ANATHEMA: Wie das Wetter so spielt

Wetterbeobachtungen in Liverpool: Anathema vertonen Tagträume mittels Musik, schwenken den Blick in Richtung Erdatmosphäre und warten nur darauf, bis ihnen die erhabenen Songs nur so in den Schoß fallen. Beim Rest heißt es schwelgen. Sie machen nahezu alles richtig und trotzdem überzeugt „Weather Systems“ nur halbherzig.

Im PROFIL stellt man sich die Frage „Wird der Mensch irgendwann das Wetter beeinflussen können?“, Focus titelt „Das Wetter drückt auf die Psyche“, DER SPIEGEL schreibt „Wetter: Die Macht des Himmels“ und die Frankfurter Allgemeine fragte auch schon vor zwölf Jahren „Welchen Einfluss haben das Klima oder das Wetter auf unser Leben, auf unsere Psyche und unser physisches Wohlergehen?“. Es ist ersichtlich: Dieses Thema wird nie an Aktualität verlieren.

Bestimmt weiß jeder, dass ein nasskaltes Schmuddelwetter die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht, währenddessen das Licht der Sonne unser Immunsystem stärkt und unser Wohlbefinden steigert. Das soll jetzt nicht in einer Aufzählung münden, aber es ist auch in etwa das, was „Weather Systems“, das neunte Album der Formation, zum Thema macht. Das Wetter als Sinnbild für das Leben, ganz egal, ob es nun unbeständig, harmonisch, sprunghaft oder idyllisch ist. Das Booklet druckt Wirbelstürme und Tornados ab, musikalisch ist es hingegen alles andere als strapaziös, wenn man jetzt davon ausgehen mag, denn Experimente werden eher angedeutet als ausgeführt. Ein Wechselbad der Stimmungen vollführen Anathema trotz allem.

Die hoffnungslos altmodischen Progrocker beobachten auf dem Rücken liegend die Wolken am Himmel. Die Band um Vincent und Daniel Cavanagh ruht dabei tief in sich selbst und scheint wunschlos glücklich zu sein. Ein Album, das sich mit lockerer Hand von Song zu Song bewegt, um ein Werk zu spinnen, das niemand am Ende entzweireißen würde. Ein paar erfrischende Ruppigkeiten hätte sich „Weather Systems“ allerdings gönnen können. Die moderater Zurückhaltung könnte öfter einem offensivem Tatendrang weichen. Schöngeistigkeit langweilt nach einer Weile ein bisschen. Wie es geht, zeigen das von treibenden Gitarrenakkorden auf den Weg geschickte „Untouchable, Part 1“, das aggressive „The Storm Before The Calm“ und das friedsame, aber dennoch gelungene „The Beginning And The End“. Bei den Texten hat man sich nicht viel Mühe gegeben. Reime ohne Ende, die doch ein bisschen den Spaß an der Sache verderben (see/me, place/space, clear/fear).

Anathema musizieren unaufdringlich, immerzu freundlich und mit einer gewissen Souveränität und trotzdem ist es, wie es ist: „Weather Systems“ ist eine gute Platte, keine sehr gute. Nachschub für all jene, die ein Album herausholen, wenn es draußen zu stürmen beginnt.

Facts:
Anathema – Weather Systems
Gesamtspielzeit: ca. 56 Minuten
Kscope (Edel)

Links & Webtips:
anathema.ws
facebook.com/weareanathema
twitter.com/anathemamusic

Foto: Edel

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