Fehlfarben: „Wir sind nicht mal so scheiße“

Mehr als 20 Jahre sind die Düsseldorfer „Fehlfarben“ bereits unterwegs. 2012 veröffentlichten sie ihr neues Album „Xenophonie“. Ob sie wirklich xenophon sind, wie die Gründungszeit war, und ob sie live wirklich so furchtbar klingen, hat uns Sänger Peter Hein im Interview verraten.

subtext.at: Fangen wir gleich mal mit eurem aktuellen Album an. „Xenophonie“ heißt das. Kann man das so deuten, dass ihr „xenophon“, also gegen alle andere Musik, seid?

Peter Hein: Diese Sicht ist interessant, die habe ich auch nicht gehabt, als ich den Titel den Anderen in der Band verkauft habe. Aber die hat was, muss ich sagen.

subtext.at: Also würdest du dem nicht per se widersprechen?

Peter Hein: Das hat was, ja. Als mir das einfiel, hatte das nur so ein Gedanke in einem Nach-Produktions-Abendessen. Unser Produzent hat da gemeint, dass das alles so seltsam-dunkel-fremd klingt. Da hab ich es ich zwei, drei Tage später, als es um die Titelfindung gingauf die stupideste Maturanten-Art stumpf runtergebrochen und „Xenophonie“ in den Raum geworfen. Aber was du grade eingebracht hast – da bin ich gar nicht draufgekommen, und irgendwie passt es auch. Viel anderes, was man so zu hören bekommt, ist ja auch wirklich furchtbar.

subtext.at: Stichwort „Furchtbar“ – könnt ihr auch furchtbar sein?

Peter Hein: Ja, wir können schon furchtbar sein wenn wir wollen. Wobei das eher auf das Andere, was man hört, bezogen war. Der Rest der Welt ist furchtbar, wenn man das so sagen will (schmunzelt).

subtext.at: Ihr seid demzufolge weniger furchtbar als der Rest der Welt?

Peter Hein: Das auch, ja. Für Gleichgesinnte, oder für Leute, die uns noch nicht kennen. Wir sind wahrscheinlich nicht so schlimm, nicht massenkompatibel, und Leute, die uns von Vornherein nicht mögen, kennen uns nicht mal. Ich denke aber, dass, wenn man uns trifft und danach hört und dann mit unserer Musik konfrontiert wird – dann sind wir glaube ich nicht mal so scheiße.

subtext.at: Etwas erschwert: Was würdest du einem Gehörlosen sagen, der euch zum ersten Mal begegnet und wissen will, was Fehlfarben macht?

Peter Hein: Ich würde ihm uns und unsere Musik wahrscheinlich gar nicht erklären – würde ja auch wenig Sinn machen. Der soll sich dann bitte einen Theaterfilm ansehen. Wenn man uns nicht hören kann und uns nur sehen könnte, dann wär das wie ein Kinofilm ohne Ton. Ich würde mich dann auch fragen, was das dann sein soll da auf der Bühne.

subtext.at: Es ist immer witzig, Konzertankündigungen und den dazugehörigen Pressetext zu lesen…

Peter Hein: Für den wir Gott sei Dank nicht zuständig sind….

subtext.at: Den ich aber an dieser Stelle aber nicht ganz ersparen kann. Da steht geschrieben, dass ihr die „80er-New-Wave-Punk-Legenden“ seid. Was bitte ist eine „New-Wave-Punk-Legende“?

Peter Hein: Du redest gerade mit einer. Die Legende lebt also noch. Was auch immer man sich dann darunter vorstellen möchte (lacht). Andere Legenden haben es halt nicht so lange ausgehalten. Die waren halt schneller verbraucht. Aber wer wäre ich, zu beurteilen, was eine Legende ist? Wenn einer glaubt, es legendär zu finden, dann soll er das gerne tun.

subtext.at: Stichwort New-Wave-Punk. Also ist Punk doch mehr als D.I.Y. und Three-Chord-Songs?

Peter Hein: Das war es doch schon immer, natürlich. Die richtig geilen Nummern haben eh nur einen oder zwei Chords – der dritte ist da schon überflüssig (lacht). Und die anderen haben dann immer noch was eingebaut – mit der Schiene hab ich aber nie wirklich viel zu tun gehabt. Da passieren und passierten ja auch ein Haufen andere Sachen – vom amerikanischen Protopunk in den 60ern angefangen, die die Beatles und Stones nachgemacht haben. Da hat es ja in all den Jahrzehnten eine Entwicklung ist. Ich kenne aber heute keine Bands, die ich höre, die ich als reine Punk-Bands bezeichnen würde, auch wenn sie ähnlich wie wir angefangen haben und nicht jedes Album als „Karrierebaustein“ sehen. Ich glaube, dass es nach wie vor hauptsächlich das ist, sein Ding zu drehen, weil man alles andere Scheiße findet (lacht).

subtext.at: Kleiner Ausflug in die Vergangenheit: kannst du dich noch an die erste Session mit Fehlfarben erinnern?

Peter Hein: Ja, kann ich. Es war nicht viel anders als viele andere Proben. Wir kannten uns ja vorher musikalisch nicht, es hat aber halbwegs gut geklappt. Morgens um 11 Uhr, Dienstags, erschreckenderweise. Ich habe – da alles verjährt ist und ich keine Repressalien mehr fürchten muss – damals auch blau gemacht, ja. Man mag mich also Schmarotzer nennen (lacht). Es hat damals den Eindruck gemacht, dass wirklich was Interessantes passiert – insofern hat das also ganz gut geklappt.

subtext.at: Hattest du je das Gefühl, dass es nicht mehr so gut klappt?

Peter Hein: Dass ich nicht mehr spielen mag? Nein. Ich hab natürlich wie jeder andere auch nicht so gute Tage, aber aufhören wollte ich nie. Wie man sieht, komme ich ja auch letztendlich wieder auf die gleichen alten Säcke in der gleichen alten Band zurück. Ich mach das ja gern – ich bin nicht gut genug, was anderes zu machen, als ein bisschen in ein Mikro reinzuschreien.

subtext.at: Bleiben wir gleich mal bei dir: Ein Album, das du nicht mehr hören kannst?

Peter Hein: Das gibt’s gar nicht mal. Im Großen und Ganzen lass ich dann das Album einfach liegen, wenn ichs durch hab und es scheiße finde. Ich könnte mir aber vorstellen, dass mein Verhältnis zu den ersten The Clash-Alben gestört ist. Die sind in mir so drinnen, dass ich gleich herumhüpfe, wenn ich sie höre. Die habe ich ungelogen 25 Jahre lang nicht gehört und kenn sie trotzdem auf die Line auswendig. Ich höre ja ungern die neuen Sachen. Als wir damals angefangen haben mit dem Punkrock, diesem alten Scheißdreck, da gab es Rock erst gute 20 Jahre. Das ist heute mehr als 40 Jahre her – weißt du, wie scheiße und alt sich das anfühlt?

subtext.at: Fühlst du dich manchmal alt? 

Peter Hein: (entschlossen) Nö (lacht).

subtext.at: Irgendeine Frage zum Bandnamen muss ich noch stellen: was fehlt noch in euren musikalischen Farben?

Peter Hein: Um wie Bernie Ecclestone zu reden und politisch unkorrekt zu sein: ein schwuler, chinesischer Geigen-Virtuose. Das wär noch ein Nischenmarkt, den wir abdecken könnten (lacht). Uns fehlt natürlich auch ein syrischer Rabbi, der gegen Mohammed ist (lacht). Aber meiner Meinung nach gehört sowieso jeden Tag mal jede Religion geschmäht.

„Xenophonie“ ist bei Tapete Records auf CD und Vinyl erschienen 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.