Crossing Europe Kritik: Neukölln Unlimited! – Tanz für dein Bleiberecht

Abschiebefälle kommen oft erst in die Medien, wenn es soweit ist, dass Leute auf Wiedersehen sagen müssen oder Kundgebungen für sie veranstaltet werden. Fälle wie Melitus  (seit mehren Jahren Straßenzeitungsverkäufer in Linz) oder Ganaa (seit sechs Jahren Teil einer Gastfamilie in Steyr) gingen unlängst durch die Medien.

Ausbildung, die deutsche Sprache, Freunde, Talent – das alles haben auch die drei Geschwister im Dokumentarfilm „Neukölln Unlimited“ von Agostino Imondi und Dietmar Ratsch. Hassan ist Tänzer und “Leithammel” der Familie, seine Schwester Lial tanzt und singt, der jüngere – Maradona – tanzt Breakdance und ist darin einer der Besten in Deutschland. Und das mit 15 Jahren. Leider ist er in der Schule alles andere als Spitze. Genau hier liegt die Stärke des Films. Er zeigt die Geschwister, die mit ihrer libanesischen Mutter alleine im Berliner Stadtteil Neukölln leben, mit ihren Macken, Stärken und Schwächen. Junge Leute eben, da kann nicht alles perfekt laufen, ist man geneigt zu schreiben. Nur, dass es da einen Haken gibt: Sie müssen alleine für den Unterhalt der fünfköpfigen Familie aufkommen. Der Vater hat sich abgesetzt, ihre Mutter muss zu Hause bleiben und auf den Kleinsten schauen. So tragen sie Monat für Monat ihr Geld zusammen, damit die Familie legal im Land bleiben darf. Libanesisch kann außer der Mutter keiner von ihnen.

Der Film lebt vor allem von den spektakulären Breakdance-, Sing- und Tanzsequenzen, die den eher grauen Alltag der Jugendlichen kontrastieren. Das Schöne daran: die Geschwister werden nicht als Opfer dargestellt. Sie kämpfen mit ihrem Schicksaal, schöne Momente wechseln mit Niederlagen. Eine mitreißende Geschichte über drei Geschwister, die den Libanon nur vom Hörensagen kennen und dennoch um Asyl im eigenen Land – Deutschland – kämpfen müssen.

Michael Gams ist Chefredakteur der Frozine, dem täglichen Radiomagazin von Radio FRO.