Richie Sambora: Aftermath of the Lowdown

Richie Sambora? Der Richie Sambora? Derjenige, der mit Bon Jovi (mit Unterbrechung) seit 30 Jahren auf der Bühne steht? Ja, genau der. Der Gitarrist der ewig jungen (?) Rockband aus New Jersey hat mit „Aftermath of the Lowdown“ sein drittes Soloalbum veröffentlicht. Und fällt damit angenehm aus dem Rahmen. 

Soloausflüge sind für den Gitarren-Virtuosen kein absolutes Neuland mehr. Bereits 1991 hatte er mit „Stranger in this Town“ ein Projekt am Start, das sowohl damals wie auch heute nie ins Bon-Jovi-Konzept gepasst hätte. Stranger in this Town war nämlich ein waschechtes Blues-Album, nicht mehr, aber auch vor allem nicht weniger. Größen wie Eric Clapton waren darauf als Features vertreten (passenderweise am Track „Mr. Bluesman“), und das Album kann getrost als besser als alles bezeichnet werden, was Bon Jovi seit „These Days“ fabriziert haben. 1995 kam der Nachfolger „Undiscovered Soul“ auf den Markt – das Soul-Rock-Album bewies einmal mehr, dass Sambora nicht nur besser Gitarre spielen, sondern auch besser singen kann, als es Jon Bon Jovi je können wird. Seither sind fast 20 Jahre vergangen, wo Sambora neben Alkoholentzug und Scheidungskrieg durchgehend mit Bon Jovi unterwegs und erfolgreich war. Soweit also zur Geschichte.

2012 ist es nun soweit. Das dritte Soloalbum ist am Start und trägt den Titel „Aftermath of the Lowdown“. Und es hört sich gut an, verdammt gut. So, wie Bon Jovi eigentlich sein sollte. Aber vorerst genug der Lobhudelei. Anfangen tut das Album nämlich gewöhnungsbedürftig. „Burn the Candle down“ will nämlich auch nach mehrmaligem Hinhören einfach nicht funktionieren. Hat man sich aber über den Opener hinweggedrückt, kommt mit „Every road leads home to you“ das erste ganz große Ausrufezeichen der Platte. EasyListening-Rock vom Feinsten, dessen Lyrics an das erinnert, was im Leben wirklich von Bedeutung ist. Genauso geht es mit „Taking a Chance on the Wind“ weiter, wo Sambora seine Blues-Wurzeln nicht verleugnen kann. Und singen konnte er sowieso schon immer. „Nowadays“ gehts dann rockiger an – und jede Rock-Nachwuchsband sollte hier mal genau hin hören. Straight, musikalisch gekonnt, stimmlich auf der Höhe – radiotauglich auf jeden Fall. „Weathering the Storm“ gräbt Samboras unglaublich gute Balladen-Stimme aus – gerade das richtige für die Minus-20-Grad-Nächte, die vor uns liegen. „Sugar Daddy“ ist danach eine zweigeteilte Nummer. Ein paar Synthis, die eigentlich nicht dazu passen. Klingt fast nach „krampfhaft modern“. Und das „Na,Na,Na“ hätte auch nicht sein müssen. Der Refrain allerdings entschädigt – der rockt nämlich richtig. Ein Song, der polarisiert. Man kann ihn mögen – oder halt auch nicht.

„I’ll always walk beside you“ ist dafür nur eines. Schön. Richtig schön. Eine akustische Treuebekundung zum/zur Partner/in – die Stelle, wo man sich wünscht, in seinem Leben mal genauso eine Person zu finden. Oder, um es mit Samboras Worten auszudrücken: „When you feel alone, I’ll sing you home I’ll be there to help you, make it through.“

„Seven Years Gone“ schlägt in eine ähnliche Kerbe – ein bisschen an Bon Jovis „Bed of Roses“ erinnernd. Nur mit besserem Sänger. Eine Nummer, wo Sambora seine Hauptband nicht verleugnen kann. Und ein Song, wo sich auf Bon-Jovi-Konzerten alle Pärchen küssend in den Armen liegen werden. „Learning how to fly with a broken wing“ reiht sich nahtlos ein – radiotauglich, Bon-Jovi-verdächtig, besser.

„You can only get so high“ und „World“ runden die Platte ab. Ersteres als Ballade, zweiteres als Soul-Nummer. Danach sitzt man da, nachdenklich, emotional aufgewühlt, wundernd, warum die Zeit so schnell vorbeigegangen ist. Das schaffen bei Weitem nicht alle Platten – „Aftermath of the Lowdown“ schon. Und der bessere Bon Jovi war Richie ja schon immer.

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.