IVY QUAINOO: „Die Leute finden mich authentisch“

Nach der Pflicht folgt die Kür: Gewinner von Castingshows müssen sich nach ihrem Sieg im TV besonders behaupten. Dieses Vorhaben gelingt, so ehrlich muss man sein, leider nur noch den wenigsten. Der Markt ist klein und er wird hart umkämpft.

Ivy Quainoo ging überraschend als Siegerin der ersten Staffel von „The Voice Of Germany“ hervor. Nun ist sie auf den Brettern, die für sie künftig die Welt bedeuten werden. Sie weiß, dass das Business schnelllebig ist und der Traum von der großen Karriere als Sängerin und Popstar alsbald wie eine Seifenblase zerplatzen kann. Mit einer famosen Leadsingle, auf die Geheimagent James Bond sicherlich mit einem geschüttelten Martini anstoßen würde, hat sich das Bond-Girl in spé Aufmerksamkeit & Lob verschafft.

Im Interview mit subtext.at kommen die Antworten von Ivy ruckzuck. Sie wirkt im Gespräch ein wenig nervös, doch herzensgut und aufrichtig. Natürlichkeit strahlt sie aus. Charme hat sie ebenfalls.

subtext.at: Ivy, welche Lieder sind aus deiner Sicht auf der Bühne am schwierigsten vorzutragen?
Ivy Quainoo: (wirkt etwas irritiert) Welche Lieder, jetzt vom Album oder wie?

subtext.at: Generell. Die langsamen, die schnellen oder die aufwühlenden Songs?
Ivy Quainoo: Jeder Song hat so seine Tücken. Bei einem schnellen Song, wo man sich auf der Bühne noch dazu bewegen muss, sollte man drauf achten, dass man es überhaupt hingebacken bekommt, sich auf der Bühne zu bewegen und zu singen (lacht). Bei einem emotional aufwühlenden Song muss man darauf achten, dass man nicht anfängt in Tränen auszubrechen. Ansonsten sind auch Songs da, die von der Tonlage her sehr hoch sind. Da muss man dann gucken, ob man das auch kann.

subtext.at: Ist es auch schwieriger, die Leute vor dem Bildschirm emotional anzusprechen oder dann doch eher das technische, einen Song überhaupt gesanglich zu meistern?
Ivy Quainoo: Beides, wobei es doch wichtiger ist, denn Leuten die Emotionen zu vermitteln. Es gibt viele Künstler, die von der Intonation nicht perfekt sind, die man aber trotzdem super findet. Es kommt auch immer aufs Genre an. Manche erfordern nicht die perfekte Tongenauigkeit, aber andere dann schon.

subtext.at: Was ist der Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Sängerin?
Ivy Quainoo: (lacht) Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. (überlegt) Das ist eine sehr komplizierte Frage. Stimme ist natürlich wichtig, aber nicht unbedingt. Es gibt technisch perfekte Sänger, die mir nicht zwingend am besten gefallen müssen.

subtext.at: Zu welcher Kategorie gehört die Florence Welch von Florence + The Machine, mit der du im Finale von „The Voice Of Germany“ aufgetreten bist?
Ivy Quainoo: Ich finde Florence hat eine sehr kraftvolle Stimme, sehr ausdrucksstark und mit viel Wiedererkennungswert. Ihre Stimme finde ich sehr gut. Bei ihr weiß man, sie trifft zwar nicht jeden Ton, aber das liegt daran, dass sie so damit beschäftigt ist, die Energie auf alle anderen zu übertragen. Bei ihr ist das egal, denn ihr ganzes Erscheinungsbild ist wichtig.

subtext.at: Kann man in drei bis vier Minuten eines Castingshow-Auftrittes überhaupt seine optimale Leistung abrufen?
Ivy Quainoo: Doch, ich denke schon, es geht. Manche können es besser, manche weniger. Im Halbfinale bei Kim waren das eineinhalb, zwei Minuten, die sie mit solcher Emotion gesungen hat, dass alle oben angefangen haben zu weinen (lacht). In kurzer Zeit ist das auch möglich, doch.

subtext.at: Von was oder wem hast du dich herausgefordert gefühlt?
Ivy Quainoo: (überlegt) Vor allem von den vielen Leuten draußen. Eigentlich bin ich nicht mit der Einstellung reingegangen, dass ich irgendwem etwas beweisen müsste. Nicht mal mir (lacht). Mir hat das so viel Spaß gemacht, bin einfach hingegangen und hab‘ gesungen.

subtext.at: Wie ist dein Bezug zur Kamera, wenn du gefilmt wirst? Blendest du sie aus, spielst du mit ihr?
Ivy Quainoo: Wahrscheinlich ist es nicht mein Spezialgebiet, aber wenn sich die Gelegenheit bietet, mit ihr zu spielen, dann mache ich das auch (lacht). Klar, wenn die Kamera direkt vor mir ist, dann gucke ich auch mal rein. Vor dem Fernseher sitzen ja auch Leute, die wollen mitkriegen, wer da singt.

subtext.at: Du bist am Anfang deiner Karriere. Startest du mit einer Mission, einem Ziel oder einer Botschaft?
Ivy Quainoo: (überlegt) Ich habe eher ein persönliches Ziel: Im nächsten und übernächsten Jahr noch da zu sein und Musik machen zu können.

subtext.at: Warum ist das so schwierig geworden?
Ivy Quainoo: Seit Ewigkeiten ist es für Castinggewinner schwer, aber auch für Newcomer, sich über Wasser zu halten. Ich hoffe und glaube, dass es anders laufen wird. Mal schauen.

subtext.at: Reicht Talent allein heutzutage aus, um eine Karriere als Sängerin voranzutreiben?
Ivy Quainoo: Auf jeden Fall nicht. Talent ist sehr wichtig, aber man muss auch gucken, ob man mit der ganzen Situation und der Aufmerksamkeit überhaupt klar kommt. Ob man versucht, im nächsten Moment schon abzuheben, wenn man auf der Straße erkannt wird. Da gibt es Dinge, die vielleicht wichtiger sind als Talent.

subtext.at: Wer sorgt bei dir dafür, dass du nicht abhebst?
Ivy Quainoo: Meine Familie und meine Freunde, auf jeden Fall. Ich glaube persönlich zwar nicht, dass ich in nächster Zeit abheben werde, aber mit ihnen werde ich nicht so leicht einen Höhenflug bekommen (lacht).

subtext.at: Hättest du vorher jemals gedacht, dass du so massenkompatibel sein kannst?
Ivy Quainoo: Überhaupt nicht. Klar, von Freunden, Klassenkameraden und auch Lehrern hört man, was man kann und wie es auf die Leute wirkt, aber das ist ein kleiner Kreis. Ich habe damit nicht gerechnet, dass es so gut geht, die Leute jede Woche für mich anrufen und ich weiterkomme. Fand ich schon beeindruckend.

subtext.at: Was denkst du, haben die Zuschauer besonders an dir gemocht?
Ivy Quainoo: Ich persönlich habe immer gesagt, ich weiß es nicht. Jetzt weiß ich eben: Die Leute finden mich authentisch. Das ist auch der Punkt gewesen, weshalb ich am Ende auch gewonnen habe.

subtext.at: Authentisch zu sein ist derzeit unglaublich wichtig für die Popkultur. Warum?
Ivy Quainoo: Es ist wichtig, irgendetwas mit der Person zu verbinden. Klar ist es etwas anderes, die Leute im Fernsehen zu sehen, für mich selber auch, aber man will ja irgendeinen Bezug herstellen. Wenn es einem so vorkommt, als würde die Person aus einer anderen Welt stammen, dann fällt das ein bisschen schwer, einen Anschluss zu finden.

subtext.at: Früher war einem dieser Ansatz nicht so wichtig, denke ich. Da haben sich die Stars und Diven so groß dargestellt, da konnte man schwer einen Bezug zu finden. Vielleicht hat genau das dem damaligen Publikum jedoch gefallen…
Ivy Quainoo: Vielleicht ist es wieder im Wandel, aber so richtig erklären lässt sich so etwas ohnehin nicht.

subtext.at: Wie sieht es mit Selbstzweifeln aus? Kritisiert du dich selber auch?
Ivy Quainoo: Doch, auf jeden Fall. Ich mag keine schiefen Töne und wenn ich dann selber einen singe, dann (lacht)…

subtext.at: Was ist wichtiger, Ambition oder Neugier?
Ivy Quainoo: Beides, weil es doch sehr nah beieinander liegt. Ohne Neugierde kann man nicht mehr erfahren. Man kann sich zwar alles erzählen lassen, doch ohne Neugierde macht man es ja dann nicht. Um ambitioniert zu sein, muss man wissen, was man braucht. Da kommt die Neugierde ins Spiel.

subtext.at: Du hast auf mich immer sehr ausgeglichen, besonnen und harmonisch gewirkt – wie heute auch. Wie kann man dich aus der Ruhe bringen?
Ivy Quainoo: (lacht) Die meisten Leute nehmen mich gar nicht so wahr. Ich habe auch meine neurotischen Phasen. Ich werde relativ schnell sauer (lacht noch mehr). Doch, es gibt Momente, wo ich von nett und lieb zu ziemlich böse und gemein wechseln kann.

subtext.at: Welche Werte haben abseits der Musik für dich eine Bedeutung?
Ivy Quainoo: (überlegt) Menschlichkeit muss da sein, wenn man mit anderen Leuten zusammenarbeitet. Man kann zwar mit jemandem zusammenarbeiten, den man nicht mag, aber es geht einem selbst dann nicht gut dabei. Muss man schon gucken, wie das funktionieren kann. Die Leute merken es ja auch. Im normalen Leben ist Zwischenmenschlichkeit auch sehr wichtig.

subtext.at: Welchen Stellenwert hat Ghana in deinem Leben? Ist es dein Zuhause, deine Heimat?
Ivy Quainoo: Ghana ist genau so meine Heimat wie Deutschland. Nur weil ich da nicht lebe oder nicht dort gewoben bin, heißt das nicht, dass ich kein Heimatgefühl für das Land habe. Ich war bis jetzt nur zweimal da, ist auch etwas länger her, aber ich habe mich sofort wohl gefühlt, als ich dort angekommen bin. (überlegt) Das Temperament ist schon ein Unterschied. Die Erziehung in Ghana ist auch sehr streng, so kam es mir vor. Ich weiß gar nicht, wie ich das erklären soll. Es ist nicht so, dass gesagt wird „Du darfst da und da nicht hin“, aber man hat schon eine gewisse Distanz als Jugendlicher zu den Erwachsenen.

subtext.at: Deine Debütsingle „Do You Like What You See“ wird auf YouTube sehr oft mit James Bond-Songs verglichen. Gefällt dir das oder findest du das nicht in Ordnung?
Ivy Quainoo: Ich selbst gucke schon jeden neuen Bond-Film, aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich darauf warte. Es ist doch nicht schlecht, finde es ganz cool, dass es bisschen Bond-mäßig klingt. So gut wie alle Bond-Songs sind Hits gewesen. Wenn die Leute finden, es klingt ähnlich und passt da hinein, dann ist das cool.

Links & Webtips:
facebook.com/IvyQuainoo
twitter.com/ivyissinging
universal-music.de/ivy-quainoo

Foto: Universal Music

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