crossingEurope Kritik: „Silent Voices“

Ein Gefängnis und drei Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: „Silent Voices“ („Qu’un seul tienne et les autres suivront“) verbindet mehrere gleichermaßen turbulente und dramatische Handlungsstränge, die sich im Trakt D der Haftanstalt in Marseille treffen.

Besonders beeindruckend ist die Geschichte von Laure, einer 16-jährigen fußballbegeisterten Französin, die sich in den herumstreunenden Alexandre verliebt. Nach dem ersten Kuss wird der Liebste blöderweise verhaftet und die beiden müssen ihre Liebe und deren Folgen im Besucherzimmer des Gefängnisses ausleben.

Mörder und Betrüger
Die zweite Geschichte erzählt von einer Mutter, die sich auf die Suche nach dem Mörder ihres Sohnes macht. Getrieben von ihrem Kummer, knüpft sie eine enge Verbindung zur Schwester des Mörders und plant die Begegnung mit dem Mann, der ihren Sohn erstochen hat. Im selben Besucherzimmer trifft Stéphane auf seinen Doppelgänger, dem er ein Leben in Freiheit ermöglichen soll. Der junge Mann hat nichts mehr zu verlieren: ohne Selbstbewusstsein und Geld stolpert er tölpelhaft durchs Leben, unfähig, sich mit mehr als Videospielen auseinanderzusetzen.

Klare Helden
Wie seine Protagonisten irrt der Film von Regisseurin Léa Fehner zwischen den Geschichten und verdichtet sie zu einem klaren Bild von konfliktreichen Beziehungen. Durch die Situation im Gefängnis werden die Mikrokosmen der einzelnen Protagonisten verdeutlicht und dabei für den Zuschauer intensiviert. Klare Helden der Geschichten sind die vermeintlich schwachen Frauen, die handelnd den passiven Fluss der männlichen Hauptdarsteller unterbrechen und neue Handlungsweisen ermöglichen.

Fazit
rating_3_points
Eine spannende Nahaufnahme von innerlich Zerrissenen. Die Grenze zwischen Freiheit und Gefangensein verschwimmt, die Sympathien liegen auf beiden Seiten und lassen keine Unterscheidung zwischen Gut und Böse zu.