Liebes Arschloch im Volkstheater Wien
Foto: Marcel Urlaub // Volkstheater

Zwischen Drogen und Langeweile

Seit September läuft Stephan Kimmigs Inszenierung von Virginie Despentes’ Briefroman Liebes Arschloch im Volkstheater. Doch der Versuch, dieses wortgewaltige Werk auf die Bühne zu bringen, verläuft leider eher zäh. Während das Publikum pünktlich erschienen ist, kam das Stück selbst gefühlt drei Jahre zu spät.

Themen wie #MeToo, Drogenkonsum, Hass im Netz und sexuelle Identität – die eigentlich hochaktuell sein sollten – schaffen es in dieser Inszenierung kaum, die erhoffte Wirkung zu erzielen. Die vermeintlich brennenden Debatten blieben eher lauwarm.

Alkohol? – Ja, bitte.

Im Zentrum der Geschichte steht ein Briefwechsel zwischen Oscar, einem gescheiterten Schriftsteller, und Rebecca, einem in die Jahre gekommenen Filmstar. Der Austausch ist vollgepackt mit Schlagwörtern und quetscht möglichst viele gesellschaftliche Themen in eine einzige Unterhaltung. Doch anstatt tiefe Einblicke zu gewähren, wirft diese Auseinandersetzung vor allem Fragen auf: Wer genau ist hier das Zielpublikum? Warum sollte ich mich mit einem #MeToo-Täter wie Oscar identifizieren? Und vor allem: Wo bleibt der Wodka-Shot, um diese zweieinhalbstündige Dauerbeschallung zu ertragen?

Wut ohne Feuer

Die Darsteller geben ihr Bestes, keine Frage. Doch der Briefwechsel, der auf der Bühne als Dialog inszeniert wird, wirkt oft steif und gekünstelt. Die versprochenen Funken wollen einfach nicht zünden. Trotz der expliziten Sprache regten die Ausdrücke sehr wenig auf. Es bleibt unklar, ob das an der Vorlage liegt, die ohnehin schon stark von Zeitgeist-Themen durchtränkt ist, oder am Stück selbst. Letztlich war es weder provokant noch emotional fesselnd genug, um eine nachhaltige Wirkung zu hinterlassen.

Kritik ohne Drama

Hinzu kommt, dass die Inszenierung offenbar versucht, dem Stück eine gewisse Relevanz zu verleihen – doch was heute aktuell ist, fühlt sich hier wie ein veralteter Diskurs an. Statt Drama bekamen wir eine moralische Lehrstunde. Die gut gemeinte Botschaft, dass Verständnis wichtiger ist als Wut und Hass, geht unter im unzensierten Dialog. Liebes Arschloch ist noch bis April im Volkstheater in Wien zu sehen.

Zum Stück: volkstheater.at