Beatsteaks: Endlich wieder da mit „Please“
Sieben Jahre ist es her, dass die Beatsteaks aus Berlin eine Platte veröffentlicht haben. Mit „Please“ erschien Ende Juni die „beste neunte Platte“, die sie je gemacht haben.
Sie stehen seit jeher für mit die besten Live-Shows, die man als deutsche Alternative-Punk-Band liefern kann. Dennoch nagen dreißig Jahre Bandgeschichte natürlich auch am Zwischenmenschlichen, wie uns Arnim Teutoburg-Weiß und Bernd Kurtzke verraten haben. Dennoch sind sie mit sich selbst wieder „im Reinen“ – und haben mit Please eine Platte veröffentlicht, mit der sie selber richtig zufrieden sind.
subtext.at: „Please“ heißt eure neunte, aktuell erschienene Platte. Fasst bitte mal in einem Satz zusammen, was ihr mit dieser Platte verbindet?
Bernd Kurtzke: Die beste neunte Platte, die wir je gemacht haben.
Arnim Teutoburg-Weiß: In einem wort: pleased.
Bernd Kurtzke: Das würde jetzt ein sehr langer Satz. Zu dieser Platte gibt es so viel zu sagen, dass man das nicht in einem Satz unterbringt.
Arnim Teutoburg-Weiß: Ich bin froh, dass es sie gibt, ehrlich gesagt. Und dass wir es geschafft haben. Wir mussten durch viele Täler, und dass es sie dennoch gibt, macht mich persönlich glücklich. Und wie es den Leuten gefällt, ist mir da fast schon egal (lacht). Nicht ganz, natürlich.
subtext.at: Es hat doch insgesamt sieben Jahre gedauert, bis „Please“ erschienen ist. Ein Zeitraum, wo sehr viel passiert ist, und dennoch die „beste neunte Platte, die wir je gemacht haben“. Was macht sie besser als die anderen acht?
Bernd Kurtzke: Wie gesagt, da kommt sehr viel zusammen. Sieben Jahre ist eine verdammt lange Zeit, und es ist in diesen Jahren viel passiert. 2017 erschien die letzte Platte, 2018 sind wir das letzte Mal „richtig“ getourt. Dann hatten wir auch mal gesagt, ein Jahr Pause zu machen und dass jeder selber mal Sachen verfolgen kann. Da war bei dem einen oder anderen schon die Frage da, ob es denn nicht vielleicht etwas anderes gäbe. Außerhalb der Band, und weil jeder natürlich auch seine eigenen kleinen Befindlichkeiten entwickelt. Da stellten wir uns dann schon die Frage: „Und was machen wir jetzt?!“. Hören wir auf, oder setzen wir uns zusammen und bereden wir ehrlich, wie es weitergehen kann.
Glücklicherweise haben wir uns für letzteres entschieden. Wir haben – mit professioneller Hilfe – gelernt, miteinander zu reden. Wieder miteinander zu reden. Thomas (Schlagzeuger Thomas Götz, Anm. d. Red) hat es vorhin schön auf den Punkt gebracht: Männer in unserem Alter sind vielleicht nicht dafür gemacht, sich jeden Tag zu erzählen, was und wie sie sich fühlen. Das haben wir wieder lernen müssen.
subtext.at: Ist das in den letzten Jahren verloren gegangen – diese eventuell nötige Distanz zueinander verloren zu haben?
Bernd Kurtzke: Vielleicht war die Distanz zu groß. Das ist auch ganz normal – wenn man dreißig Jahre lang eine Beziehung führt. Und natürlich anfangs alles ganz super war und alles auch ganz lange super blieb. Und man nicht gelernt hat, mit dem anderen wirklich zu reden und wirklich zuzuhören. Es schleifen sich dann Sachen ein, die nerven. Das ist ganz normal – und dann kann man sich entweder zusammenraufen oder sagen „das war’s“ und das Projekt beenden. Wie gesagt: glücklicherweise haben wir uns fürs Weitermachen entschieden.
Und um den zeitlichen Faden zu spannen: Wir befinden uns hier im Jahr 2019. Und dann gab es 2020 und auf einmal eine Pandemie. Wir waren zwei Jahre lang weg vom Fenster – und wir wollten, im Gegensatz zu vielen, auf keinen Fall eine „Pandemie-Platte“ machen. Wir haben da einfach Ideen gesammelt, um irgendwann, wenn es wieder möglich wäre, live zu spielen und ein Album zu machen. Und das haben wir dann gemacht.
subtext.at: Dieses Album ist im Vergleich zu anderen Platten auch „anders“ entstanden – aufgenommen im Publikumsbereich des Berliner Columbia-Theaters. War der Gedanke dahinter, von der „Band on Stage“ dahin zu wechseln, wo normal das Publikum steht? Wolltet ihr hier nach sieben Jahren bewusst Neues versuchen?
Bernd Kurtzke: Der Hintergedanke ist natürlich auch nicht nur auf unserem Mist gewachsen, sondern auch weil wir den Produzenten gewechselt haben. Und die Idee von Produzent Olaf Opal war es dann, uns dort aufzunehmen, wo es gut klingt. Das muss dann auch kein klassisches Studio sein – es gibt genügend Räume, die gut klingen. Was wir aber nicht verlassen haben, ist die Art und Weise, wie wir aufnehmen – alle zusammen und gemeinsam in einem Raum. Abgesehen von Gesang und Overdubs, aber die Grundessenz der meisten Songs haben wir so aufgenommen bei den allermeisten Stücken.
Für uns war das damit gar nicht so weit weg von dem, was wir vorher hatten, bis auf den neuen Produzenten. Und die Tatsache, dass ich in der Demo-Phase schon das Gefühl hatte, dass jeder so „machen“ darf, wie er meint. Das war ein tolles Gefühl, man hat sich gegenseitig relativ wenig dreingeredet. Dadurch ist viel Luft, Spaß und Freude in der Platte.
subtext.at: Ich habe mir das Album vorhin in einem Stück durchgehört – von „klassischen“ Beatsteaks-Tracks wie „Against All Logic“, „Love Like That“ oder „Magic Feel“, andererseits auch Stücke wie „The Lunatics“, das stilistisch doch in eine ganz andere Richtung geht. War diese Bandbreite auch Teil dieser „Bandbreite“ aller Mitglieder?
Arnim Teutoburg-Weiß: Wir wollten unsere Geschmäcker wiederfinden von uns Fünf. Es sollte eine richtige „Band-Platte“ sein. Und wenn wir eine Band-Platte machen, dann wird die sehr bunt. Das haben wir gesucht und gegenseitig auch unterstützt.
Bernd Kurtzke: Was auch ein bisschen anders war, dass es vordergründig nicht darum ging, was man sein oder wie man sich darstellen möchte. Sondern: Was braucht das Lied? Das Lied war hier ein bisschen der Star.
Arnim Teutoburg-Weiß: Das mussten wir uns aber auch wieder holen.
subtext.at: Warum glaubst du, dass das vorher vielleicht nicht mehr der Fall gewesen ist?
Bernd Kurtzke: Wir haben uns glücklicherweise uns nie so weit davon entfernt, dass Leute nicht mehr nachvollziehen konnten, was wir da machen. Aber es ging bei den zwei, drei Platten davor schon darum, dass Meinungen gegeneinander standen. Und auch fehlende Kommunikation untereinander. Führt zu komischen Sachen, haben wir gemacht, wollten wir nicht mehr machen. Es ist Gott sei Dank gut gegangen.
subtext.at: Bei den Beatsteaks geht es immer um Inhalte. Hat sich bei euch schon mal so etwas wie Resignation breit gemacht, wenn ihr euch Wahlergebnisse anseht, obwohl ihr dreißig Jahre dagegen ansingt?
Bernd Kurtzke: Naja, was wäre die Alternative?
Arnim Teutoburg-Weiß: Es ist gerade dann wichtig, wenn das Haus brennt, dass Leute mit Wassereimern kommen (lacht). Es überrascht mich überhaupt nicht – uns geht es darum, die Leute zu stärken, die es für Quatsch halten, was sich politisch teilweise abspielt. Und die Leute auch zu unterstützen, wie etwa auf der AJZ-Tour. Diese Leute sind diesem Wahnsinn täglich ausgesetzt, da leben wir in Berlin schon in einer Blase, die vorteilhaft ist. Das Album „Please“ mit dem STOP-Schild am Cover heißt auch so, weil es ausdrücken soll: „Hey, Stop, kommen wir mal alle zusammen“. Und das gilt für uns als Band genauso wie für diejenigen, die da draußen unserer Meinung sind. Und es auch nicht sind.
subtext.at: Du hast gerade vorweggenommen: Ihr habt in vielen autonomen Jugendzentren gespielt und spielt dort immer noch. In Orten, die an der „Front“ gegen politische Entwicklungen stehen. Merkt ihr da auch so etwas wie „Verdrängung“ dieser Läden oder dass es immer schwieriger wird, Leute zu finden, die diese Zentren am Leben halten?
Bernd Kurtzke: Früher war es nie so vakant, das stimmt. Es wurden jetzt schon Milliarden gestrichen für freie Jugendarbeit, und man kann sich sicher sein, dass bestimmte Parteien, sollten sie an die Macht kommen, nicht nur streichen, sondern diese Zentren ausradieren. Für solche Jugendclubs wird es dann keine staatliche Förderung mehr geben, das ist natürlich eine Riesengefahr. Es geht für uns auch darum, sich zu solidarisieren. Wir wollen natürlich, dass es diese Zentren weiter gibt – immer in der Hoffnung, dass es weitertreibt. Nach dem Motto „Wenn die Beatsteaks da spielen, können wir das auch!“. Und natürlich kriege ich dort kulturellen Mehrwert geboten, den ich beim Bratwurststand der AfD nicht kriegen würde.
subtext.at: Merkt ihr auch dort, dass die „Sehnsucht“ auch durch das Publikum größer wird, auch Acts wie eben euch in solchen Settings zu erleben? Oder findet auch im Publikum „Verdrängung“ statt zu den angesprochenen „Bratwurstständen“?
Arnim Teutoburg-Weiß: Ich finde, dass Leute gerade auch nach dem Wahlergebnis merken, dass es kein Medien-Hype ist, sondern real. Es ist echt. Ich glaube, dass das, auch ein Beweggrund sein kann, zur Wahl zu gehen.
subtext.at: Zurück nochmals kurz zu „Please“: Glaubt ihr, dass diese Platte das sein kann, was die Beatsteaks ausmachen soll, auch im Vergleich zu den Vorgängern?
Arnim Teutoburg-Weiß: Total. Für mich ist es unsere beste Platte seit „Smack Smash“. Das Gefühl der Begeisterung habe ich so das letzte Mal damals verspürt. Heißt aber nicht, dass die Platten schlecht waren. Da geht es rein um die Freude und das Aufgeregtsein. Das war ein schönes Gefühl, das wir uns da nochmals zurückgeholt haben.
subtext.at: „Smack Smash“ ist ziemlich genau 20 Jahre her. Seid ihr mit „Please“ wieder dort angekommen, wo ihr damals wart?
Arnim Teutoburg-Weiß: Ja – wir trauen uns, die Dinge einfach wieder mehr zu machen. Olaf hat uns im Rahmen von „Please“ oft gefragt: Ist das noch Beatsteaks? Und immer, als wir schnell „ja“ geantwortet haben, haben wir mit einem ehrlichen Gefühl des „Ja“ geantwortet. Wir sind nicht die Band, die sich gerne wiederholen will – und wenn wir im Proberaum Spaß an etwas haben, dann wollen wir das auch machen.