Mit Yann Tiersen auf hoher See

Wenn schräge elektronische Klänge mit nur dem Klang des Klaviers kombiniert werden, dann kann das nur von einem kommen: Yann Tiersen. Der Musiker präsentierte gestern sein zweiteiliges Album Rathlin from a Distance / The Liquid Hour im Posthof.

In seinem Album reflektiert Yann Tiersen die Eindrücke seiner Reisen. Er zögert nicht, auch politisch zu werden, und beschreibt in seinen Liedern vor allem seine Reise auf dem Meer mit einem Segelboot. Den Beginn des Abends macht allerdings jemand anderer: Anatole Muster, ein Jazz-Akkordeonist, der vor allem mit dem Klang seines Akkordeons beeindruckt. Weniger stark waren live seine sängerischen Qualitäten, dafür ist man vom langsamen und tragenden Klang des Akkordeons hin und weg.

Stürmische Zeiten

Yann Tiersen versteht es wie kaum ein anderer, seine Zuhörenden auf eine emotionale Reise mitzunehmen. Im Posthof beginnt er den Abend am Flügel, ruhig, getragen, fast wie ein Spaziergang am Meer. Einige Stücke, etwa „Ninnog“, stechen besonders hervor, während man sich bei anderen etwas verliert, weil sich die Klavier-Patterns zu stark wiederholen. So gelingt es ihm nicht immer, die Zuhörenden ganz mitzuziehen.

Spätestens nach dem Wechsel zur elektronischen Musik wird es für manche im Saal zu experimentell, und man spürt, wie das Publikum nach und nach weiter nach hinten rückt. Erstaunlich ist jedoch, dass dieser Teil lebendiger wirkt als der erste: Tiersen überträgt seine Freude an den elektronischen Rhythmen spürbar auf die Menge.

Nicht nur die lauten Elektro-Passagen spiegeln stürmische Zeiten wider, die Tiersen vielleicht auf dem Meer erlebt hat. Sie verweisen auch auf die Unruhe der Gegenwart. Immer wieder setzt der Musiker politische Akzente, ein Stück trägt den Titel „Palestine“, ein anderes ist einer spanischen Antifaschistin gewidmet.

Fast am Ende des Konzertes kommt man sich durch die Elektro-Rhythmen wie im Abspann eines europäischen Arthouse Films vor. Das macht wohl die experimentellen Teile dieser Musik aus und ist ein schönes Gefühl. Leider wird man dann aber doch irgendwie immer wieder herausgerissen.

Fazit

Das Konzert war wohl für all jene enttäuschend, die sich Neo-Klassik erhofft hatten, aber auch für jene, die darauf gewartet haben, auf eine allumfassende Reise mitgenommen zu werden. Was bleibt, sind einige eindrucksvolle Klavierstücke und das Bild eines Künstlers, der kompromisslos experimentiert und sich treu bleibt.

In Zeiten wie diesen ist das vielleicht das Bewundernswerteste überhaupt.

Foto: Lisa Leeb

Die Welt ist meine Leinwand. Kultur und Kinomensch.