Maifeld Derby: Murder on the Dancefloor
Unser Herzensfestival, das Maifeld Derby, startete erfolgreich in den ersten Festivaltag. Dem regnerischen Wetter getrotzt konnten wir uns musikalisch überhaupt nicht beschweren. Ein abwechslungsreicher und großartiger Tag.
„Best Small Festival“ – wenn schon mal auch ein offizieller Award an ein Festival wie das Maifeld Derby vergeben wird, dann kann das eigentlich ja nur gut sein. Nun, dass das Maifeld Derby am Gelände des Mannheimer Maimarktes ein echtes musikalisches Kleinod ist, haben wir vorher auch schon gewusst. Dass hier neue musikalische Entdeckungen warten, ebenso. Dass das Wetter scheiße wird auch – und dennoch ist das Maifeld Derby unserer Meinung nach zurecht ein Fixpunkt in unserem Festivalkalender geworden. Nicht nur wegen der netten Crew, sondern vor allem eben wegen den Hauptprotagonist:innen, den Artists.
Palastzelt
Das Palastzelt, oder die „Mainstage“, ist das größte Areal auf dem Gelände des Maifeld Derbys. Erfahrene Festivalbesucher dürften das Zeltbühnen-Setup schon von anderen Festivals kennen. Den Anfang heuer machte drinnen Angélica Garcia. Und auf gut österreichisch zu sagen: jaleck, und wie sie das Tat. Im Duo mit Live-Drummerin ist das eine gesangliche Gratwanderung auf 180 Metern Höhe, ohne je einmal hinunterzufallen. Tracks wie „Color The Dolor“ gehen gleich ins Hirn, laufen auch am nächsten Tag noch auf Heavy Rotation – hier kann man von einer gelungenen Deutschlandpremiere sprechen. Bis zum Österreich-Gig wirds wohl noch dauern, unserer Meinung nach zu lange!
Verpasst hatten wir dann leider Franky Stew und Harvey Gunn, da wir uns hier leider den musikalischen Zahn zuwendeten. Macht aber nix, denn mit Edwin Rosen stand danach ein erstes großes Billing auf der Bühne des Maifeld Derbys. Ein Set, auf das viele gewartet zu haben schienen. Zurecht, denn Edwin Rosen kann getrost als einer der Vertreter einer neuen deutschen Welle von Artists genannt werden, die gerade die Musikwelt im Sturm erobern. Auch mit einer neuen Attitüde, die wir hier nur unterstützen möchten: es wird im Konzert darauf aufmerksam gemacht, sich zu melden, wenn wieder mal Übergriffe passieren, es wird ehrliche Dankbarkeit ob des Erscheinens am Konzert dem Publikum entgegengebracht, und Themen wie Mental Health sind endlich keine Tabus mehr. Dass dann noch ein „Nur ein Wort“-Cover den Weg in die Setlist findet, macht das ganze dann nur noch symptahischer. Thumbs Up, Herr Rosen!
Headlinerin an diesem Abend? Die Grande Dame des Electropops, Róisín Murphy. Eine Produktion, die den Namen „opulent“ verdient. Eine Live-Band, die den Titel „tight“ mehr als verdient. Und eine Róisín Murphy, die die Bühne und das Davor beherrscht. Eine Entertainerin im besten aller Sinne, eine „Hit Parade“ der tanzbarsten Sorte. Und, eines sei auch mal gesagt: geil, wenn die Handy-Filmmenge im Publikum verhältnismäßig ruhig bleibt. Ein Gig der in Erinnerung bleiben wird, liebes Maifeld Derby!
Open Air Bühne
Um 16:00 ging es dann mit einer Institution des Maifeld Derbys los, dem Chor für Menschen die nicht singen können. Der Mannheimer Protest-Chor darf seit letztem Jahr das Festival eröffnen und das soll auch so bleiben. Hoch symphatische Angelegenheit und Menschen ,die man einfach feiern muss.
Danach: erstes heimliches Highlight mit Sorry3000. Dass die Band bei Audiolith gesigned ist, hört man dann auch. Schön aber, dass Sorry3000 sich musikalisch bewusst nicht allzu ernst nehmen. Man kann ja geteilter Meinung sein, ob ein „Foto mit Peter Maffay“ ein persönliches Lebenshighlight ist, aber das zweite Album „Grüße von der Überholspur“ legen wir jedem mal ans Herz, der auf deutsche Musik mit Augenzwinkern steht. Den Track „Nasenspray“ sowieso.
Weiter gings dann mit Babe Rainbow, die zumindest musikalisch sonnigere Töne auf die Open Air Stage brachten. Zumindest träumen durfte man von Surfen, Strand und Sonne – und zumindest Petrus hat hier ein Einsehen gehabt und den Wasserhahn zwischendurch mal abgedreht.
Highlight auf der Bühne, nicht nur für uns , auch der Menge nach zu urteilen, waren dann aber ziemlich sicher Royel Otis. Auf den Slot von Lola Young kurz nach 20:00 Uhr gerutscht lieferten die Australier ein grandioses Set ab. Fröhlich, sommerlicher Indie Rock der ganz feinen Art, der ein Lächeln ins Gesicht zaubert und jedes schlechte Wetter vergessen lässt. „Murder on the Dancefloor“-Cover natürlich inklusive. Schwungvoll, eindringlich, abwechslungsreich. Keine Neuerfindung des Genres, aber deswegen nicht weniger großartig, ganz klar jetzt schon eines der Festivalhighlights.
Headliner auf der Open-Air-Stage dann die britische Indie-Rock-Impfung mit The Vaccines. Ihr sechstes Studioalbum „Pick-Up Full Of Pink Carnations“ hat gerade mal das Licht der Welt erblickt, und The Vaccines werden auch im Manneheimer Regen ihrem Ruf als großartiger Live-Band gerecht. Frontmann Justin Young zieht nach 15 Jahren Bühnenerfahrungen alle Live-Register, und Tracks wie „If you wanna“ oder „Love To Walk Away“ funktionieren natürlich immer. Ein schöner Abschluss, der bald nach der nächsten The Vaccines-Auffrischung schreit.
Parcours D’Amour
Vom Wetter vollkommen unbeeindruckt war natürlich wieder die eigentliche Highlight- und Geheimbühne, der Parcours D’Amour. Den Auftakt machte die lokale Künstlerin Piya. Ruhiger Pop, der auch mal in den Jazz übergeht und sich voll auf die Stimme der Sängerin fokussiert. Ruhig, aber mit feiner und starker Stimme vorgetragene persönliche deutsche Texte mit verzerrten Gitarren zum Abschluss, sehr sehenswert. Aber gerne in Zukunft etwas schreien, wir würden meinen: die Stimme würde da sehr gut für so etwas passen.
Ähnlich, aber instrumentenlastiger dann bei Gloria de Oliveira. Himmlische und sehr sphärische Stimme, die zum Genießen und Eintauchen einlädt, einen in eine andere Welt versetzten zu scheint.
Nach einer Lesung und Holly Macve ging es für uns dann weiter mit dem musikalischen Bühnenabschluss des Parcours D’Amour an diesem Tag, Astrel K. Ohne Astrel, dafür mit Rhys Edwards, dessen Solo-Projekt Astrel K ist. Schlagzeuglastiger Indie, der mal ruhig, mal schneller ist. Zwischen Indie und Pop schwankt und mit elektronischen Elementen im Gesang eine ganz eigene Klangstimmung erzeugt. Manchmal fehlt aber der gewisse Kick, das gewisse Etwas. Aber trotzdem ein sehr feiner Abschluss an diesem Tag und auf jeden Fall sehenswert.
Arena Bühne
Neu dazugekommen ist die Arena Bühne. Diese ersetzt im Geiste das alte Brückenaward-Zelt und ist somit die fünfte Bühne am Gelände. Mit Fokus auf härtere Genres. Einweihen durften diese Isoscope aus Berlin. Schräge, aber funktionierende Mischung aus Post-/Indie- & Prog-Rock, die sich aber in keine einzelne Schublade stecken lässt. Sicher nichts für jeden und jede und muss man sich darauf einlassen, wir fandens aber gut.
Danach: Zahn. Eigentlich als Floor-Show auf der neuen Clubstage angekündigt, aufgrund der Lola Young’schen Absage und Band-Stage-Verschiebungswelle an diese Bühne gerutscht. Als geneigter Underground-Fan schlug hier das Herzchen höher: eine wilde, schöne, erwärmende Mischung aus Noise, Post-Punk, Post-Rock und Klanggewittern, die wir den meterologischen bei Weitem vorziehen. Leider (und das ist ein großes Leider!) nicht als Floorshow, aber hoffentlich bald im ranzigen Club des Vertrauens. Liebe Zahn, wie wärs etwa mit einem Gig in der Linzer KAPU?
Den Abschluss machten dann Sextile aus den USA. Elektro Punk, der oft schlagartig von ruhiger auf härter wechselt und auch immer wieder mal an Surf-Rock erinnert. Vor allem aber Letzteres ist und Fokus auf die Instrumente legt. Hat stellenweise Ähnlichkeiten mit Heckspoiler. Ganz eigen, aber auch sehr großartig und geht wunderbar ins Ohr!
Foto & Text: Christoph Leeb, Andreas Wörister