Die Zeit vor dem Tod
Man nehme einen Gerichtsmediziner, der durch und durch begeistert ist von seinem Handwerk. Anschließend füge man einen humorvollen und sehr neugierigen Journalisten hinzu. Unter Umständen erhält man einen Podcast und ein spannendes Buch. So wie Florian Klenks „Über Leben und Tod“.
Als Gerichtsmediziner mit großer Leidenschaft für seinen Beruf ist Dr. Reiter eine wahre Schatzkiste an Geschichten und Anekdoten. Der Falter-Chefredakteur Florian Klenk wurde von der Faszination für die Schnittstelle zwischen Leben und Tod angesteckt, und die beiden fingen an, ihre Gespräche aufzuzeichnen. So entstand der Podcast „Klenk + Reiter“. Das Buch „Über Leben und Tod“ verknüpft die Biografie des Gerichtsmediziners mit einigen seiner besonderen Fälle und der Geschichte der Gerichtsmedizin. Reiter erklärt skurrile Präparate und nimmt einem, aber nur fast, den Ekel vor fleischfressenden Maden.
Auf dem Präparat 6, einem abgetrennten Penis „einer Person ungeklärter Identität“, steht eintätowiert „Der Sanfte Toni“.
Damals war alles besser – aha
Im Narrenturm angekettet und durch spezielle Belüftung „geheilt“ – das sollte eine Verbesserung der Umstände für psychisch kranke Menschen darstellen. So der Glaube bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Heute unvorstellbar. Dass die Haut von einst geachteten Menschen nach ihrem Tod über ein Holzgestell gespannt zur Schau gestellt wird, kann man sich kaum vorstellen. Allerdings wird immer noch ein unglaubliches Bahö um die Überreste von Heiliggesprochenen gemacht, deren Leichen exhumiert und präpariert werden. Genau über diese Nischen in der Geschichte sprechen Reiter und Klenk. Aber auch aktuelle Fälle führen einen an eigenartige Abgründe der Menschheit.
Wissen muss man es halt
Anders als bei normalen True-Crime-Geschichten blickt man hier mit den Augen der Gerichtsmedizin auf die Fakten und Maden. Was passiert mit Leichen nach einem Flugzeugabsturz? Was geschieht tatsächlich in den Gräbern? Wie müssen Verletzungen dokumentiert werden, um vor Gericht verwendet werden zu können? Eindrücklich erklärt Reiter, dass die fehlende gerichtsmedizinische Grundbildung von Polizist*innen und Mediziner*innen vor allem Tätern in die Hände spielt.
In to the light
Etwas, das wirklich alles miteinander verbindet, ist der Tod. Sterben müssen wir alle einmal. Damit versuchen uns manche Religionen zu erpressen, andere zu locken. Viele Menschen haben Angst vor dem Tod, andere sehnen sich danach. Aber in diesem Buch werden wir auf den Boden geholt oder besser gesagt aus der Erden gezogen. Der Dr. Reiter macht einem diese angenehm schaurige Türe auf, dahinter verborgen furchtbare Abgründe, faszinierendes Wissen und jede Menge Fliegen und Maden. Doch bevor man sich abwenden kann, schnappt einen Florian Klenk an der Hand und führt einen durch diese Welt der Gerichtsmedizin.
Über Leben und Tod
In der Gerichtsmedizin
von Florian Klenk
ZSOLNAY
192 Seiten, Deutsch, gebundene Ausgabe
€ 23,00 – jetzt bestellen
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