rahel
Foto: Daria Savytska

Rahel: Willkommen in miniano

„miniano“ heißt die Debutplatte der Wiener Künstlerin Rahel. Ein Mix an Eskapismus, ein Plädoyer für Gleichberechtigung. Und um „kleine Kasterl“ und „Schaffner“ geht es in diesem facettenreichen Album auch. Wir haben die Künstlerin zum Interview gebeten.

„miniano“ – die Wiener Musikerin Rahel veröffentlichte im März ihr lang erwartetes Debutalbum. Poetisch, mit der Message im Hintergrund, aber klar in der Positionierung. So könnte man das Album zusammenfassen. Im April geht es natürlich auch auf eine Tour durch den deutschsprachigen Raum – vorab haben wir der Künstlerin einige Fragen gestellt.

subtext.at: Danke fürs Zeitnehmen, Rahel! Zu Beginn ein Zitat aus dem Begleittext zu deinem neuen Album „miniano“: „Was in miniano passiert, bleibt in miniano“. Was passiert für dich kurz zusammengefasst in miniano alles?
Rahel:
Es ist ein Ort, wo der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Alle möglichen Sehnsüchte dürfen dort stattfinden, und ich glaube, dass das für jede Person etwas Anderes ist.

subtext.at: Es geht also um Sehnsüchte, die für jeden und jede anders sind. Siehst du Musik im Generellen als etwas an, worin man Utopien verarbeiten kann? Ist es für dich auch ein Ventil, um Utopien entstehen zu lassen?
Rahel: Finde ich schon. Ja. Ich glaube auch, dass es bei Musik, wo es nicht automatisch fix im Text geschrieben ist, auch von selbst passiert. Man muss Utopien nicht immer direkt benennen, aber im besten Falle katapultieren sie Einen an einen anderen Ort. Durch das Träumen passiert das, glaube ich.

subtext.at: Beim Durchhören des Albums habe ich für mich gemerkt, dass du gerne mit Metaphern spielst und deine Messages gerne „hintenrum“ rüberbringen möchtest. Ist das etwas, mit dem du im Rahmen des Schreibens des Albums gerne gespielt hast?
Rahel:
Ja, voll. Ich habe das schon immer versucht, beziehungsweise ist mir das dann auch passiert. Weil es mir persönlich besser gefällt, wenn man Texte etwa öfters durchliest und dann erst einen größeren Sinn bemerkt. Das macht auf jeden Fall Spaß.

subtext.at: Auf dem Album werden viele verschiedene Themen behandelt, von Exkapismus über Gleichberechtigung bis hin zu Beziehungen und Konflikten. Wie hast du es geschafft, dass in den elf Songs am Album von allem etwas dabei ist, aber für dich dabei nichts zu kurz kommt?
Rahel:
Schön, wenn du findest, dass es mir gelungen ist. Ich habe das Album ja auch nicht alleine gemacht, sondern zusammen mit Raphael Krenn. Der hat das, was ich textlich mitgebracht habe, musikalisch untermalt. Ich kann nicht sagen, wie das genau passiert ist, dass es zusammenpasst. Aber ich glaube schon, dass ein musikalischer roter Faden im Album, der das zusammenhält, wichtig ist. Dadurch, dass meine ganze Musik gemeinsam mit Raphi entstanden ist, habe ich schon das Gefühl, dass dieser Faden vorhanden ist. Wenn man sich dann auch die Zeit nimmt, ein Album zu machen, dann wird das vielleicht auch kohärenter.

subtext.at: Du hast gerade schon angesprochen, dass du das Album nicht alleine geschrieben hast, sondern quasi im „Duo“ mit Raphael Krenn. Wie schwierig ist es euch gefallen, diesen breiten Themenkomplex so musikalisch zu verarbeiten, dass es für beide Beteiligten passt?
Rahel: Wir arbeiten schon eine Zeit lang zusammen. Anfangs muss man sich dann aber schon auch mal „abarbeiten“ aneinander und Grenzen ausloten. Aber unser Stil hat sich schon vereinheitlicht, würde ich sagen. Klar geht es dann um Details, wenns zum Ende hin stressig wird und es um Feedbackrunden und dergleichen geht. Aber prinzipiell war das schon sehr harmonisch.

subtext.at: Bleiben wir gleich beim Stil – „miniano“ klingt nach 80ies, Synthies, NDW, dazu ein bisschen nach Rock und Pop. War es für dich klar, dass das Album musikalisch in diese Richtung geht, oder hätte sie etwa auch als reine Singer/Songwriter-Platte funktioniert?
Rahel:
Also eben dadurch, dass ich mich Musikmachen schon eine Zeit lang beschäftige, habe ich für mich meinen Stil gefunden. Ich habe auch viel ausprobiert, das hilft enorm. Es ist auch gut, wenn man die ersten Sachen, die man aufnimmt, vielleicht noch nicht gleich releast. Weil man seinen Geschmack noch nicht gefunden hat. Später weiß man für sich, was wichtig ist. Für mich etwa war es wichtig, dass auch mal Grunge-Elemente oder psychedelische Gitarren zum Einsatz kommen.

subtext.at: Stichwort „nicht alles gleich zu releasen“ – das steht schon fast diametral zu aktuellem musikalischen Schaffen. Siehst du es als Privileg, nicht Single über Single veröffentlicht zu haben?
Rahel:
Da hast du voll recht, und ich habe das Gefühl, dass es immer noch schnellebiger wird. Ich war anfangs etwa auch noch nicht auf Tiktok – heute muss man gefühlt 20 TikToks mit demselben Song drehen. Natürlich hat der „Markt“ gewisse Regeln, die man so gut es geht einhalten möchte, ohne dass es ein künstlerischer Kompromiss ist. Aber prinzipiell habe ich auch Spaß daran, immer schon weiterzudenken und nachzudenken, was als nächstes kommt. Das ist cool, da dann auch die Kreativität wach bleibt.

subtext.at: Zur „Kreativität“ – hast du da auch schon während des Schreibens nachgedacht, wie das Ganze Album „miniano“ live transportiert werden soll?
Rahel:
Das ist dann tatsächlich später passiert. Ich habe ja vorher schon viele Konzerte gespielt gehabt, vor allem im letzten Jahr. Also ist das auch nichts komplett Neues. Das findet auch getrennt statt – ich schreibe Songs und überlege dann, wie das live funktionieren kann.

subtext.at: Du kommst ursprünglich zwar von der Bühne, aber nicht aus der Musik. Deine Kollegin Resi Reiner hat im Interview gemeint, sich den Platz auf der Bühne als Musikerin erst verdienen musste. Siehst du das ähnlich?
Rahel:
Ja, das sehe ich ähnlich. Auch vor mir selbst, dass ich mich als Sängerin bezeichne und als solche sehe. Es ist schön, die Möglichkeit zu haben, das zu machen und sich auszuprobieren. Und auch selbst besser zu werden. Ich hatte auch das Privileg, von Anfang an mit richtig guten Musikerinnen arbeiten zu dürfen. Ein Freund von mir hat auch zu mir gesagt, dass man sich die Leute verdienen muss, die mit einem arbeiten. Das war ein schönes Gefühl, weil ich den Eindruck hatte, da erst reinwachsen zu müssen, während die anderen schon da waren. Umso schöner war es dann am Ende.

subtext.at: Gehen wir nochmals zum Album. Da geht es in „Schaffner“ um Eskapismus, dann gibt es wiederum auch Beziehungssongs wie „das kleine kasterl“. Die Themen kommen sehr abwechselnd daher – warum?
Rahel:
Das passiert einfach. Ich setze mich ja nicht hin und sage, dass ich in diesem Moment etwa einen Song über den Tod schreibe. Man lebt und verarbeitet Sachen. Und eine Vielfalt ist ja auch etwas Schönes – man will ja nicht immer über dieselben Themen schreiben. Das wäre ja auch langweilig.

subtext.at: Der „politischste“ Track auf der Platte ist für mich „bitte nicht in blicken“. Bekannte, aber immer noch mehr als aktuelle Themen wie Gleichberechtigung und Feminismus werden hier eben mit dem erwähnten „von hinten rum“ thematisiert. Funktionierte das für dich gerade bei diesem Thema besser als es offensichtlich „hinauszuschreien“?
Rahel: Vielleicht. Es ist ja auch die Frage, wie und bei wie vielen Leuten das ankommt. Viele Leute sprechen das ja auch schon falsch aus – „bitte nicht blicken“. Das muss man vielleicht im Nachhinein auch dazusagen, worum es mir gegangen ist. Ich habe auch andere Songs, wo ich sehr explizit bin, etwa auch zum Thema Sexualität. Das ist mir auch wichtig – Männer sind meiner Meinung nach schon sehr explizit in Formulierungen, was etwa dieses Thema betrifft. Das wird in Songs wie „wasserfall“ verarbeitet, oder auch ein bisschen bei „Schaffner“. Nicht explizit zum Thema Sexualität, aber etwa in der Zeile „Alle Frauen pinkeln hier im Stehen“. Bei „bitte nicht in blicken“ hatte ich aber auch einfach Spaß an den Metaphern.

subtext.at: Diese Metaphern ziehen sich durchs Album. Schreibst du generell gerne in Metaphern?
Rahel:
Anscheinend. Ich mag es, wenn diese Metaphern um die Ecke gedacht sind. Das macht mir sehr Spaß.

subtext.at: Wenn ich die Musikerin „Rahel“ google, wird gleich der Begriff „Dreampunk“ ausgeworfen. Etwas provokant gefragt: ist Träumen von Utopien im Jahr 2024 schon Punk?
Rahel:
(überlegt) Wäre doch schön. Aber es ist schon Punk, weil man sich beim Träumen traut, der Realität etwas entgegenzusetzen. Das finde ich gut.

subtext.at: Weiters heißt es, dass bei Rahel (fast) alle zusammenkommen sollen. Wer findet sich bei Rahel wieder, und wer soll sich deiner Meinung nach bei Rahel nicht wiederfinden?
Rahel:
Alle mit bösen Absichten. Außer die, die an diesen bösen Absichten arbeiten wollen. Oder Einstellungen, dann sind sie willkommen. Ich weiß nicht, wie viele sich davon angesprochen fühlen. Bislang habe ich das Gefühl, dass es sehr viele unterschiedliche Personen sind, das finde ich schön. Es gibt viele Bands, die nur ganz junge, ganz „coole“ oder ganz hippe Fans haben. Ich finde es gut, wenn kleine Kinder genauso bei Konzerten stehen wie ältere. Das meine ich – ich möchte keinen exkludieren.

subtext.at: Auch wieder etwas, was gegen den „Markt“ geht, wo Bands oft eine sehr spezielle Fanbase haben. Wolltest du generell die „Musik für alle“ machen?
Rahel:
Ich glaube, dass ich gar nicht Musik für alle mache. Ich finde das manchmal spannend, zu analysieren, wie Pop-Projekte funktionieren. Es gibt Projekte, die sich sicher zum Ziel gesetzt haben, eine breite Masse anzusprechen. Das, was ich mache, ist vielleicht weniger so. Ich habe nicht wahnsinnig hinterfragt, wie viele Menschen ich damit erreiche, sondern dass ich auch ehrlich zu mir bin und Musik mache, die ich auch selber wirklich gerne mag.

subtext.at: Magst du deine Musik noch? Man ist ja selbst oft die schärfste Kritikerin, wenn die Platte nach zig Feedbackrunden fertig ist…
Rahel:
Ich mag die Platte noch viel mehr jetzt, ehrlich gesagt. Ich bin jetzt wirklich zufrieden, weiß aber nicht, ob das immer ein gutes Zeichen ist. Weil viele Leute, die ich sehr schätze und die sehr gute Sachen machen, von sich sagen, sich ihre eigenen Dinge nicht mehr anhören zu können. Ich mag es schon, habe aber auch einen guten Abstand. Weil man zum Ende natürlich betriebsblind wird. Aber ich kann mir die Platte gut selbst anhören.

subtext.at: Hat das lange gedauert, diesen Abstand finden zu können?
Rahel:
Ein paar Monate schon, nach dem Live-Spielen in Deutschland etwa. Aber es ist schön, weil ich, als ich mit Musikmachen begonnen habe, mir meine Sachen überhaupt ganz schwer anhören konnte. Mir ist es auch sehr schwer gefallen, es vor anderen Leuten zu performen und gut zu finden. Es ist sehr schön zu sehen, dass man sich da auch selbst verändert hat.

subtext.at: In die Zukunft gedacht: glaubst du, dass sich dein Musikschaffen durch diese Erfahrungen noch verändern wird, oder gehst du genauso verträumt-poetisch ans Schreiben?
Rahel:
Ich glaube, dass meine Grundeinstellung nicht mehr los werde. Weil ich Gedichte oder Poesie liebe. Aber ich bin sehr offen und habe große Lust, auszuprobieren. Ich finde auch es super, wenn Leute über Jahrzehnte verschiedene Alben und unterschiedliche Facetten musikalisch verarbeiten.

RAHEL – MINIANO

Coverfoto: Daria Savytska

VÖ: 08.03.2024
CD, LP, Digital, Ink Music

Live
11.04. Posthof Linz
13.04. ARGE Salzburg
14.04. fluc Wien
20.04. Musik-Kulturclub Lembach
24.04. Milla München
25.04. Tsunami Köln
26.04. Häkken Hamburg
27.04. Badehaus Berlin
04.05. Die Bäckerei Innsbruck

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.