Pröll: Oops, I did it again!

Noch vor zwei Jahren wollte Erwin Pröll für ein Amt kandidieren, dessen Abschaffung er nun öffentlich fordert. Warum sich der Zurufer der Nation wie ein Blatt im Wind verhält, aber diesmal dennoch richtig liegt.

Die Vorgangsweise kennt man: kaum kehrt in die Österreichische Innenpolitik etwas Ruhe ein, stößt der Niederösterreichische Landeshauptmann ins mediale Horn. Stets aus sicherer, ländlicher Entfernung tritt Erwin Pröll dann als Agenda-Setter – wie das auf Neudeutsch so schön heißt – in Erscheinung. Von Mehrheitswahlrecht, über Konzentrationsregierungen und Verfassungsänderungen, bis hin zur Energiewende und Schulkompetenzen in Länderhand, fordert Pröll dann stets ein Sammelsurium an visionären Veränderungen. Parteipolitisches Kalkül schwingt bei ihm durchwegs mit, denn stets setzt er die Themen so, um daraus größtmöglichen Nutzen für den Machterhalt in Niederösterreich oder Doping für die Bundespartei zu schlagen. Die Praxis der medialen Zurufe aus der fernen Länderbastion kennen wir in dieser Art und Weise schon von einem anderen Sonnenkönig. Jörg Haider beherrschte dieses Spiel aus dem Effeff. Soweit sogut. Diesmal scheint dem Niederösterreichischen Landeshauptmann gerade jenes Amt ein Dorn im Auge zu sein, wofür er noch vor zwei Jahren gerne selbst kandidiert hätte, dies jedoch aus mangelnder Siegesgewissheit – Niederlagen kommen für Pröll nicht in Frage – im letzten Moment verworfen hatte.

Bundespräsident abschaffen

Prölls neuester Zuruf an die Bundesregierung – im eigenen Bundesland hört der Landeshauptmann gegnerische Zurufe sonst freilich gar nicht gerne – betrifft eine Abschaffung des Amtes des Bundespräsidenten in seiner jetzigen Form, einer Verkleinerung der Landtage und des Nationalrats, sowie eine Reform der Interessensverbände und des Bundesrates.

Ein Blick zurück

Das Amt des Bundespräsidenten wurde im Bundesverfassungsgesetz von 1920 als monokratisches Organ und ohne Volkswahl geschaffen. Gewählt sollte der Präsident durch die Bundesversammlung, bestehend aus National- und Bundesrat, werden. Die damalige Parlamentarismusfeindlichkeit der christlich-sozialen Partei und deren Wunsch nach einer autoritären Staatsführung , veranlasste die Gesetzgeber zur Novellierung von 1929, im Zuge derer die direkte Volkswahl, sowie eine Stärkung des Präsidentenamtes enthalten waren. In dieser Form gilt die Regelung bis heute. Repräsentation des Staates nach außen, Unterzeichnung der Gesetze gemeinsam mit dem Bundeskanzler, Oberbefehl über das Bundesheer, das Recht den Nationalrat aufzulösen, die Ernennung und Entlassung der Bundesregierung, Bundesbeamten und Offizieren, sowie Begnadigungen und der Erklärung unehelicher Kinder zu ehelichen – dies alles sind verfassungsmäßige Kompetenzen des Bundespräsidenten. Da das Amt jedoch als Spiegel seiner Zeit gesehen werden muss – nämlich der politisch turbulenten und unsicheren Zeit der ersten Republik – gibt es keinen vernünftigen Grund in seiner jetzigen Form daran festzuhalten. Österreich braucht keinen Ersatzkaiser mehr, der eine übergerodnete moralische Instanz verkörpern soll, dieser Aufgabe eine Einzelperson ohnehin nie gerecht werden kann.

Nationalratspräsident zum Vorbild nehmen

Das Schweizer Rotationsprizip, wie Pröll es vorschlägt, erscheint mir einleuchtend. Die Bundesversammlung, ursprünglich für diese Aufgabe konzipiert, sollte den Bundespräsidenten für etwa ein Jahr aus ihren Reihen wählen. Dieser könnte dann im Sinne eines Nationalratspräsidenten, als vermittelnde und geschäftsführende Instanz in Regierung und Ministerrat agieren. Staatsoberhaupt wäre formal und auch praktisch der Bundeskanzler.

Bundesrat reformieren

Noch viel wichtiger als die Reform des Bundespräsidenten erscheint mir eine längst überfällige Neu-Konzipierung des Bundesrates. Die Tatsache, dass 64 Bundesräte ohne realpolitisch relevanter Aufgabe rund 4.000 Euro beziehen, erscheint mir geradezu grotesk. Ursprünglich als Vertretung der Länder auf Bundesebene gedacht, kann er mit einem Beharrungsbeschluss des Nationalrates ganz leicht überstimmt werden und spielt daher im realpolitischen Gesetzgebungsprozess keine Rolle. Die Beschickung des Bundesrates durch Landtagsabgeordnete, die dort etwa sechs mal im Jahr zu einer Tagesvergütung Gesetze begutachten sollen, scheint daher weitaus sinnvoller zu sein.

Landtage und Nationalrat verkleinern

Für die Verkleinerung der legislativen Kammern scheint sich in Österreich langsam eine politische Mehrheit zu bilden. Hier ist jedoch meines Erachtens Vorsicht geboten. Die populistische Schlussrechnung, dass weniger Abgeordnete ein positives Signal zur Aufwertung der verbliebenen Politiker wäre und deren Popularität in der Bevölkerung erhöhen würde, kann sehr schnell zu Lasten demokratischer Grundsätze gehen. Österreich hinkt schon jetzt im EU-Durchschnitt bei der „Betreuungsquote“ der Bevölkerung durch die Mandatare – etwa 1 Mandatar auf 45.300 Bürger – etwas hinterher. Unbestritten hingegen sind nötige Reformen in der Verwaltung und in den aufgeblähten Interessensvertretungen quer durch alle politischen Lager.

Pröll und Häupl: Tabubrecher der Nation

Zu guter Letzt die interessante Beobachtung, dass Österreichs stolzeste Landesfürsten, nicht selten im Zuge einer nahenden Landtagswahl, den Tabubruch wagen und sich nicht zu schade sind, provokante Grundsatzdebatten aufs Tableau zu bringen. Während Häupl im letzten Wien-Wahlkampf noch die Wehrpflicht-Debatte ins Rollen brachte, überrascht Pröll nun mit seinen Aussagen zum Amt des Staatsoberhauptes. Wie auch immer die aus meiner Sicht längst überfällige Debatte weitergeht, wie weit sie reicht und was davon letztlich umgesetzt wird, liegt noch im Dunkeln. Für Pröll ist das im Hinblick auf seine private Machtbastion jedoch eher zweitrangig. Denn eines scheint bereits jetzt sicher zu sein: Niederösterreich wählt 2013 seinen neuen, alten Landesvater.

Pröll und Häupl – Tabubrecher der Nation

Fotos: Jakob Hürner Lizenz