maifeld derby 2024
Foto: Christoph Leeb

Maifeld Derby: Zum Abschied bitte Slowdive

Grande Finale in Mannheim am Maifeld Derby! Traurig, dass es bald vorbei ist, aber mit viel Vorfreude starteten wir in den finalen Tag. Der Wettergott war uns diesesmal gnädig und die Regenjacken konnten verstaut werden. Musikalisch ging es in gewohnter Stärke weiter. Ganz besonders konnten uns unter Anderem English Teacher, Chelsea Wolfe und To Athena begeistern.

Ach, sind diese Tage wieder schnell vergangen. Schade, dass es wieder vorbei ist. Darum an dieser Stelle, bevor wir in den musikalischen Tag starten noch eine Liebeserklärung. Wie immer war es, liebes Maifeld Derby Festival, großartig. Die Liebe, das Engagement, die Leidenschaft, mit der hier das gesamte Team arbeitet, verzaubert jedes Jahr wieder. Dem schlechten Wetter wurde getrotzt, die Stimmung auch im Publikum großartig. Das Team einen perfekten Job gemacht. Ihr habt wiedermal unser Herz erobert, liebes Maifeld Derby Team. Bitte nicht aufhören, und hier unsere Meinungen zu Tag 1 und Tag 2 nachlesen!

Palastzelt

Der Beginn hier gleich wie auf der Open Air Stage mit sagen wir, etwas speziellem Special Interest. Yeule aus Singapur. Neunziger Elektro-Pop trifft K-Pop, geparrt mit Shoegaze-Anleihen und einer extrovertierten Performance. Dazu sehr cooler und gut gesetzter Einsatz von Visuals. Schwierig zu beschreiben und von daher einfach ein Act zum selber Reinhören und entscheiden.

Düster wurde es dann bei Chelsea Wolfe, die sich zurecht als Queen des Goth bezeichnen kann. Finsternis dominiert die Bühne, das Licht dezent, sehr stimmungsvoll eingesetzt. Düstere, schwere und melancholische Musik. Das drückt, macht auch ein bisschen Angst, aber ist so unglaublich atmosphärisch. Ihre Stimme stark, die Instrumente perfekt eingesetzt. Auch das neue Album „she Reaches out to she Reaches out to she“ mit dem energiegeladenen Opener „Whispers“ in the echo chamber geballert funktioniert live großartig. Was soll man noch sagen außer: hoffentlich bald wieder! The Queen is back!

Headliner des letzten Tages und würdiger Abschluss: Slowdive. Zugegeben, es kommt selten vor, dass ein Headliner derart freundschaftlich zu einem Festival verbunden sind wie es Slowdive sind. So konnte man sie auch nach dem Gig noch plaudernd mit dem Team bewundern – nachdem man zuvor eine grandiose Show gesehen hatte. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung ist das 90er-Aushängeschild immer noch unverbraucht. „Crazy For You“, „Sugar For The Pill“, „Alison“, „40 Days“, „When The Sun Hits“ – fehlen tut in der Discographie nichts, im farbenfrohen Bühnenbild auch nicht. Ein schöner Abschluss eines schönen Festivals!

Open Air Bühne

Den Anfang auf der Open Air Bühne an diesem trockenen letztem Festivaltag Nusantara Beat aus den Niederlanden. Schräg, um ehrlich zu sein. Eine wilde Mischung, die mal asiatisch klingt, mal wieder Salsa-Klänge hat. Mal ruhiger, mal verzerrt. Mal poppiger, mal mehr im Punk zu Hause. Dann wieder mit Gesang, mal ohne. Man verzeihe diesem Redakteur, dass er jetzt live nicht erkannt hatte, dass es sich im Detail um traditionelle indonesische Musik handelt. Ganz schräge Mischung, die man sich einmal anhören sollte, aber sich nicht jeden Geschmack treffen wird und jetzt auch nicht ganz unseren trifft.

Weiter dann mit einem absoluten Highlight, English Teacher. Mit ihrem Debütalbum „This Could be Texas“ sind die Briten die Indie-Neuerscheinung des Jahres und gehen gerade durch die Decke. Unglaublich abwechslungsreicher Indie, der von Genregrenzen wenig hält und auch mal Post-Punk ausstrahlt. Mal ruhig hymnisch, ist aber dann wieder mächtig. Das wirkt und geht in die Vollen. Getragen von einer sehr starken Gesangsstimme und feinem Gespür. Ein Highlight und solltet ihr euch auf jeden Fall mal reinziehen.

Σtella stand danach auf der Open-Air Stage. Oder, für all die nicht griechisch-affinen: Stella with a Sigma. Stilistisch hier zumindest dem Publikum nach zu urteilen Easy Listening-Pop, der im Gegensatz zum Voract den Vibe leider nicht so gut auf die Crowd überspringen ließ. Macht aber auch nix, nach zwei Tagen Scheißwetter waren die Leute hier dennoch happy. Shout Out an den Herren am Bass, der den Award „Best Festival Look“ für sich verbuchen konnte!

Wenn es um Dry Cleaning geht, dann hier nicht um Outfits, sondern um einen der spannendsten Acts des Maifeld Derbys. Spoken Word trifft hier auf Gitarrenmusik, das ganze geht sichtbar in die Gehörgänge. Ebenso sichtbar in die Gehörgänge gingen dann auch die „Woooooo“-Rufe dreier enthusiasmierter Konzertbesucherinnen in der ersten Reihe. So muss Fantum! Von weiter hinten dann mit weniger „Woooooo“-rufen im Ohr ist Dry Cleaning danach ein Act, der auch auf der Playlist im Rahmen der Heimfahrt Einzug hält. Gerne wieder!

Den Abschluss der Stage durften dann Altin Gün machen. Niederländisch-Türkischer Crossover-Pschedelic. Neuerdings leider ohne Merve Daşdemir an den Vocals. Hat Altin Gün leider dann doch nicht ganz so gut getan. Ist aber immer noch tanzbar, „hatscht“ aber leider zwischendurch dann doch mal dahin. Eine Band, die verständlicherweise grade noch in der Findungsphase nach dem Ausstieg ist. Hoffentlich kann diese erfolgreich beendet werden!

Parcours D’Amour

Ruhig ging es an diesem letzten Tag dann auch am Parcours D’Amour los. Das schottische Duo Cloth feierten nicht nur ihre Deutschland-Premiere, sogar ihre Europa-Premiere, wenn man nur das Festland rechnet. Shoegaze-Pop, der die meiste Zeit auf der ruhigen Seite bleibt und nur selten ausbricht. Der in den Texten alles Schlechte auf dieser Welt vergessen lässt und das Positive vor das Negative stellt. Ein Auftritt, der zum Augenschließen und Genießen eingeladen hat und definitiv sehenswert war.

Ähnliches, aber doch wieder nicht, kann man danach über Hannes Wittmer sagen. Nach zehn Jahren kam der Local Hero wieder zurück auf das Derby. Der volle Parcour zeigte auch, dass er schwer vermisst wurde. Musikalisch müssen aber wir sagen – reißt das keine Bäume aus. Ruhiger Singer & Songwriter, der große Sympathie versprühte, dessen Texte aber ein bisschen austauschbar wirken. Lieder über die Beschissenheit der Welt, Lebensmüdigkeit im Alltag oder das Erwachsenwerden. Nicht falsch verstehen: das wirkt sehr ehrlich und authentisch geschrieben und auch an der Live-Performance kann man wenig aussetzen. Aber textlich fehlt dann doch dieses gewisse Etwas, das ihn auf eine neue Stufe hebt.

Danach ging es dann mit Grace Cummings weiter, die wir leider zeitbedingt auslassen mussten. Das Highlight nicht nur an diesem Tag und dieser Bühne, auch eines des gesamten Festivals war dann To Athena. Die Schweizerin ist zum ersten Mal in Deutschland mit Big Band aufgetreten. Was das dann für ein Gig war? Unglaublich dichte Atmosphäre, extrem starke Stimme, die man noch Kilometer weiter hörte und ein Klangbild, das sowohl in den ruhigen als auch schwungvolleren Momenten das Publikum begeistert und wegfetzt. Das nie enttäuscht und unglaublich stark ist. Auch der Wechsel zwischen Schweitzerdeutsch, Hochdeutsch und Englisch ist wunderbar fließend und die Sprachwahl sehr passend zu den jeweiligen Texten. Am Ende wurde noch mit rein der Gitarre mit dem Publikum gemeinsam gesungen. Zurecht gab es minutenlange Standig Ovations, was für ein extrem großartiger und starker Gig! Ein perfekter Abschluss für diese Bühne auf diesem Festival!

Arena Bühne

Zuallererst ein Ausflug in die 70er. Die Verlierer sind hier der erste Act, den wir auf der Arena-Stage mitbekommen haben. Und der Name ist hier Programm. Nein, nicht musikalisch. Nein, Die Verlierer besingen hier den Niedergang der deutschen Hauptstadt Berlin, den stetigen Konsumzwang – und das roh. Musikalisch roh, zwischen Garage-Punk und Riot-Attitüde angesiedelt. Eine Band, die aus Kellern stammt, von denen es in den großen Städten immer weniger gibt. Und wenn, das als ausgebaute „subterranien Lofts“. Zumindest musikalisch stemmen sich Die Verlierer hier dagegen!

Weiter gehts mit den Lambrini Girls. Trans-Rights stehen hier an der Tagesordnung. „Help Me, I’m Gay“ ist hier nicht nur Songname, sondern Programm. „You’re Welcome“ heißt die aktuellste EP einer der größten Hoffnungen der Punk-Szene. Schrill, queer, immer für einen Ausflug ins Publikum zu haben und deshalb ein Act der Marke „hoffentlich bald wieder hier am Kontinent“!

Den Preis für die verdienteste Sonntags-Zulage verdiente sich danach der Soundman von Mannequin Pussy. Alternativ auch den Award für den am schnellsten durchgezogenen Line-Check, den wir je gesehen haben. Dafür verantwortlich? Ein Stromausfall, der an diesem Festival kurzfristig leider die Arena-Stage lahmlegte. Scheiß Wetter aber auch, hey! Da ist es auch zu entschuldigen, dass nicht alles am Anfang des Sets von Mannequin Pussy herausragend klang. Nehmen ließen sie sich den Spaß auf der Stage aber auch nicht, der Sound wurde im Laufe des Konzertes natürlich auch besser – und live ist halt immer noch live!

Den Festivalabschluss auf der neuen Arena Bühne machten dann Tropical Fuck Storm aus Australien. Schneller, sehr instrumentallastiger Rock/Punk, der die Muskeln zum vibrieren und das Trommelfell zum Platzen bringt. Reduziert auf das Wesentliche, ohne viel Schnick-Schnack lieferte die Gruppe einen einwandfreien Gig ab. Ein roher Abschluss, der wunderbar gepasst hat, auch wenn wir leider zugeben mussten, dass wir aufgrund der Überschneidung mit Slowdive und To Athena nur die ersten 15 Minuten sehen konnten. Die haben uns aber auf jeden Fall gefallen!

Ganz allgemein kann man zum Abschluss sagen: diee neue Bühne hat sich unserer Meinung bewährt. Im Vergleich zum manchmal etwas stickigen Zelt vermittelt die neue Open Air Bühne viel Flair. Die Platzierung wunderbar, der Platz ausreichend. Trotz schlechtem Wetter hat auch der Sand und Kunstrasen gehalten. Liebes Derby Team, bitte die Bühne beibehalten!

Musikliebhaber, Festivalreisender, Konzertsüchtig, Vinylnerd, Photograph, Konzertveranstalter, Linz-Liebhaber