die sich zwischen Identität und Traurigkeit bewegen. Ein Album, das auch vor Themen wie Trittico oder Espressomaschinen nicht Halt macht.

Auf dem Hamburger Krokant-Label erschien Ende August eine der spannenderen Platten des Jahres. Resi Reiners Debut tanzt zwischen Traurigkeit, Ironie, Lethargie und Freundschaft. Die Platte arbeitet mit Humor, Übertreibung und kommt dennoch ohne Kitsch aus. Es ist eines der Alben, wo man sich als Zuhörer nicht nur einmal beim Mitsummen ertappt – wir haben die Künstlerin zum Interview zur neuen Platte gebeten.

subtext.at: Zu Beginn mache ich es mir mal einfach. Die neue Platte heißt „Weißt du was ich mein?!“. In einem Satz gesagt: was meinst du mit dieser Platte?
Resi Reiner:
Das weiß ich wohl selber noch nicht so genau. Ich glaube, dass die Platte generell eine Vorstellung davon ist, wer ich bin und über was ich mir Gedanken mache.

subtext.at: Stichwort Gedanken. Im Begleittext zum Album werden hier die Worte Identität, Freundschaft, Lethargie, Traurigkeit, aber auch Psychopharmaka und Espressomaschine genannt. Weiters heißt es, dass du dabei textlich offen und nicht zu konkret werden wolltest. Warum?
Resi Reiner:
Ich glaube, dass ich nicht der Typ dafür bin, etwa zu sagen „mir geht es sooo schlecht“, wenn es mir mal nicht gut geht. Ich benenne das nicht so direkt, und das passt auch besser zu mir, offen zu bleiben. Ich bin ein großer Fan direkter Songs und mag auch gerne Songs, die mich gleich berühren – aber ich glaube nicht, dass ich das so schreiben kann, dass mir das geglaubt wird.

subtext.at: Bist du also so etwas wie die Antithese zum klassischen Pop-Song?
Resi Reiner:
(überlegt) Das müssen alle für sich selbst beurteilen, weil Pop auf seine Art ja ganz unterschiedlich ist.

subtext.at: Wenn man „Resi Reiner“ googled, erhält man die Aussage, dass sie sich dem „Indie-Schlager“ zugehörig fühle. Was ist für dich das „Indie“ beim Schlager?
Resi Reiner:
Ich stehe einfach sehr auf den 60er-Jahre-Schlager und Chansons, wie etwa Vicky Leandros. Deswegen finde ich persönlich Schlager auch nicht negativ. Schlager ist total charmant, und ähnlich wie beim Pop gibt es hier auch eine gewisse Breite. Ich bin jetzt nicht Ballermann-Schlager-Fan, aber anderen Schlager finde ich toll. Mittlerweile sage ich aber eh nicht mehr Indie-Schlager, sondern Popmusik. Weil es ja schon sehr poppig ist (lacht).

subtext.at: Du hast gerade die Chansonnieres der 60-er und 70er angesprochen. Die scheinen dich auf dieser Platte ja auch stark beeinflusst zu haben. Hast du dich da bewusst an diesen „alten“ Vorbildern orientiert und wolltest du zu einem gewissen Grad mit dieser Platte in dieser Zeit landen?
Resi Reiner:
Als der erste Song entstanden ist, war es auf jeden Fall so, dass wir zu dritt – ich, Robert Treichler und Gunther Müller – zusammen überlegt haben, was wir cool fänden und wo wir uns orientieren könnten. Ausformuliert hat das dann eher Florian Sievers und Albrecht Schrader, die das genommen haben und daraus eine Resi-Reiner-Welt gebaut haben.

subtext.at: Tauchen wir in diese Resi-Reiner-Welt ein. Ein Song, „Trittico“, huldigt einem Psychopharmakon. Wie kommt es dazu, dass man ein solch ernstes Thema auf eine solch humoristische Art behandelt wie in diesem Song?
Resi Reiner:
Ich finde, dass es vielen Menschen durch die Pandemie schlecht ging. Auch mir ging es schlecht und ich konnte nicht schlafen. Mich hat es monatelang geplagt, immer nachts aufzuwachen und um fünf Uhr morgens munter zu sein. Ich war durchgehend müde – dann war ich schon erleichtert, dass es eine Lösung für das Problem gibt. Ich bin dankbar, dass mich dieses Medikament wieder „eingerichtet“ hat.

subtext.at: Diese humoristische fast schon „Liebeserklärung“ an dieses Medikament etwa in diesem Song – ist das etwas, womit du aber bewusst spielst in deinen Texten?
Resi Reiner:
Ja, ich glaube schon. Es gibt so viele Lieder über Schlafstörungen oder Depressionen – und wie sonst erzählt man mal dieses Thema auf eine andere Art und Weise? Für mich war klar, dass es ein großes Thema sei, und danach die Frage, wie man das in der Resi-Reiner-Welt kommuniziert (lacht).

subtext.at: Weg von Medikamenten hin zum Kaffee. Du schreibst über eine Espressomaschine – ist das dann auch so ein Gegensatz, den du in diesem Album ansprechen wolltest?
Resi Reiner:
Es ist schwierig, das im Nachhinein zu sagen. Bei den meisten dieser Songs habe ich ehrlich gesagt gar nicht drüber nachgedacht, wie die zueinander stehen. Es sind einzelne Punkte, die herausgegriffen sind, die zufälligerweise auf dem Album gelandet sind. Medikamente und Espresso etwa waren zwei verschiedene Parts, sozusagen.

subtext.at: Das Album selbst ist innerhalb von zwei Jahren entstanden, einzelne Tracks wie „Echsestieren“ oder „Bialetti“ waren schon bekannt. War das Album die Vervollständigung der EP, die es schon vorher gegeben hat?
Resi Reiner: Naja, auf dem Album an sich sind neun neue Tracks, und die EP gibt es in der Special Edition noch dazu. Für uns waren das aber immer klar zwei unterschiedliche Sachen. Die EP sehe ich ein bisschen als „Reinschnuppern“, um mit dem Album quasi die Tür in die Resi-Reiner-Welt aufzumachen.

subtext.at: Also das musikalische Zwei-Gang-Menü sozusagen?
Resi Reiner:
Genau (lacht).

subtext.at: Beim Durchhören der Platte klingt die Platte für mich im Vergleich zu vielen anderen schon reduziert. Wolltest du deine Themen generell etwas „ruhiger“ angehen?
Resi Reiner:
Es ist mein erstes Album, und es hat sich so, wie es jetzt klingt, richtig angefühlt. Ich bin nicht die Frau großer Worte. Damit meine ich, dass ich, wenn ich Geschichten erzähle, nicht jedes Detail mit erzähle. Ich erzähle so kurz und knapp wie möglich, was war. Das ist auch auf den Songs so – das ist meine Sprache, wie ich bin. Falls ich irgendwann noch ein zweites Album machen wollen würde, würde ich mir vornehmen, dass es ein bisschen schneller wird.

subtext.at: Also wird es ein zweites Album geben?
Resi Reiner:
Weiß ich noch nicht (lacht).

subtext.at: Es gibt auch schon Live-Termine, sowohl in klassischeren Konzertsälen wie dem Wiener Konzerthaus als auch etwa im Grazer ppc. Wie schafft ihr den Spagat zwischen diesen beiden Live-Konzerterlebnissen?
Resi Reiner:
Wir schauen live schon die Setlist anzupassen, und gewisse Songs spielen wir live auch schneller, als sie es auf Platte sind. Man muss abschätzen, wie die Dynamiken passen. Und zum Konzerthaus kann man halt auch nicht nein sagen.

subtext.at: Kurz zu dir und dem, wie du dich wahrgenommen siehst. Wie siehst du dich angefangen von Singles wie „Urlaub in Italien“, die auf und ab gespielt wurden, hin zu einer Künstlerin mit komplettem Album. Wie schaffst du es, nicht mehr auf einzelne Singles reduziert zu werden?
Resi Reiner:
Der Trick ist, einfach schon zuvor vier Singles vom Album rauszuhauen (lacht). Ich weiß es wirklich noch nicht, wie es laufen wird – es ist noch sehr, sehr offen. Mit dem, was bis jetzt da ist, war die Resonanz schon so, dass ich schon glaube, dass das Album nicht spurlos vorbei gehen wird. Aber ehrlicherweise kann ich dir das jetzt noch nicht sagen. Ich hoffe, dass alle, die die Singles hörten, auch das Album hören wollen.

subtext.at: Ehrlich gefragt: wo tust du dir am leichtesten, darüber zu schreiben? E-Roller, Trittico oder Espressomaschinen?
Resi Reiner:
(überlegt) Ich glaube „Bialetti“ war das einfachste. Da hatte ich die erste Strophe geschrieben, und die ist geblieben. Das ist einfach von der Hand gegangen.

subtext.at: Gab es dann auch Tracks, die dir dann nicht so einfach fielen?
Resi Reiner:
Ja. Zum Beispiel „Dunkles Herz“. Das Lied gibt es seit zwei Jahren in verschiedensten Formen mit unterschiedlichsten Texten. Da war es am Ende so, dass ich nicht wusste, wie ich den Song machen sollte. Ich konnte den einfach nicht knacken. Das waren eineinhalb Monate, wo ich herumprobiert habe, aber wir alle nicht zufrieden waren. Dann hatte Albrecht Schrader mal einen Vorschlag gemacht, und auf einmal war der Song dann da. Es ist schwierig, weil der Song so ehrlich und so gerade ist, und das das war, womit ich mir so schwer tue.

subtext.at: Glaubst du, dass du es mit diesem Album auch schaffst, aus bekannten „Bubbles“ auszubrechen und neue ZuhörerInnen abseits der bekannten Singles gewinnen kannst, etwa auch im Ausland?
Resi Reiner:
Deutschland war ja auch eigentlich vor Österreich da – das Album erscheint ja auch auf einem deutschen Label. Aber ich weiß es nicht – ich habe da keine Taktik und kann auch nicht beeinflussen, ob Leute es mögen oder nicht. Das Album ist da – und Leute können es entweder annehmen oder auch nicht. Natürlich gibt es eine dazugehörige Tour, wo ich hoffe, dass Leute kommen. Mehr kann ich gar nicht machen – aber Vertrauen in die Leute habe ich schon.

subtext.at: Eingangs habe ich gefragt, was du mit dem Album eigentlich meinst. Andersrum gefragt: was möchtest du mit diesem Album nicht sagen oder transportieren?
Resi Reiner:
Ich möchte nicht, dass die Leute glauben, dass ich eine verlorene Mittzwanzigerin bin, die nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. So ist es nicht. Und ich glaube aber, dass das eine kleine Gefahr sein könnte, weil ich in diesem Album für mich viele Fragen stelle. Für mich gibt es andersrum aber auch viele Klarstellungen und Feststellungen. Es ist für mich schon eine ermutigende Platte.

subtext.at: Warum siehst du diese Gefahr, dass Leute glauben könnten, dass „bitte nicht noch jemand uns unser Leben erklären soll“?
Resi Reiner:
Das war meine größte Angst. Ich bin im Studio und habe mich gefragt, warum gerade ich noch jemandem etwas erzählen soll. Da hat jemand zu mir gesagt: „Resi, ich höre gerne schöne Musik, und deswegen mache ich gerne schöne Musik“. Das stimmt für mich auch – jeder kann es hören, aber niemand muss es hören. Ich würde aber niemals sagen, dass ich „die Wahrheit“ gefunden hätte. Ich habe starke Meinungen, aber es sind meine Meinungen, und ich würde sagen, „die Wahrheit“ für mich zu pachten. Dazu ist meine Realität viel zu unterschiedlich im Vergleich zu anderen Menschen.

subtext.at: Die Platte erscheint in Hamburg auf dem „krokant“-Label. Warum ein deutsches Label und nicht eines aus Österreich?
Resi Reiner:
Ich hatte vorher nichts mit Musik zu tun, muss man dazu sagen. Das war auch keine bewusste Entscheidung – Gunther Müller hat das damals Florian Sievers, einem Miteigentümer von krokant gemeinsam mit Albrecht Schrader, gesendet. Die fanden das toll und wollten zusammen etwas machen. Diese Frage hatte sich auch deswegen nicht gestellt – und ich bin auch sehr dankbar. Die drei machen das aus Leidenschaft und Freude und weil sie gerne schöne Musik rausbringen wollen. Das merkt man – auch im Umgang miteinander. Ich kann sein, wie ich will, und solange alle zufrieden sind, passt das.

subtext.at: Du hast gerade gesagt, dass du ursprünglich nicht aus der Musik kommst, sondern aus dem Schauspiel. Was war für dich die größte Herausforderung, als du begonnen hast, Musik zu machen?
Resi Reiner:
Es war selber für mich schwer zu rechtfertigen, dass ich den Platz verdiene, den ich jetzt habe. Weil ich viele Freundinnen und Bekannte habe, die viele Instrumente spielen und schon lange in der Musik tätig sind. Ich habe für mich gedacht, dass ich es nicht verdient hätte, hier zu sein. Das ist aber etwas, was sich geändert hat – weil ich sehr viel Arbeit reingesteckt habe und mich viel damit auseinandersetze. Ich lerne und nehme natürlich alles mit, was ich kann. Die ersten Konzerte für mich waren dadurch auch die sprichwörtliche Hölle – weil ich noch nicht genau wusste, wo mein Platz auf der Bühne ist. Wie viel darf ich sein, was darf ich machen? Das ist aber schon viel besser und viel schöner geworden mittlerweile!


Resi Reiner – „Weißt du was ich mein!?

VÖ: 26.08.2023
Digital, CD, Vinyl
krokant Records

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.