Nick Olivieri: „Wenn du aufhörst nervös zu sein, bist du wahrscheinlich tot“

 

Nick Oliveri, Ex „Kyuss“- und und Ex „Queens of the Stone Age“ Mitglied – der wilde Rocker schlechthin, der sowohl auf der Bühne wie auch im Interview erstaunlich einfühlsame und witzige Seiten zeigen kann. Ein ganz persönlicher Bericht über einen Abend, der weder für ihn noch für mich verlief wie geplant.Dienstag,17.November, 19:00 Uhr, Spinnerei Traun.Völlig unvoreingenommen, ohne Erwartungen und mit Diktiergerät und Kamera bewaffnet, erscheine ich zum vereinbarten Interview Termin – jedoch ist kein Nick Oliveri in Sicht. Resignation macht sich breit. Ein wenig enttäuscht beschließe ich, mir meine Laune nicht trüben zu lassen und mir dennoch die Show anzusehen.

Erst kurz vor 20:00 Uhr kann man anhand des Soundchecks einen schwachen Eindruck des kommenden Akustik-Sets gewinnen. Gänzlich überrascht von den Klängen betreten ich und Isi, Bassistin und Teilzeitsängerin der Linzer Band Costa de la Muerte, die doch etwas klein gehaltene Halle.

Ohne Umschweife und mit einer mit Stickern vollgepflasterten Gitarre fängt Nick mit der Show an. Erstaunlicherweise braucht er einige Zeit, um mit dem Publikum warm zu werden. Nach wenigen, mitunter sehr emotionalen, Songs, gelingt es ihm schließlich, doch ein Paar Worte an die Zuschauer zu richten und dafür auch einige Lacher zu ernten. Sichtlich lockerer knallt er uns, teilweise gesanglich unterstützt von seiner australischen Freundin Michele Madden, ein Lied nach dem anderen um die Ohren. Darunter auch „Gonna leave you“ von Queens of the Stone Age, das er seiner Ex-Frau widmet.

Dann passiert das, was nicht passieren sollte: eine Saite reißt. Fatal, wenn man nur von einer akustischen Gitarre begleitet singt. Nick lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und fängt unerwarteter Weise an, die Saite zu wechseln. Ein lautes „Boring!“ eines Fans kontert er mit witzigen Meldungen und der nicht ganz ernst gemeinten Drohung, besagten Fan zu verprügeln.

Eine knappe Stunde ist vergangen als er sich dann doch ganz brav bedankt und Richtung Backstage verschwindet. Wenig später finden wir ihn Autogramme schreibend vor der Bühne wieder – und endlich beginnt das, wofür ich eigentlich gekommen war: das Interview!


Noch ganz aufgekratzt von der Show sitzen wir Backstage, wo Nick anfängt, genüsslich an einer Pizza zu kauen.Martina: Ich dachte du warst vorher Essen?
Nick: Ich bin noch immer vor jeder Show nervös und kann nicht immer etwas essen.

Martina: Du hast wirklich noch Lampenfieber?
Nick: Ja klar, so richtig mit Zittern und allem, was dazu gehört. Ich denke das ist normal. Wenn du aufhörst nervös zu sein, bist du wahrscheinlich tot. (lacht)

Martina: Wie gefällt dir Österreich bis jetzt?
Nick: Ich liebe es! Meine Großmutter stammt aus Österreich. Meine Blutlinie ist ziemlich weitläufig. Österreich, Italien, Jugoslawien und Schweden. Jemand hatte anscheinend viel Sex mit den unterschiedlichsten Leuten. (lacht)

Martina: Hast du schon Linz gesehen?
Nick: Nein. Ich habe bis jetzt in Salzburg und hauptsächlich in Wien gespielt. Das ist jetzt das erste Mal in Traun und morgen ist Klagenfurt dran.
Michele: Bei einem so straffen Tourplan hat man kaum Zeit, Städte zu besichtigen. Man geht dann doch eher ins Hotel und schläft ein wenig. Im Van ist das kaum möglich.

Martina: Gibt es starke die Unterschiede zwischen Österreichern und Amerikanern?
Nick: Amerika ist übers Land verteilt ganz unterschiedlich und ich denke, das ist hier das Selbe. Man trifft tolle Menschen überall im ganzen Land verstreut, du fährst nach Los Angeles und hast dort wunderbare Freunde – und dann gibt es ein paar Leute, die völlig gestört sind. (lacht) In Los Angeles gibt es außerdem keine Musikszene, außer du machst HipHop oder Dance. Ich habe nichts gegen diese Musikrichtungen – was auch immer die Leute machen wollen ist okay, aber es gibt dort keinen Rock´n´Roll. Das ist eigentlich Schande, weil das das ist, was ich zu spielen versuche. (lacht) Es ist schwierig, von Rock zu leben.

Martina: In Österreich ist es ähnlich. Wir haben ein gute Underground-Szene, aber es ist schwer, aus Österreich raus zu kommen, wenn man es drauf anlegt.
Michele: Jeder sagt das über sein eigenes Land. Keiner ist in seinem Land geschätzt. Es geht darum, wie abgeschreckt du bist und um den Mut, den Rest der Welt zu ignorieren und einfach dein eigenes Ding durchzuziehen.
Nick:
Australien hat eine ziemlich rockige Geschichte.

Martina: Mir fällt spontan nur Silverchair ein, die auch bei uns bekannt wurden.
Michele: Oh mein Gott, lass uns mal mit ACDC anfangen, lass dich von mir belehren (lacht) – da gibt es die Tourettes, Non Chocolate Superfly und noch unzählige mehr – es gibt eine große Punk und Rock Bewegung in Australien.
Nick: Aus Neuseeland kommt auch viel gute Musik.
Michele: Nein Schatz, das sind nur Leute die Sex mit Schafen haben… (lacht)

Martina: Warum machst du nur eine eher kleine Klubtour – und warum akustisch und solo?
Nick: Naja, seit ich nicht mehr bei den „Queens of the Stone Age“ spiele, versuche ich wieder Fuß zu fassen. Momentan spiele ich bei Mondo Generator und versuche, was auf die Beine zu stellen mit Leuten, die gerne Musik machen. Es ist hart, in L.A. zu leben und in einer Stadt, in der es kaum jemanden gibt, der das wirklich machen will, eine Band zusammen zu halten. Ich habe vorher nur mit Freunden zusammen gespielt. Zu viele Menschen wollen nur aus materiellen Gründen bei einer Band sein, wo doch Musik der einzige Grund sein sollte, in einer Band zu spielen. Es ist leider wirklich schwierig für mich, das in L.A. zu finden. Ich habe in Australien eine großartige Band gefunden (High Test, Anm. d. Red.), von denen ich denke, dass das funktionieren könnte.
Michele: Er hat mit ihnen gemeinsam auf der Bühne einen Song gespielt und es war einfach unglaublich. Ich habe dann gesagt, sie sollen doch was gemeinsam machen.
Nick: Ich denke, dass sie das aus den richtigen Gründen, nämlich der Musik wegen, machen und ich freue mich, mit ihnen eine Platte zu machen. Das wird fantastisch!

Michele: Sie sind definitiv die Richtigen.
Nick: (flüstert) Halt die Klappe.

Martina: Lass sie doch auch reden.
Nick: Ich mach das mit ihr den ganzen Tag. (lacht)
Michele: Ich habe ein wunderschönes Tattoo am Rücken. Das ist wie eine Zielscheibe – wenn ihm langweilig ist und ich den Raum verlasse, kann er etwas nach mir werfen.
Nick: Nein, die Zielscheibe ist dein Hintern. (lacht)

Martina: Okay, zur nächsten Frage. Wenn es dir gefällt ist es ja gut. Ihr scheint ja wirklich gut zusammen zu passen.
Nick zu Michele: Es tut mir leid.
Michele: Okay, ich will unbedingt eine Kopie von dieser Kassette! (lacht)

Martina: Da ist keine Kassette drinnen, alles digital
Michele: Verdammt!

Martina: Ich habe viele Fotos von dir gesehen, bei denen du nackt auf der Bühne stehst. Machst du das nur zum Spaß, oder bist das einfach du?

Nickt: (lacht) Manchmal mache ich das nur zum Spaß, aber Akustik ist schon nackt genug. Du kannst dich hinter nichts verstecken. Ich habe realisiert, dass ich noch nie zuvor so nackt war auf der Bühne. Du bist da ganz alleine und es liegt nur an dir, etwas zu tun, dass für das Publikum interessant ist. Es ist etwas vollkommen anderes, wenn du zum Beispiel zwischen den Songs etwas redest. Ich hatte damit immer Schwierigkeiten. Egal was du sagst, ob du Lacher erntest oder nicht, das Publikum merkt sich das ja.


Martina: Was war das verrückteste, dass dir jemals auf der Bühne passiert ist?
Nick: Ich wurde in Brasilien einmal auf der Bühne verhaftet, weil ich nackt gespielt habe. Das war wirklich verrückt! Du siehst ja überall im Fernsehen, dass sie im Karneval fast nackt sind. Überall sieht man Busen und sie sind dort ziemlich liberal, was das angeht – obwohl es ein tiefreligiöses Land ist.
Michele: Die gehen auch so Milch kaufen!
Nick: Während der Show ist ein Richter am Rand der Bühne mit seiner Tochter gestanden – sie wollte uns sehen, war aber erst vierzehn. Er sieht mich also nackt und dachte, dass sich das nicht gehört und hat sich darüber echt aufgeregt. Ich hatte ja keine Ahnung, hatte einfach nur meinen Spaß. Unser Tourmanager hat gesagt, ich soll mir Hosen anziehen sonst verhaften sie mich. Er hat mir seine Unterwäsche gegeben.
Michele: Eine Feinripp für alte Männer. (lacht)
Nick: Er sagte „Zieh meine Unterhose an!“ und ich antwortete „Bist du high oder was? Ich zieh doch nicht deine Unterhose an!“. (lacht) Sie haben mich also verhaftet und mich zu einer Art Wohnwagen gebracht, sehr weit weg. Ich bin kein Mensch, der leicht Angst bekommt, da aber hatte ich Angst. Alle haben portugiesisch gesprochen, ich habe ja kein Wort verstanden. Mein Tourmanager hat mir nur zugerufen „keine Sorge, ich bekomm dich da raus!“. Jemand hat mir dann übersetzt, dass der Richter nur will, dass ich mich entschuldige, was ich dann auch getan habe.Martina: Und das wars?
Nick: Ich habe ihm erklärt, dass wir eine zirkusähnliche Band sind (hüft dabei im Raum umher) und dass wir besser in den Karneval passen würden als auf eine Festivalbühne – und dass ich sein Land liebe.

Martina: Das sagst du wohl über jedes Land.
Nick: Nein, ich war ja in ernsthafter Gefahr, ich war immerhin im Knast. Im Nachhinein war der Richter dann total nett. Wir (Queens of the Stone Age – Anm. d. Red.) waren für eine ganze Woche in Brasilien und keiner hast sich um uns gekümmert. Unsere Hotelzimmer lagen im siebzehnten Stock und Axel Rose von Guns´n´Roses war auch im selben Hotel. Er hatte den kompletten Stock gemietet und wir dachten nur „Was macht der mit einem ganzen Stock?“. Wir hatten uns auf unsere Zimmer geschlichen um Interviews zu geben, da hat ein großer Mann an unsere Tür geklopft und gesagt: „Ich bin der Leibwächter von Axel Rose und will, dass ihr hier verschwindet“.
Michele: (lacht) Axel´s Radar hat da wohl voll ausgeschlagen.
Nick: (lacht) Wir haben uns dann an die Bar gesetzt und da kam auch schon Axel runter, umringt von Leibwächtern. Einer ging vor ihm und ein kleines Kind wusste nicht, dass das Axel Rose war und ist mitten am Weg stehen geblieben. Der Leibwächter hat einfach seinen Kopf gepackt und es weggeschupst. Wir waren alle total schockiert und sind dann in Richtung Pool gegangen und da war Britney Spears. Ich und die Jungs haben ein paar Kurze gekippt und da sagt ein Freund von mir „Ich wette mit dir um hundert Dollar, dass du dich nicht traust, vor Britney die Hosen runter zu lassen“. Ich bin dann durch den Pool geschwommen, vorbei an ihren fünf Leibwächtern, und hab mir die Hose ausgezogen und sie ausgewrungen. Britney hat nur große Augen gemacht und „whhaaat…“ gesagt (lacht).

Martina: Bereust du etwas in deinem Leben?
Nick: Nein.

Martina: Nicht einmal deinen Rauswurf bei den „Queens of the Stone Age“?
(Anm. d. Red.: Nick wurde aus der Band geworfen, weil er angeblich Josh´s Frau Brody Dalle, Frontfrau der Distillers, und seine eigene, mittlerweile Ex-Frau, geschlagen hat)
Nick: Nein. Ich wollte nicht, dass das passiert, es ist aber nun mal passiert. Man lernt einfach damit umzugehen und lebt sein Leben weiter. Ich bereue nichts.

Martina: Du und Josh vertragen sich wieder?
Nick: Ja, klar. Wir sehen uns auch ab und zu. Es ist alles okay.

Martina: Hast du Ratschläge für junge Bands, die noch keinen Plattenvertrag haben?
Nick: Macht einfach euer Ding und lasst euch nicht beirren. Ich war sowohl bei großen Plattenfirmen untern Vertrag als auch bei Independent Labels – und die Major Labels sind schlimm.

Martina: Drücken sie Bands in eine bestimmte Richtung?
Nick: Nicht immer, aber so wie es bei allen großen Firmen ist, werden Leute gefeuert, Bands einfach rausgeworfen. Sie rammen einem das Messer in den Rücken. Träume sind toll und man sollte nie aufhören, Träume zu haben, nie aufhören, Musik zu machen. Man sollte sich besser einen „freundlichen“ Geschäftspartner suchen, sich an ein Independent Label wenden. Das arbeitet mit dir und wächst mit dir.

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Foto: Martina Hahn