Filmstill aus „Ferrari“
Foto: viennale.at

Ferrari: Ein Biopic auf Crashkurs

Wir schreiben das Jahr 1957. Enzo Ferrari (Adam Driver) steht privat als auch geschäftlich unter Druck. Seine Frau droht von seiner geheimen Affäre und einem Sohn zu erfahren, und die Verkaufszahlen der heute legendären Autos sinken. Um aber Investoren finden zu können, braucht er einen Sieg.

Mit teils nachproduzierten schwarz-weißen Rennaufnahmen aus der Zeit wird man in die Geschichte geworfen. Im Stummen und mit abweichenden Geschwindigkeiten wirkt das etwas komikhaft, aber das hört gleich nach der Titeleinblendung auch schon wieder auf. Da ist er: Enzo Ferrari. Man lernt ihn als liebenden Vater kennen, der sich um seinen Sohn sorgt – gleichzeitig hat er aber schon viele Leute um sich verloren. So plagen ihn Erinnerungen an verstorbene Rennfahrer, die er entweder kannte oder die in von ihm gebauten Maschinen ums Leben gekommen sind. Nichtsdestotrotz lebt er für den Rennsport. Damit er diesen aber weiterhin finanzieren kann, wird er sich entweder von Ford oder Fiat Hilfe holen müssen, um sein Imperium nicht zu verlieren. Ein Sieg bei der Mille Miglia – einem Straßenrennen durch weite Teile Italiens – soll ihm die nötige Publicity bringen. Denn „am Sonntag gewinnt man, am Montag verkauft man.“

Cruz als Show-Stehlerin

So ernst die Grundstimmung auch ist, so überrascht ist man dann doch, wie oft das Publikum in herzhaftes Gelächter ausbricht. Denn Michael Mann beweist in diesem Film durchaus ein Händchen für Tonalitäten. Kurze One-Liner sitzen und fördern die Figurendynamiken immer weiter. Besonders Penélope Cruz als temperamentvolle Laura Ferrari hat eine unglaubliche Präsenz, die es mehr als nur einmal schafft, einen Adam Driver hinten anzustellen. Komplettiert wird das Love-Triangle dann noch mit einer tollen Lina Lardi (Shailene Woodley), der Enzos eigentliche Liebe gebührt. Dieser Teil macht dann auch das Meiste des gesamten Films aus. Denn wenn Enzo nicht gerade ein Selbstgespräch mit seinem toten Sohn führt, lernen wir ihn größtenteils über seine Gespräche mit den beiden Frauen kennen.

Crashes mit Crash cutting

Lässt man das Beziehungsdrama außen vor, wird der Film leider recht generisch. Klar, die vielen Rennszenen sind weitgehend wertig gemacht, jedoch darf man sich auch nichts Neues erwarten. Immer wieder fällt man in ein klassisches Schema: wackelnde Außenaufnahme vom Auto – Schnitt – Kupplung – Schnitt – Schalthebel. Das wird spätestens beim dritten Mal etwas träge, vor allem, wenn dann gerade in den schockierendsten Momenten das VFX versagt. Denn wenn man Stunt-Puppen und schlechtes Compositing erkennen kann, verlieren diese Momente einfach viel zu viel an Wert.

Generell wird im Film viel herumgeschnitten. Die meisten Szenen laufen parallel mit einer anderen, genauso auch die Rennszenen. So crash-cutted man immer wieder von ruhigen zu turbulenten Szenen, von (den zu vielen) Close-Ups zu Weitwinkel. Wenn man dann noch in einem Kino landet, das die Lautsprecher viel zu laut stellt, sind Ohrstöpsel durchaus nötig. Das spätestens, wenn wieder einmal die kitschig dröhnende Hintergrundmusik einen dazu bringen möchte, mitzufühlen.

Desorientierender Klimax

Der Höhepunkt, der dann die beiden Geschichten – das geschäftliche und familiäre – natürlich ebenso parallel fertig erzählt, ist aber zumindest nicht vorhersehbar. Zumindest nicht so weit, wie das Foreshadowing es zulässt. Da die meisten die wahre Geschichte hinter dem Mille Miglia in 1957 wohl nicht kennen werden, sei einem davon abgeraten, Wikipedia zu befragen. So sitzt man dann nämlich nach einem etwas zu langem Mittelteil wieder ganz am Rand von seinem Sitz, inklusive dem lautesten Luftanhalten, das ich bisher von einem Kinopublikum gehört habe. Denn das muss man Michael Mann lassen: Bei Schreckensszenen wird nicht weggeschnitten. So ist „Ferrari“ am Ende ein Werk, dass es durchaus schafft, einen Charakter zu etablieren und einem näherzubringen. Auch wenn es mehr Momentaufnahme und Liebesdreieck als vollständiges Biopic ist, für 130 Minuten Unterhaltung sorgt er.


Ferrari

Regie: Michael Mann

USA 2023, 130min
Mit Adam Driver, Penélope Cruz, Shailene Woodley



Viennale V‘23
19. – 31. Oktober 2023
www.viennale.at

Im Zweifel vor dem großen Screen oder hinter der Kamera.