Holy Fucking Jesus Christ
Wie viele christliche, amerikanische und russische Klischees kann man in einem Film verpacken? Steffen Haars, Flip van der Kuil: JA. Mit dem Film Krazy House setzen die beiden niederländischen Filmemacher neue Standards im Genre Trashhorror.
Markus Keuschnigg kündigte den Film als fast zu schräg für die Nachtsicht an – was so gesehen eigentlich ein Granat für die nächsten 86 Minuten ist. Krazy House ist das neueste Werk von Steffen Haars und Flip van der Kuil. Im Stil einer 1990er Sitcom sind die beiden mit sämtlichen christlichen Bräuchen rund um Ostern und allgemein ins Gericht gegangen.
Der Film beginnt mit der Vorstellung der stark religiösen Vorzeigefamilie. Die Christians, bestehend aus den Eltern Bernie und Eve, den beiden Kindern Sarah und Adam sowie deren Hund, bilden durch deren Haus der Geschichte eine Bühne. Glücklich und gehypt vom Palmsonntag Gottesdienst kommen die Christians retour in ihr gemütliches Heim. Die Dynamik der Familie könnte man (beinahe) als normal beschreiben, wenn man den Jesusfanatismus ausblendet. Der Horror/Spaß beginnt mit der russischen Invasion (Zitat von Markus Keuschnigg). Die Russen, Vater Petri und die beiden Söhne Dimitri und Igor, sind auf der Suche nach einem wertvollen Gut. Dafür zerstören sie nicht nur das Haus, sondern auch die Werte der darin lebenden Familie.
Diese Frontalattacke auf das konservative US-Wertekorsett ist weniger wohlmeinende Satire denn gewaltsamer Untergriff, umringt von blasphemischen Blüten.
Markus Keuschnigg
Never gonna give you up!
Auch wenn es schwerfällt zu glauben, wie dieser Film abgesegnet werden hat können, brilliert er von technischer Finesse. Zum einen sind es Kameraführung, Komposition und Schnitt, welche dem Film eine gewisse Professionalität auflegen. Zum anderen gibt es auch im Drehbuch einiges, was dieser Geschichte eine besonders durchdachte und detaillierte, perfektionierte Spannung verleiht. Es scheint, als hätten sich die beiden Regisseure nicht ablenken lassen und sich genau auf das konzentriert, was ihnen Spaß macht.
Diese Liebe fürs Detail erkennt man beispielsweise in der Veränderung des Bildformats. Dieser Aspect Ratio Change hat drei Ebenen und zeigt jeweils, in welchem Stadium sich die Hauptfigur Bernie gerade befindet, vom glücklichen Familienalltag bis hin zur emotionalen Eskalation. Zum Ende des Films wird sich auch noch ein Bruch der dritten bzw. in gewisser Weise die vierte Wand zum Publikum (über den Film verteilt jedoch nicht die einzige Wand, die gebrochen wird), was im Trailer bereits verraten wird.
Never gonna let you down
Die Christians und ihre Begegnung mit Petri und Söhnen spiegeln alle möglichen Klischees, die man in eine amerikanische Vorstadtfamilie richten kann, wider. Es gibt eine Fülle an christlichen und biblischen Anspielungen, die man gar nicht alle beim ersten, zweiten oder wahrscheinlich sogar beim dritten Mal erkennen kann. Eine wahnwitzig lustige Inszenierung der Rollen, in welchen sich die Vorurteile, die sich in den Wirren des vergangenen Jahrhunderts zwischen den USA und Russland entwickelt haben, widerspiegeln. Einfache und so klare, zum Teil überspitzte Darstellungen geben den Charakteren eine simple Spielfläche, um sich entwickeln zu können. Ob es nun vom Streber zum Junkie, vom Christen zum Satanisten oder vom Ergebenen zum Emanzipierten ist – die Figuren sind so gegensätzlich in ihren Entwicklungen und sprühen von allen möglichen Klischees, dass es ein gewisses Talent braucht, dabei den richtigen Ton zu treffen, damit es sich nicht ins Lächerliche abdriftet.
Fazit
Ohne Zweifel ist das ein Film, der hängen bleibt. Das Publikum hat gelacht, war entsetzt, geschockt, erschrocken und angeekelt. Eine Produktion, die von Absurdität strahlt und es schafft, eine brutale Horrorgeschichte zu einer abwechslungsreichen Komödie zu gestalten. Ein Kompliment an die Schaffenden, dass es immer wieder neue und noch absurdere Witze gibt, keiner ausgelutscht wird und jeder durchdacht wirkt. Krazy House ist ein Film, in welchem man beim zweiten und dritten Mal schauen immer noch neue Anspielungen auf Klischees des Allgemeinwissens und der Bibel finden wird.
Krazy House
Regie: Steffen Haars, Flip van der Kuil
86 Minuten
Englisch / Russisch
Mit Nick Frost, Alicia Silverstone, Kevin Connolly,
Gaite Jansen, Jan Bijvoet, Walt Klink, Chris Peters, Matti Stooker
filmfestival linz
30 april – 05 mai 2024
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