Kontrust: „Als Künstler nehme ich mir das Recht, das zu tun, was ich will“

Nur wer nach hinten blickt und Vergangenes Revue passieren lässt, kann fokussiert und zielgerichtet in die Zukunft blicken. Für Kontrust war 2010 das wichtigste Jahr ihres Bestehens. Die letztjährigen Amadeus Award-Gewinner blickten noch einmal mit subtext.at zurück – und gleichzeitig auch nach vorne. Ein Gespräch mit Stefan Lichtenberger (voc) und Agata Jarosz (voc) über Popularitätsschübe, Musiklandschaften und Fahrräder.

subtext.at: Was kommt euch zuerst in den Sinn, wenn ihr an Musik im Jahr 2010 denkt?
Stefan Lichtenberger: Für uns war es ein besonders gutes Jahr. Durch die Tour und die ganzen Konzerte in den Niederlanden, haben wir grandiose Erfahrungen gemacht. Dann auch die Nominierung und der Gewinn des Amadeus. Wir waren wirklich sehr zufrieden mit dem Jahr 2010.

subtext.at: Haben Kontrust ihr Mainstreampotenzial in den letzten Jahren unterschätzt?
Stefan: (überlegt kurz) Interessant ist, dass wir beispielsweise in den Niederlanden unter Mainstream fallen. Man findet uns nicht in den Kategorien „Rock“ oder „Hard ’n‘ Heavy“. Dort gibt es eine gänzlich andere Musiklandschaft und Kultur als bei uns in Österreich. Wir sind unter Pop eingeordnet und das spiegelt sich auch bei den Zuschauern wieder.

subtext.at. Wenn sich etwas schnell verändert, kann man sich schnell verloren fühlen. Konntet ihr die Schubkraft durch Amadeus Award im Endeffekt für euch nutzen?
Stefan: Amadeus auf jeden Fall. Letztendlich liegt es aber bei jedem Künstler selbst, was er dann daraus macht. Es ist kein prämierter Preis, aber man hat die Möglichkeit, extrem viele Kontakte zu knüpfen und Connections zu legen. Es läuft ganz gut und die Nachwehen sind noch vorhanden (lacht).

subtext.at: Der Preis wird ja auch durch die Votings der Fans bestimmt.
Agata Jarosz: Eine Jury trifft eine Vorauswahl von fünf Bands.
Stefan: Vier sind es. Pro Kategorie werden vier Bands von der Jury nominiert, ein Künstler kommt durch den Endverbraucher dazu, durch die CD-Verkäufe. Aus diesen fünf Bands findet dann das Online-Voting statt, wo dann auch der Gewinner ermittelt wird.

subtext.at: Wurde im letzten Jahr mehr Wert auf den Inhalt gelegt oder auf eine glänzende Oberfläche?
Stefan: Eine gute Frage (lange Pause). Es kommt darauf an, in welche Richtung man es jetzt definiert. Vielleicht können das sogar Außenstehende besser beurteilen. Wir machen genau das, was wir schon in den letzten Jahren gemacht haben. Wir wissen genau, was wir vorhaben, wir kennen unsere Ziele und unsere Inhalte. Ich tue mir da schwer, weil ich einfach zu viel in diesem Musikscheiß drinstecke (lacht). Natürlich gibt es Sachen, denen man sich schwer entziehen kann, siehe Skero und „Kabinenparty“. Da steht der Spaßfaktor von Musik mehr im Vordergrund.

subtext.at: Jemand meinte zu mir, dass, wenn „Kabinenparty“ in einem Land wie Österreich Song des Jahres werden kann, es ein sehr trauriges Zeichen ist.
Stefan: So weit würde ich jetzt nicht gehen. Die Nummer ist witzig, das war auch irgendwo der Hintergrund und die Absicht dahinter. Was aus solch einer Nummer dann wird, beeinflusst weniger der Künstler selbst, sondern die Medien. Ich weiß nicht, ob Skero den Song unbedingt als Charthit angelegt hat. Glaube ich jetzt weniger. Er hat definitiv etwas in der österreichischen Musiklandschaft hinterlassen. Kann man nicht leugnen und würde ich jetzt nicht als Armutszeugnis sehen. Mir fällt ein Zitat von Josef Hader ein: „Wenn Volksmusik ein Kriterium von Maastricht wäre, hätte es Österreich nie in die EU geschafft.“

subtext.at: Was braucht eine Band, um auf der Bühne oder auf einem Festival bestehen zu können?
Agata: (zögernd) Ich kann nur sagen, was wir gebraucht haben: Spaß an der Sache war und ist das Wichtigste. Sich selbst treu zu bleiben ist auch wichtig, weil das Publikum das merkt. Bei uns ist das in jeder Hinsicht der Fall. Wir ziehen unser Ding durch und lassen uns nicht dreinreden. Die einen finden das gut, die anderen finden es überhaupt nicht gut. Die Festivals haben sich ausgezeichnet durch extrem viel Spaß auf der Bühne, viel Energie und viele Publikumsinteraktionen.
Stefan: Und fast immer schönes Wetter. Wir waren immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Agata: Das stimmt. 2010 sind wir immer der Sonne entgegen gefahren, 2009 von ihr weggefahren (lacht).

subtext.at: Macht ihr Musik, um vordergründig dem Publikum zu gefallen?
Agata: Ich würde sagen: Definitiv nein (lacht).
Stefan: Für jede Art von Musik gibt es ein Publikum. Die Frage stell sich eigentlich nicht. Es ist schön, wenn jemandem die Musik gefällt, die man selber macht, aber ich kann von keinem verlangen, dass es ihm jetzt gefallen muss. Jeder kann sagen, dass er es scheiße findet – ohne Argumente. Damit muss man leben. Als Künstler nehme ich mir das Recht, das zu tun, was ich will.

subtext.at: Wie reagiert ihr, wenn der Zuspruch bei einem Auftritt schwächer ausfällt?
Agata: Nachdem wir selber auf der Bühne immer so viel Spaß haben, ist uns das… (bricht ab) Normalerweise ziehen wir das Publikum stets mit.
Stefan: Hauptsache die Kohle stimmt (lacht)!
Agata: Es stehen immer ein paar Leute unten, denen es gefällt, und für die spielt man dann. Man spielt ja nicht für die Leute, die nicht da sind, sondern für die, denen es gefällt.

subtext.at: Welche Stimmung wollten Kontrust 2010 verbreiten?
Agata: Positive…
Stefan: Punkt (alle lachen).

subtext.at: Muss gute Musik 2011 noch polarisieren oder nicht?
Stefan: Zum Teil schon. Es ist schon ganz gut, wenn man hin und wieder mal irgendwo aneckt. Ich kann mir aber keine Band anhören, die in jeder Nummer politischen Background einbezieht – da geht für mich der Spaßfaktor verloren. Sollte im Endeffekt immer dabei sein, ist ja doch Unterhaltung. OK, wir reden von Kunst, von Kultur, aber vor allem der Liveaspekt ist dann Unterhaltung. Wenn man einen gewissen Anspruch hat, dann sollte man es beibehalten. Da sind wir dann auch wieder bei „Kabinenparty“ – kann man auch sehr wohl hinterfragen.
Agata: Als Künstler hat man die Möglichkeit, verschiedene Themen anzusprechen und es dem Publikum auf eine lustige und ironische Art und Weise näherzubringen. Das ist auch das Schöne am Künstlersein – das man das machen kann. Es hören einfach mehr Leute zu als bei einem Normalsterblichen. Vielleicht hat man als Künstler sogar ein wenig die Verpflichtung, das zu tun. Wenn man es möchte, sollte man es tun, wenn nicht – auch gut. Man kann, man muss aber nicht.

subtext.at: Was werdet ihr heuer definitiv vermeiden?
Stefan: Das wir wieder so viele Drumsticks, Felle und Batterien brauchen wie 2010. Vielleicht auch ein bisschen weniger Kilometer zu fahren. Wäre ganz angenehm. Wir bräuchten jedoch ein paar Lamas fürs Equipment und Gepäckträger, falls irgendjemand noch seinen Neujahrsvorsatz einlösen möchte (lacht).

subtext.at: Habt ihr euch über Dinge aufgeregt, die ihr nicht selber beeinflussen könnt?
(lange Pause)
Agata: Vielleicht nicht aufgeregt, aber diskutiert – über verschiedene Medienlandschaften, wie sie hier und dort funktionieren.

subtext.at: Welche Band hat im letzten Jahr alles falsch gemacht aus eurer Sicht?
(lange Pause)
Agata: Wir waren so viel unterwegs, da haben wir gar nicht so viel mitbekommen von den anderen (lacht).

subtext.at: Welche Gruppe hat alles richtig gemacht?
(wieder langes Schweigen)
Stefan: Ich google mal und schicke dir die Antwort per E-Mail (lacht). Die Kings Of Leon sind ein Paradebeispiel dafür, wie man alles richtig machen kann. Falsch: David Hasselhoff.
Agata: Der hat aus meiner Sicht alles richtig gemacht, weil er wieder auf Tour war (lacht).
Stefan: Richtig abgekackt haben Guns ’n‘ Roses.
Agata: Ist die Whitney Houston nicht zerrissen worden?
Stefan: Volbeat haben auch alles richtig gemacht.
Tourtechniker: Alles richtig gemacht haben Avenged Sevenfold, Thirty Seconds To Mars, Green Day und Rammstein.
Agata: Bei Rammstein muss ich mein Veto einlegen, aber Lady GaGa hat alles richtig gemacht!
Stefan: Sie hat sich keinen Kopfschuss gegeben (lacht).
Agata: Sie war der Star des Jahres, ohne wenn und aber.

subtext.at: Von welcher Gruppe erwartet ihr euch heuer am meisten?
Stefan: Iron Maiden. Definitiv!

subtext.at: Mit welchen Dingen wurdet ihr letztes Jahr am meisten konfrontiert?
(längere Pause)
Agata: Mit der niederländischen Sprache, mit ganz ganz viel Dirndl und Trachten und dieser ganzen Szene.
Stefan: Mit viel flachem Land.
Agata: Dort gibt es auch gar keine Berge. Und mit 1000 Fahrrädern, die an jeder Ecke zu finden waren.

subtext.at: Könnt ihr 2011 zu musikalischen Botschaftern des eigenes Landes werden?
Agata: Das wäre sicherlich schön, obwohl wir eigentlich nicht österreichische Musik machen.
Stefan: Ich weiß nicht, ob ich Botschafter sein möchte – aber wir benehmen uns artig (lacht).

Links & Webtips:

kontrust.info
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Foto: Kontrust

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