Das Eis ist dünn und die Felsen schroff

Ob in der aktuellen Sonderausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien, oder in Lars von Triers Meisterwerk „Melancholia“ – Pieter Bruegels Gemälde „die Jäger im Schnee“ scheint hoch im Kurs zu stehen. Was steckt dahinter?

Eine Gruppe erschöpfter Jäger stapft, in Begleitung ihrer schlaff und zermürbt wirkenden Hunde, durch ein tief verschneites Dorf. Ihre Ausbeute scheint mager zu sein, trostlos gesenkte Köpfe unterstreichen das Gefühl der Erfolglosigkeit. Bauern am linken Bildrand versuchen verzweifelt, dem außer Kontrolle geratenen Feuer Herr zu werden. Das nur noch an einem Haken hängende Schild an der Häuserfront, schwebt wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen und droht jeden Moment herabzustürzen. Frühe Formen des Eishockeys und Eisstockschießens, wie Bruegel sie darstellt, waren im 16. Jahrhundert durchaus beliebt. Wildes Treiben der Dorfbewohner auf dem Eis wiegt den Betrachter in der Gewissheit mittelalterlicher Dorfidylle. Durch die, im Hintergrund bedrohlich steil aufragenden Bergspitzen, wird diese radikal durchbrochen. Das Bild wechselt jeweils im Vordergrund, Mittelteil und Hintergrund seine emotionale Komponente und verdeutlicht dadurch die ambivalente Gesamtwirkung.


So, oder so ähnlich, ließe sich Bruegels Gemälde grob charakterisieren. Doch was steckt nun wirklich dahinter? Wie kommt es, dass das Bild einerseits zahlreiche Souvenirs, Postund Weihnachtskarten ziert und andererseits einen wichtigen Bestandteil Lars von Triers Untergangsszenarios darstellt?

Vorzeichen der Apokalypse
Die Menschen im Mittelalter lebten in ständiger Gefahr. Angst vor Krieg, Krankheit und Hungersnot prägte ihren Alltag. In den Wintermonaten hatten die Bauern kaum Beschäftigung. Häufig vertrieben sie sich die Zeit mit geselligen Festen, Spielen und sportlichen Aktivitäten. Eine Thematik die sich wie ein roter Faden durch Bruegels Werk zieht, ist seine Abscheu gegenüber dem lasterhaften und ausschweifenden Leben der mittelalterlichen Gesellschaft. Das Bild „Die Jäger im Schnee“ macht diese Haltung besonders deutlich, indem es ein bedrohliches Gefühl der Verzweiflung, dem der Ausgelassenheit und Unbekümmertheit gegenüberstellt. Wo der alpin-affine Betrachter winterliche Romantik, oder gar weihnachtliche Vorfreude verspürt, überkommt den anderen ein Gefühl der beklemmenden Ungewissheit. Bruegel lässt uns frei wählen, beide Betrachtungsweisen scheinen zu funktionieren. Dennoch, die trostlosen Jäger, die Feuer- Szenerie mit dem kaputten Schild, die bedrohlichen Bergspitzen im Hintergrund und die Krähen als Vorboten des Todes, verschaffen dem Bild eine melancholisch apokalyptische Aura.

Aktueller denn je?
Vielleicht bloß ein kleiner Fall von Winterdepression, doch angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen erscheint das Gemälde Pieter Bruegels erstaunlich aktuell. Die Jäger gehen erstmals leer aus, das Feuer ist kaum mehr zu bändigen, der Haussegen hängt schief und die Krähen warten bereits. Mangels Alternativen begibt sich das Volk aufs Glatteis, um dort seinen ewigen Tanz weiterzuführen. Doch das Eis ist dünn und die Felsen schroff. Wer angesichts des Gemäldes dennoch nicht verzagen möchte, halte sich an ein unverrückbares Naturgesetz: Der nächste Frühling kommt bestimmt!

Das Bild „Die Jäger im Schnee“ ist zur Zeit in der Sonderausstellung
„Wintermärchen“ im KHM Wien zu sehen.