Giant Rooks
Foto: Lisa Tatzber

Melange der Superklasse: Jungle & Giant Rooks

Das britische Disco-Soul-Duo Jungle und die deutsche Indie-Band Giant Rooks im Rahmen der METAStadt Open Airs: Ein Crossover, von dem wir noch nicht wussten, wie sehr wir es brauchen. 

Die Kieselsteine im Innenhof knirschen unter den hunderten Vans und Sandalen. Inmitten der brachialen Ziegelbauten der Metastadt thront eine Open-Air-Bühne, überraschend hoch, die in den nächsten Wochen hochkarätige Künstler:innen empfangen wird. Darunter befinden sich Namen wie Korn, Cypress Hill oder das Patti Smith Quartet. 

Aber erstmal von vorne: Den Anfang des Doppelkonzerts am Dienstagabend machte das britische Duo „Good Neighbours“, die spätestens bei ihrem viralen Hit „Home“ die Herzen des Publikums für sich beansprucht haben. Der Song war Anfang des Jahres die Debutsingle aus der Kollaboration von Oli Fox und Scott Verill. Der Frontsänger haucht die unverkennbaren, verzerrten Vocals in sein grünes Bullet Mikr. Heraus kommt ein Sound, der den Zeitgeist der 2020er-Jahre-Sommer einfängt: aufatmen, loslassen. Der Grundstein für den Abend ist gelegt.

die Indie-Giganten aus Westfalen

Das METAStadt Openair hat sich einen Namen als Konzertreihe, vielleicht auch Mini-Festival gemacht. Über 6.500 Konzertbesucher:innen sammeln sich am ehemaligen Fabriksgelände im 22. Wiener Gemeindebezirk. Die einen für die Giant Rooks, weil sie vielleicht letztes Jahr am Lido oder im Februar auf der ausverkauften Gasometer-Show waren, die anderen für die erste Jungle-Show in Österreich seit 8 Jahren. Manche vielleicht auch nur, um zu schauen, was sich hier heute tut. 

Galten die Giant Rooks 2019 noch als Geheimtipp, sind „New Estate“ und „Wild Stare“ mittlerweile zu Indie-Klassikern und die fünf Jungs zu gefeierten Überfliegern geworden. Die Menge jubelt, als der rote Samtvorhang im Hintergrund fällt. Chic und classy, wie es sich für die Royalties der Indie-Szene gehört. Frontsänger Fred Rabe klettert während der ersten Songs im see-through Hemd mit Perlenkette auf den Boxen am Bühnenrand herum. Die schulterlangen Haare kleben bald um sein Gesicht.

Nach ihrer „How Have You Been?“-Welttournee im Frühjahr waren sie als Support mit Louis Tomlinson in Südamerika unterwegs, bevor es im Sommer zurück auf die heimischen Bühnen geht. Nicht nur ihr Publikum, auch die fünf Bandmitglieder sind in den letzten Jahren über die Landesgrenzen hinausgewachsen. Der wohl internationalste Sound in ihrem Genre, den der deutschsprachige Raum aktuell zu bieten hat.

Das Erfolgsrezept der fünf Freunde aus dem westfälischen Hamm ist von Beginn an handgemachte Musik. Das beweisen der durchdringende Akustikanfang von „Cold Wars“ und meinem persönlichen Highlight, „What I know is all Quicksand“, nur zu gut. Fred gönnt sich zum Abschluss noch ein Bad in der Menge – das bei 32 Grad wohl nicht sehr abkühlend war.

Grossstadt-Jungle

Eine knappe Stunde Wartezeit steigert die Spannung, bevor Jungle die METAStadt in knallorangenes Licht tauchen. Das Dance-Trio aus Westlondon hat sich in den letzten 10 Jahren einen Fixplatz auf den weltweiten Festivalbühnen erspielt. Sei es als Headliner am South Facing Festival in ihrer Heimatstadt, am Coachella oder am Lollapalooza Brasilien. Nun bringen sie ihre funkigen Retro-Grooves auch nach Wien und versprechen dabei nicht zu viel. Eigentlich 2013 als Duo aus Tom McFarland und Josh Lloyd-Watson gestartet, präsentieren sich Jungle auf der Bühne als kreatives Kollektiv. Ein Erlebnis für alle Sinne.

Mit ihrem ersten Hit „Busy Earnin‘“ starten sie eine psychedelische Reise durch ihre Diskografie. Und der funky Soundteppich bricht nicht mehr ab. Die Songs, die irgendwie alle sehr ähnlich klingen, fließen ineinander über. Sieben, nein, acht Musiker:innen on stage, Sax-Solos, sirenenartige Soul-Synths und layered Vocals vermischen sich zu einer glatten Masse aus Tönen. Leute nehmen sich an den Händen, tanzen, springen, feiern das Leben. Dabei ist es gar nicht mehr so wichtig, zu welchem Song genau. Spätestens als die Indie-Hymne des letzten Sommers „Back on 74“ erklingt, kann sich kaum noch jemand richtig halten. 

Die lamellenartigen Visuals im Hintergrund vermitteln das Gefühl, man würde Tom, Josh und Neuzugang Lydia Kitto ihnen direkt in einem suburbanen Wohnzimmer beim Jammen zuschauen. Hoch oben thront das Bandlogo in leuchtenden Neon-Lettern. Ein Wort zum Abschluss: episch.

Fazit

Ein Abend für alle Sinne und alle Liebhaber:innen von qualitativer Indie-Musik. DACH-Pop-Rock trifft Brit-Disco-Soul und mitten ins Herz, dazu eine Newcomerband, die vielleicht bald selbst als Headliner unterwegs sein wird. Chapeau auch an das Team des METAStadt-Festivals für Booking, Organisation und Overall-Wohlfühlfaktor.