Stahlstadtpoesie in der Stadtwerkstatt
Poetisch, frech und ehrlich: Magdalena Spinka, Lea’s Apartment und Djaro & die anonymen Melancholiker. Ein brillantes Trio, die letzten Samstag für einen sehr gut besuchten Abend in der Stadtwerkstatt sorgten.
Als „Alternative/ Singer Songwriter“ Abend angekündigt, lud die Stadtwerkstatt vergangenen Samstag drei großartige Acts ein. Alle drei noch nicht allzu lange bestehend, in unserer Umgebung jedoch beliebt und bekannt. Magdalena Spinka, Lea’s Apartment und Djaro & die anonymen Melancholiker bewegten viele Menschen, in die Stadtwerkstatt zu kommen. Ein toller Abend, an dem sehr viel getanzt und mitgesungen wurde, und der auch ein paar Überraschungen für uns offen hielt. „Stahlstadtpoesie“, dieser Ausdruck wurde vom Wiener Volksstimmenfest verwendet, bei welchem zwei dieser drei Acts gemeinsam auftraten. Ich finde ihn so treffend, dass ich ihn hier einfach übernommen habe.
Magdalena Spinka
Die junge Künstlerin eröffnet den Abend, begrüßt das Publikum herzlich und erzählt kurz, wer heute alles auftreten wird. Die Leute in den ersten Reihen machen es sich am Boden sitzend bequem, während die hinteren Reihen stehen bleiben und so gut sehen können. Schon von Beginn an ist der Konzertsaal der Stadtwerkstatt gut gefüllt.
Magdalena Spinka hat mehrere Projekte. Der ein oder anderen wird die Band „Bobo Romo“ vielleicht ein Begriff sein. Beziehungsweise scheint sie selber auch mehrere Projekte als Solo Sängerin zu haben. Diesen Abend jedenfalls widmet sie ihren deutschsprachigen Werken und vorwiegend ihrem „1er Menü“. Musikalisch begleitet wird sie von Magdalena Müller-Hauszer an der Geige und Christoph Meier am Cello. Es ist mucksmäuschenstill im Saal als sie zu spielen beginnt, die volle Aufmerksamkeit liegt auf der Bühne. Das sogenannte „1er Menü“ besteht aus Kaffe, Zucker, Powidl, Topfen und Strudel. Die Musik ist eine besondere Mischung aus Sprechgesang und harmonischen Klängen, als EP veröffentlich im Jahr 2022.
scharfer Blick, klare Worte
In allen, aber vielleicht besonders im Stück Powidl (heilige Scheiße) zeigt sich ihr Stil: ein scheinbar lieblicher Singsang. Wegen der schönen Melodien und der zarten aber starken, klaren aber zerbrechlichen Stimme. Der Inhalt jedoch ist deftig und aussagekräftig. Die Worte sind roh und ehrlich, manchmal lieb umschrieben. Ihre Wortwahl zaubert einem ein verschmitztes Lächeln auf die Lippen. Banal, aber rosig verpackt. Magdalena sammelt ihre Beobachtungen mit scharfem Blick, doch sie vermittelt sie auf eine charmante, fast süße Art. Auch ihre Songs lassen sich als postmoderne Chansons bezeichnen. Ironisch, witzig, oft kritisch, manchmal frech, leicht sentimental und ein bisschen melancholisch. Aber mit Substanz.
Zwischendurch fragt sie das Publikum um ehrliches Interesse, ob sich jemand hier eine Platte kaufen würde, wenn sie welche produzieren ließe. Als Zugabe spielt sie ein neues Stück – ein kitschiges Liebeslied, wie sie selbst sagt. Sie verwendet bei diesem Lied sehr stark diese ungewöhnlichen, fast absurden Wortketten: „Wenn ich wenig schlafen tu … wie schön, wenn wir gar nichts ertragen tun.“ Zum Schluss bleibt eine Zeile hängen: „Wie oft war ich schon verliebt in dich, der du den Sommer in mir entfachtest.“
mehr zu entdecken
Im heurigen Jahr hat sie übrigens auch ein Album veröffentlicht: „Bonnie Bonny Albumbum, Vol. 1“, sowie die Single Slow Dream. Ausschließlich englischsprachig, doch sehr anders als das „1er Menü“, und an diesem Abend nicht am Programm. Diese Songs erinnern an den Sound vergangener Jahrzehnte – irgendwo zwischen 70er-Jahre-Film und Linzer Dreampop. Ihre klare, starke Stimme steht da ganz im Mittelpunkt. Umbedingt reinhören!
Wirklich schön war er, dieser Beitrag von Magdalena Spinka. Am liebsten nochmal und dann mehr davon!
Lea’s Apartment
Lea’s Apartment starten mit ihrem meist gehörten Hit „Cinema Weather“ und holen die Leute mit dem ersten Takt zum Tanzen ab. Selbigen Namen trägt ihr aktuelles Album, welches vergangenes Jahr veröffentlicht wurde. Zu jener Zeit fand auch in Linz, auf der Florentine eines der Album Release Konzerte statt. Spätestens bei In the North of Italy wippen die letzten Köpfe, während die Menge fröhlich das Tanzbein schwingt. Die Stimmung ist toll, ihre Appearance von Beginn an Energie geladen und glückselig. Neben (Bass-) Gitarren und Schlagzeug spielt das Keyboard eine starke Rolle (vor allem in Nummern des zweiten Albums) und sorgt für einen wiederkehrenden und einprägenden Sound.
Chili Tomasson als Frontmann, Lyric- und Songwriter pflegt die Gewohnheit, jeden Song mit ein paar Worten anzukündigen. Immer instrumental begleitet, zum Teil humorvoll gewitzt, lassen diese gespannt erwarten was kommt. So wird über Paris geschwärmt, die Stadt der Liebe, um zu sagen dass es im nächsten Song um Paris, from a Tourist Point of View geht. Juka, die Frontfrau, tauscht für diese Nummer die Gitarre gegen eine Klarinette und überzeugt einmal mehr mit ihrer herausragenden Singstimme.
Es folgen Lieder über Wochenenden, bevorstehende und vergangene, das Internet und Babykatzen, und der Frage was man in Belgrade so macht. „What are you doing in Belgrade“ ist übrigens das Debütalbum der Band, und kam vor gut drei Jahren raus. Anfangs war Lea’s Apartment noch voller. Ein paar Mitglieder zogen aus und nahmen das Saxophon mit, welches vor allem im ersten Album eine starke Rolle spielt. Lea’s Apartment ist „Good music full of Sunshine Swing“ und verpackt verträumte Texte in beschwingter Musik.
durch und durch Retro
Neben der akustischen Genugtuung wird im Apartment auch vieles für das visuelle Auge produziert. Ob Musikvideos, Album- oder EP-Covers, Postkarten etc., der Rote Faden des stilvoll romantischen Retro Images zieht sich durch. Von den Aufnahmen, über die Bearbeitung bis hin zur Wahl der Outfits und Requisiten, fällt das Konzept aus der modernen Schnelllebigkeit und unterstützt die nostalgische „Kollektion aus tanzbaren Kurzgeschichten“. Eine Ausnahme stellt vielleicht ein Song, welcher den Titel „There Always is a Rainbow when a Fascist Dies). Selbstaussagend, elegant verpackt, untadelig ausgesprochen, was die Julia so denkt.
Unheimlich schön zu beobachten, wie viel Spaß die Band auf der Bühne hatte. Lea’s Apartment wirkten so unbeschwert, so glücklich und voller Freude da jetzt hier zu sein. Glückseliges Rumgehüpfe – dass die Brettln der Bühne sich nur so bogen!
Djaro & die anonymen Melancholiker
Djaro als Geschichtenerzähler, und die Anonymen Melancholiker als Band, sind die Headliner dieses Samstag Abends. Am Linzer Musikhimmel in kürzester Zeit sehr groß geschrieben, haben sich die Musiker weiter in ganz Österreich und sogar schon über die Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Merlin schreibt die Texte, singt Lead und spielt Gitarre. Christoph am Cello hatte an diesem Abend doppelt Action, nachdem er Magdalena Spinka bereits begleitete. Mit Lorenz am Akkordeon und Perkussionist Felix als jüngster Melancholiker, ist die Gruppe vollständig. Ihre „Linzer Chansons“ erzählen Alltagsgeschichten in dialektischem Deutsch, oder ab und zu in englischer Sprache.
Straßenbahn soll der erste Titel sein, eigentlich mit Anda Morts, doch heute ohne Anda Morts. Zügig fegten die ausgeruhten Sohlen zurück aufs Parkett und die Meute tanzte von der ersten Sekunde bis zum Ende durch. Das Publikum bestand aus einer großen Fangemeinde. Und alle, die die Band vielleicht noch nicht so gut kannten, gehören spätestens jetzt auch dazu. Neben Djaro haben auch die Melancholiker einige Gesangspassagen. Den größten Chor aber bildeten die Leute. So viele Menschen im Raum konnten so viele Zeilen aus den Texten problemlos mitsingen. Das war wirklich sehr besonders.
Und bestimmt eine willkommene Abwechslung für die Band, die erzählten wie fad und leblos die Leute am Vorabend in Innsbruck waren. Kurz wurde wieder das Thema Schallplatte angesprochen. Auch das dürft nicht so gut gelaufen sein. Wer sich wissen möchte, wie man eine lieber Platte nicht produzieren lässt, kann sich bei ihnen informieren. Neben Eigenkompositionen wurde ein Gedicht von Erich Mühsam vertont. „Der Revoluzzer“ ist über 100 Jahre alt. Wie leider viele Geschichten aus dieser Zeit, heute nicht weniger aktuell als dazumal.
z’haus lädt man die freund*innen ein
Weil es der Heimvorteil so schön anbietet, gab es an diesem Abend einen Gast. Naïm aka Monaik von Aist Connexion wurde laut begrüßt und sie performten zusammen Sandstrand. Eine Hommage an unseren geliebten Donaustrand in Linz. Er ersetzt zwar nicht das Meer, lässt aber mit viel Fantasie das Urlaubsgefühl, über die ins Meer fließende Donau, näher kommen. Noch ein gemeinsamer Song heißt VÉLO und handelt vom Radfahren. Er kam erst vor ein paar Wochen raus und wir durften an dem Abend dabei sein, als er zum ersten Mal live gespielt wurde. Noch eine tolle Sache: Djaro, Monaik und Magdalena Spinka haben grad einen Tag vor dem Konzert in der Stadtwerkstatt einen gemeinsamen Song veröffentlicht. Er trägt den Titel „Alle ziehen nach Wien“ und besitzt sehr hohen Wahrheitsgehalt! Gut dass die alle da waren, so konnte auch dieser Song Live-Premiere feiern.
Nach tosendem Applaus wär das Konzert an der Stelle vorbei gewesen. Natürlich wollten wir alle mehr, und es gab sogar zwei Zugaben. Die Stadt im Blick wurde zum ersten Song von Djaro und den anonymen Melancholikern. Eigentlich war die Absicht einen Track für eine Doku zu produzieren, was auch passierte. Aus dem Track wurde später ein Album und letztendlich eine Band, die sehr erfolgreich und beliebt ist. Mit Im Krankenhaus in Mazedonien, einer Real Story aus einem Krankenhaus in Mazedonien, findet der Abend einen runden Abschluss.
Ich möchte gerne an der Stelle die Webseite von Djaro & den anonymen Melancholikern noch erwähnen. Oder einen Besuch auf der Seite sogar nahelegen. Man findet Infos zur Musik und den Musikern, Fotos, Videos, Termine; aber auch die Lyrics der Songs zum nachlesen, mitsingen oder genauer verstehen. Und man findet auch heraus, von dem die nicen Single- oder Album Artworks und das coole Backdrop sind.
Großartig!
all in all
Großartig war der ganze Abend! Diese tolle, zufriedene Stimmung auf und vor der Bühne, zog sich über den ganzen Abend. Diese drei Acts könnten zwar eigene Konzerte für sich spielen. Trotz, oder vielleicht wegen ihrer Varietät haben sie dennoch super harmoniert und zusammengepasst. Auch auffallend, sie haben sich auf eine besonders wertschätzende Art die Bühne geteilt. Die Stadtwerkstatt war ab der ersten Künstlerin super gut besucht, jeder der Acts erhielt volle Aufmerksamkeit und auch volle Energie vom Publikum. Alle schunkelten fröhlich mit, viele schunkelten fröhlich nach Haus.
