Foto: Sebastian Lugmayr

Moldau: 7 Jahre später?

Ungefähr vor sieben Jahren erschien hier auf subtext.at ein Bericht über eine Studienreise in Moldau. Nun habe auch ich eine Studienreise dorthin gemacht. Ein Bericht über ein Land, das mehr ist als das, was man glaubt.

Wenn wir in Österreich das Wort Moldau hören, denken wir vermutlich an den Fluss in Tschechien oder an Bedřich Smetanas berühmtes Orchesterwerk „Vltava“, das ebenfalls über diesen tschechischen Fluss handelt. Doch dieser Text ist keine Reise zu den reißenden Strömen der tschechischen Moldau, sondern eine Reise in den Osten Europas, in ein Land, das seinen Namen von einem Fluss im östlichen Rumänien hat. Es geht nach Moldau.

Meine Reise führte mich ins Herz von Moldau, in die Hauptstadt Chișinău. Im Rahmen meines Studiums der Sozialen Arbeit besuchen wir dort gemeinsam mit der österreichischen NGO „Südwind“ das Projekt „Future Youth Moldova“, das von ihnen mitunterstützt wird. In Moldau wächst ungefähr jedes zehnte Kind entfernt von seiner eigenen Familie in staatlichen Institutionen oder bei Pflegefamilien auf. Ab 18 endet allerdings die staatliche Unterstützung und die Jugendlichen müssen ihr Leben meist komplett auf sich selbst gestellt bewältigen. Moldau ist nach der Ukraine das zweitärmste Land Europas. Es ist ein sehr junges Land, das nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig wurde. Seither befindet sich das Land im Wandel und dennoch hat man an manchen Orten in Chișinău das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben. Ob das nicht auch an dem seit 1990 entstandenen Transnistrien-Konflikt liegt, indem Russland die Transnistrien Region annektiert hat?

Ein Herz für Europa?

Sieben Jahre nach dem Bericht von Lisa Leeb über Moldau hat sich in Europa so einiges verändert. Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat das Wertesystem in Europa bis ins Herz getroffen. Und auch an Moldau geht das nicht spurlos vorbei. Als unmittelbares Nachbarland der Ukraine fürchtet man auch hier einen Überfall Russlands. Es macht ein wenig Angst, wenn man daran denkt, dass nur drei Stunden Autofahrt entfernt von Chișinău in der ukrainischen Hafenstadt Odessa der Alarm heult und die Bomben fallen.

Daher kommt es nicht von ungefähr, dass ich in Chișinău mehr EU-Flaggen gesehen habe als in der Europäischen Union selbst. Unsere Reise führt uns auch in die Region Ungheni, einen Teil des Landes, das sich unmittelbar an der rumänischen Grenze befindet. Dort erklärt uns ein Politiker, dass schon im September entscheidende Wahlen anstehen, um den Willen zur Europäischen Union in die Verfassung aufzunehmen. Es wird sich zeigen, ob in Moldau das Herz für die Europäische Union oder die russische Propaganda siegt.

Chișinău – eine Grüne Stadt

Ganz ehrlich, mein allererster Eindruck von Chișinău war extrem skeptisch. Chișinău ist, anders als viele europäische Städte, keine mit einem richtigen Mittelpunkt wie einem Hauptplatz. Und dennoch konnte ich Chișinău nach dieser Woche tief in mein Herz schließen. Da kann man Toiletten ohne Klobrillen, Schwierigkeiten beim Übersetzen und überfüllte öffentliche Verkehrsmittel leicht verkraften, wenn man als Ausgleich köstlichen moldauischen Wein und das Nationalgericht Plăcintă (eine Art Blätterteigrolle mit verschiedensten Füllungen) hat. Chișinău ist eine sehr grüne Stadt mit einigen Parks, einem künstlich angelegten See und vielen gemütlichen Cafés und Vinotheken. Wer es einmal nach Chișinău schafft, sollte die Chance nutzen, eine Weinverkostung zu machen und den lokalen Wein zu probieren.

Der Grund der Reise

Gemeinsam mit Südwind war der Grund unserer Reise, sich das Sozialsystem in Moldau anzuschauen und vielleicht auch so einiges nach Österreich mitzunehmen. Besonders prägend waren für mich die Gespräche mit jenen Menschen, die dort in NGOs arbeiten und mit extrem wenig Mitteln auskommen müssen. Soziale Organisationen sind, wie auch die von uns besuchte große NGO „Ave Copiii“ („Hoch leben die Kinder“), massiv von ausländischen Geldern abhängig. Und trotzdem wird dort mit sehr wenigen Mitteln Großes bewirkt. Eine Sache, die mich bis heute beeindruckt.

Im Koffer nachhause

Beim Heimflug habe ich viele Sachen in meinem gedanklichen Reisekoffer mit nach Hause gebracht. Ich habe eine Stadt erlebt, die einen überrascht, ein Sozialsystem, das noch viel Raum und Zeit zur Weiterentwicklung braucht, von dem wir uns aber trotzdem etwas abschauen können und zahlreiche freundliche Menschen. Eine Sache bleibt da noch, die es in meinen tatsächlichen Koffer geschafft hat: Ein Rotwein, der aus Trauben aus Georgien, der Ukraine und Moldau gemacht wird und den Namen Freiheit trägt.

In diesem Sinne – hoch lebe die Freiheit!

Die Welt ist meine Leinwand. Kultur und Kinomensch.