Lasset die Filme beginnen
Dicht gedrängt steht die Menschentraube auf dem schmalen Trottoir vor dem Café Stern. Integriert in das Café hostet das Kino heuer das Linz International Short Film Festival. Zum zweiten Mal sitzen die Besuchenden auf roten Samtsesseln. Auch wenn die Klappsessel im Saal der Kunstuni auch ihren Charme hatten, sinkt man doch gemütlicher in die Polster.
Zur Eröffnung füllte sich der große Saal fast komplett. Networking, das große Stichwort, denn auf den meisten Plätzen sitzen die Filmschaffenden selbst. Junge Menschen aus der ganzen Welt, die für ihre Screenings oder für eines der Rahmenprogramme gekommen sind. Moderiert wird der Abend von Michaela Schausberger, die anders als in den letzten Jahren für humorvolle und lockere Stimmung sorgt. Wo sonst oft Tränen geflossen sind, wird heute improvisiert, gelacht und gescherzt. Richtig voll wird die Bühne dann auch, als die Teilnehmenden der Masterclasses, des Short Film LAB und des First Feature LAB heraufgebeten werden. Teilweise sehr schüchtern, sagen alle ein paar Worte.
Verbindung über Film
In dem milden Klima des Kinosaals schlagen die Eröffnungsworte von Parisa Ghasemi, einer der beiden Festivaldirektorinnen, dann doch besonders ein. In Zeiten von Rechtsbrüchen, dem Aufstieg von Hass und Feindseligkeit, sind Verbindung und Austausch besonders wichtig. Das Festival ist ein Knotenpunkt, um Freund- und Partnerschaften in der Kunst und der Arbeit zu fördern. Kultureller Austausch soll hier Raum für gegenseitiges Inspirieren geben.
Italien
Und mit „Majonezë“ von Giulia Grandinetti, dem Gewinnerfilm des Queer & Feminist Award – Masha Jina Amini Grand 2023 des letzten Jahres, wird das Festival eröffnet. Der Film in Schwarz-Weiß erzählt vom Ausbruch einer jungen Frau. Zwischen Vater und Freund hin- und hergeschubst, lässt sie sich nicht mehr in die Suppe spucken. Er erinnert entfernt an das Musikvideo „Baby’s on Fire“ von Die Antwoord. Mit feministischer Wendung und grauer albanischer Landarmut stürzen einen die Bilder tief in die Geschichte.
Kosovo
Der zweite Film, SOS von Anita Morina, begleitet Drin, einen Bahnmitarbeiter. Wie die Regisseurin im Q&A nachher erzählte, ist der Film inspiriert von einem echten Menschen, der für sie das Glück des Simplen gefunden hat. Genau das transportiert der Film auch, verwoben mit Gesellschaftskritik, Liebe, Familie und Freundschaft. Wer die Möglichkeit hat, diesen Film anzuschauen, sollte es sich nicht entgehen lassen.
Polen
Der dritte Kurzfilm, „Fiber“, ist eine tatsächlich lustige Jugendgeschichte von Natalia Nylec. Eine junge, rebellische Frau gerät zwischen die Fronten von gewalttätigen Fußballfans. Es werden zwar einige schwere Themen angeschnitten, doch bleibt der Film eher an der Oberfläche. Die überzogenen Szenen mit den streng gläubigen Eltern sorgen für lautes Lachen im Kinosaal.
Vereinigtes Königreich
Ohne gesprochene Worte kommt Ruijing Bu mit „No one will ever know“ aus. Eine Frau, eine Tote und ein Kind am Strand. Sehr offen für Interpretationen nimmt einen für diese Szenen keiner an der Hand. Keine Führung durch eine Geschichte – die Bilder lassen einen ein bisschen irritiert und verlassen zurück.
Österreich
Als Letztes kommen die verpixelten Videoszenen von bekannten Linzer Orten mit neu interpretierter Nationalhymne. „Heast“ von Lena Isabella Deisenberger und Francisca Friedrich soll eine Systemkritik an Österreich sein. Es mag an der KI-generierten Musik liegen, aber so richtig mit der Leistung der vorherigen filmischen Arbeiten mithalten kann das Video nicht.
Networking am Dancefloor
Nach dem Q&A, ebenfalls moderiert durch Michaela Schausberger, wurden die Gäste eingeladen, den Abend noch in der Kunstuniversität bei Buffet und Getränken zur Musik von Björn Büchner ausklingen zu lassen.
Dieses Jahr ist es Parisa Ghasemi und Ashkan Nematian wirklich gelungen, die Stimmung hochzuhalten und für interessante Diskussionen danach zu sorgen. Und durch das Ambiente des City-Kinos und den vollen Kinosaal schaut das Festival ein Stück weiter aus seiner Nische heraus. Da könnten sich dann doch mal fremde Linzer Kinogeher*innen für ein Screening verirren.
