Posthof-Musikchef Kremser: „Wir wollen Leute ansprechen, die den Posthof nicht kennen“

Gernot Kremser ist hauptverantwortlich dafür, was die Bühnen der Linzer Zeitkultur-Institution Posthof bespielen darf. In der neuen Saison hat sich viel geändert – im Interview nimmt er Stellung zu neuen Formaten und der Streichung von alten sowie zur Neuausrichtung des Hauses.

subtext.at: Gernot, du startest in deine zweite Posthof-Saison. Ein kurzes Resumee über den vergangenen Sommer…
Gernot Kremser: Der Sommer war recht arbeitsreich. Bei uns ist der Sommer zwar spielfrei, ansonsten ist aber relativ viel los. Wir haben das Haus renoviert, eine neue CI (Corporate Identity, Anm.) aufgebaut und sind weg vom alten Posthof-Magazin, das die verschiedenen Teile des Posthofes gegenübergestellt hat und etwas sperrig kommuniziert hat, umgestiegen auf einen schlankeren, flexibleren Programmfolder. Das war anfangs etwas ungewiss, wie das werden wird, im Endeffekt sind wir damit aber zufrieden.

subtext.at: Stichwort neue CI – war das der bewusste Abschluss mit dem Posthof der letzten Saisonen, oder gab es andere Hintergedanken?
Gernot Kremser: Da gibt es mehrere Gründe. Neuanfang ist natürlich einer davon. Wir wollen uns musikalisch etwas näher an das Hier und jetzt annähern und uns neu orientieren – an die Popkultur-Realität. Die alte CI hat es ja auch schon lange gegeben – da sollte schon etwas neues her. Wir haben ja auch den Slogan „Zeitkultur am Hafen“ – da sollte die Zeitkultur dann auch mehr Platz bekommen, und die neue CI gehört da dazu. Du und ich kennen den Posthof – wir wollen aber auch Leute ansprechen, die den Posthof noch nicht kennen.

subtext.at: Was uns schon weiter zum Programm führt. Wenn man mit Vertretern von FM4 gesprochen hat, dann hat man immer gehört, dass Linz für FM4 wenig interessant ist. Will der Posthof mit der stärkeren Präsenz der „Popkultur“ diese Lücke schließen?
Gernot Kremser: Ich glaube, dass das auch der Auftrag des Posthofs ist, oder zumindest einer davon. FM4-Publikum ist mittlerweile schon zur Marke geworden – das ist offenes Publikum, das viele Genres hört. Nicht umsonst war einer meiner ersten Wege nach Wien zu FM4, um mit ihnen zu reden. Auch das erste Konzert, die Wave Pictures, waren eine Kooperation mit dem Wiener Waves-Festival. Von FM4 ist das sehr gut aufgenommen worden, als ich ihnen das Programm präsentiert habe.

subtext.at: Provokant gefragt: Wenn man sich die Reichweite von FM4 ansieht, ist das ja ein sehr überschaubarer Marktanteil. Kann das wirklich der Anspruch sein, sich auf diesen kleinen Bereich zu konzentrieren?
Gernot Kremser: Absolut, die Zahlen allein sind es nicht. Ich sage immer: „Die Mischung machts.“ Um ein Profil zu kriegen, musst du einerseits die spannenden, wichtigen Dinge holen – einfach um diese Dinge den Nicht-FM4-Leuten näher zu bringen, aber nicht ausschließlich. FM4 an sich hat sich ja auch entwickelt und ist nicht mehr nur diese Nische – mein Ansatz ist es aber auch, ein Angebot zu bieten, das auch andere Leute interessieren kann. Pop und Popkultur hat ja auch immer den Anspruch, das größtmögliche Publikum zu erreichen. Das soll kein Abend für Freunde sein. Andererseits gibt es schon auch Sparten, die sich großteil selbst genügen.

subtext.at: „Sich selbst genügen“ – wenn man das Posthof-Programm der letzten Saison mit dem der heurigen vergleicht, dann fällt auf, dass etablierte Local-Events wie das Punkorama oder das Metal Overdose fehlen. Wenn man sich in diesem Bereich umhört, gibt es deswegen naturgemäß auch Kritik. Kann man es so formulieren, dass der Posthof nicht nur für die lokale Szene da ist, sondern sich mehr nach draußen orientiert?
Gernot Kremser: Das sehe ich überhaupt nicht so, da ist die erste Woche auch ein Beweis dafür. Wir haben neben den Wave Pictures mit Tussilago eine Linzer Band, und beim Indie Native auch Francis International Airport aus Wien.

subtext.at: Und außerhalb des Pop-Bereiches?
Gernot Kremser: Es ist auch so, bei größeren Acts genau diese Local Bands spielen sollen. Dass soll eben kein Abend für sich sein, wo Friends und Family der Band kommen, sondern das Publikum soll sich auch erweitern. Es wird aber im Frühjahr 2012 wieder das „Punkorama vs. Metal Overdose“ geben, soviel zur Beruhigung. In diesem Herbst machen wir das halt mal nicht, in der Vergangenheit war es sehr oft. Ich sehe das auch so, dass ich nicht weiß, ob der Posthof für diese regelmäßigen Veranstaltungen der richtige Ort ist, oder ob nicht Locations wie das Ann and Pat für die reinen lokalen Sachen besser geeignet wären. Auch vom generellen Auftrag her.

subtext.at: Der Posthof als „großer Bruder“ – danach folgen das Ann and Pat, die Stadtwerkstatt und die Kapu. Das bewegt sich alles um die Kapazität von 200 Leuten. Danach folgt schon der Posthof. Fehlt es nicht an einer „Zwischengröße“?
Gernot Kremser: Ich glaube nicht. Es gibt auch noch das Kuba, oder den Cembrankeller, der in verschiedene Richtungen geht. Auch Locations wie der Hafenstern passen da hinein. Es tut sich schon sehr viel. Der Posthof hat ja auch den kleinen Saal. Der Posthof muss aber nicht „nur“ die Großen bringen, sondern auch viele verschiedene Bereiche abdecken, wo auch für kleinere und lokale Artists Platz ist – er soll wie gesagt eher ein breites Publikum ansprechen.

subtext.at: Wenn ich nach hinten sehe, sehe ich das Plakat mit dem A.G. Trio für die „Come with me!“-Reihe, die neue Electroschiene. Ist das der Ersatz für „No Comment“ oder „Playaz Universe“, die Richtung Cembrankeller tendieren?
Gernot Kremser: Ich habe schon gesagt, dass der Posthof sich erneuern soll. Das gilt natürlich auch für den Electro-Bereich – da haben wir auch geschaut, was möglich wäre nach Linz zu holen. Wir wollten auch die Electro-Schiene verstärkt anbieten – warum sollen die Leute immer nach München oder St. Pölten fahren? Im konkreten Fall ist es so, dass wir mit Drum & Bass jetzt einfach einmal Pause machen. Die Szene bewegt sich ja auch zwischen Drum&Bass und Dubstep – ich bezeichne es immer als den Metal-Bereich in der Dancefloor-Szene. Total spannend, war auch sehr präsent im Posthof – und jetzt gibt es im Sinne der Erneuerung die Electro-Schiene (lacht). Natürlich gibt es hier auch Unbekanntes, wie das Neue aufgenommen wird. Mal schaun.

subtext.at: Kurz noch zu den größeren Veranstaltungen – die gehen meist von Konzertagenturen aus. Wenn man sich deren Kalender ansieht, kommt nach Wien lange nichts, dann die großen Eventzentren und danach, ganz klein, erst Graz und Linz. Ist Linz groß genug dafür?
Gernot Kremser: Ich denke schon – Linz muss hier Impulse setzen. Die Leute müssen ihre Favoriten auch vor Ort erleben können. Ein Haus wie der Posthof kann und muss es aushalten, wenn an einem Abend die Trackshittaz kommen, und am nächsten Tag Scott Matthew ein Konzert spielt. Das finde ich spannend.

subtext.at: Gibt es etwas, das in der letzten Saison nicht so funktioniert hat wie erhofft?
Gernot Kremser: Wenn man ehrlich ist und das kritisch betrachtet, dann habe ich gemerkt, dass es möglicherweise so ist, dass zum Sommer hin die Leute das Geld schon eher für Festival und Urlaub zur Seite legen als für Indoor-Konzerte. In meiner postitiven Naivität hab ich mir aber gedacht, dass, wenn das Angebot da ist, das schon klappen wird. Da muss man schon genau aufpassen. Bei dem ein oder anderen Konzert hab ich mir schon gedacht, dass doppelt so viele Leute gekommen wären, wenn das Konzert im Herbst gewesen wäre.

subtext.at: Die Shout out Louds?
Gernot Kremser: Wäre möglich (lacht). Es war aber trotzdem ein tolles Konzert – und der Posthof hat schon den Anspruch, den 500 Leuten, die zum Sommer hin kommen, das Angebot zu geben.

subtext.at: Stichwort Geld – Kultur und Konzerte sind ja kein billiges Hobby. Hat man in den letzten Jahren gemerkt, dass die Leute bei der Kultur sparen?
Gernot Kremser: Seit 2009 gab es zwei Strömungen. Einerseits das bewusste Aussuchen aufgrund der gefühlten wirtschaftlichen Entwicklung. Der andere Bereich war nach 09, dass die Leute gemerkt haben, dass es auch abseits vom Fernseher Möglichkeiten zur Unterhaltung gibt. Von der Auslastung her war 2010 und 2011 bislang sehr positiv. Ziel ist es, dass der Posthof hier auch für einen Qualitätsstandard steht.

Links und Webtipps:

Fotos: Posthof, Christoph Thorwartl

 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.