SILVESTER IN NYC – alles voller Schall & Rau(s)ch

Nach meinem Spontanbesuch in Boston (Massachusetts) bei meinen Freunden Elianne, Marie Jeanne, Paulina und Barbara führt mich die chinesische Low-Budget-Busfahrt „back home“, Richtung New York City. 5 Stunden später erreichen wir Chinatown, zuvor machen wir noch Rast auf einer Raststation, wo es, statt Restaurants, „McDonald’s, Dunkin´Donut und Subways“ gibt.

Etwas ermüdet, aber noch motiviert, raffe ich mich zur nächsten U-Bahn auf. Von einem Extrem ins nächste Extrem, uptown Richtung Harlem. Von nicht-wirklich-englisch-sprechenden amerikanischen Chinesen zu Latino-African-American-Gangsterrappern. Die meisten, die ich kenne, sagen mir, Harlem „ist“ so, je weiter du rauffährst, desto schlimmer wird es.
Angekommen in 105 St. Raus aus der subway, pure Winterkälte schlägt mir ins Gesicht und stinkender Müll am Straßenrand begrüßt mich herzlich. Welcome to Harlem! Bewaffnet mit meinem typisch-touristischen „Burton“-Rucksack und meiner Handtasche schaue ich ja nicht gerade wie „eine von ihnen“ aus, aber was soll’s, zu spät. Mexikanische Halbkopftuchträger und schwarze Bling-Bling-Kettchenträger mustern mich schräg von oben bis unten. Hinter mir beginnen sie schlagartig die Straßenseite zu wechseln, öffnen die Innenseite ihrer Jacken und ich nehme an, dass sie Drogen dealen, wie in den schlechten Rapper-Videoclips. Ist wohl doch „Reality“?

Ich gehe weiter, Schritt für Schritt, versuche möglichst gerade zu blicken, weiß sonst nicht wo ich hinschauen sollte. Von Grund auf fühle ich mich einfach unwohl, das liegt nicht daran, dass ich rassistisch sein will, aber ich hab das Gefühl die einzige Weiße zu sein. Das merkt man an den Blicken der anderen. Sie tuscheln und rascheln, sie wispern und lachen laut. Scheiße. Egal. Jetzt weiß ich wenigstens, wie es hier wirklich ausschaut. Neben Obdachlosen, Gangsterbräuten und vereinzelten halbwegs vertrauenswürdigen Leuten lassen mich die graffitibesprühten Häuserwände mir wie in einem schlechten Film vorkommen.

30 Minuten später finde ich das gemietete Hostel-Apartment von Freunden von Freunden, bei denen ich für eine Nacht pennen kann. Glücklich, drinnen anstatt draußen zu sein, heißen mich die Bekannten aus Deutschland und Polen willkommen. Wir glühen ein wenig vor, natürlich mit den beliebten roten Plastikbechern, und quetschen uns ins viel zu kleine Bad, um uns für die Nacht der Nächte – Silvester in NYC – vorzubereiten. Plötzlich hören wir am Gang Polizeifunk und wildes Gepoche an unsere Türe – scheiße, wie im Film!

Mir erzählt man, dass das jede Nacht so abläuft, entweder die Polizei ist im Haus oder Herumgeschreie, weil ein Ex-Partner betrunken um seine Geliebte kämpfen will und die Tür fast einschlägt im wahrsten Sinne des Wortes. Reality.
Leicht berauscht kämpfen wir uns in unseren Nylonstrumpfhosen und Kleidern durch die kalte New Yorker Nacht, rein in die überfüllte subway. Angekommen am Union Square stehen Straßenstände mit „Happy-New-Year-Krönchen“ und Tröten. Eck um´s Eck, rein in den Club – Webster Hall. Ein sechsstöckiger Club mit Türstehern, doppelt so breit wie wir alle zusammen. Von einer Sicherheitskontrolle zur nächsten und zur nächsten, sogar Leibesvisitation, dann zur Garderobe, wo man wieder mal extra zahlen muss, obwohl das Ticket eh schon $150 gekostet hat und eigentlich mit allen „taxes und fees included“ war – scheiß drauf. Einmal im Leben muss es wohl sein.
Willkommen am Dancefloor. DJ Spanky legt mit seinem Apple-Laptop auf. Partytauglicher Mix, abwechselnd mit Technobeats und derbem Gangsta-HipHop. Glitter, Glitter, Bling, Bling, Grapsch, Grapsch. Neben  Anzugträgern und Bauchleiberln-Tussis finden sich auch verschwitzte Tanktopträger, als wären sie frisch vom Sport gekommen, und Otto-Normalos. So eine bunte Vielfalt von Ethnien habe ich noch nie auf einem Haufen versammelt gesehen. Latinos, African Americans, Chinese people, Whites. Wir wechseln den Floor, um unsere Ärsche von dem vielen Gegrapsche in Sicherheit zu bringen. Von oben herab mustert uns die Nobel-Gesellschaft  in ihren Ralph-Lauren-Klamotten und mit ihrem Champagner in den Händen, sie kommen sich sogar gut dabei vor. Dafür machen wir besser Party! Gedränge und Gedränge, Fußtritte und Gequetsche führen uns schlussendlich wieder downstairs zur Bar. Neben Brooklyn Ale Bier und Vodka-Bull gibt es eine ganze Reihe von Getränken – included. Bis man jedoch zu etwas Flüssigem kommt und der jetzt schon zu besoffene Barkeeper etwas zusammenpantscht, wechseln weitere $20 den Besitzer, um die Wartezeit zu verkürzen.

Nach so vielem Flüssigem: Pipipause. Die Schlange vor der Damentoilette ist auch in NYC nicht kürzer und so stehen wir uns die Füße in den Bauch, bis wir am Ziel, dem „Goldnen Thron“, ankommen. Nebenbei verkauft die Klofrau hygienischerweise am Klo auf ihrem Beistelltischen „leckere“ M&Ms, OBs und Haarbürsten. Nach dem „Geschäft“ finden wir auch einen Dancefloor, wo sie die wirklich derbsten aller derbsten HipHop/Rapmusic-Tracks spielen und die Leute jedes zweite Wort mit einem „swear word“ ersetzen.

Getanzt wird, bis man einen Orgasmus bekommt, so sieht es zumindestens aus. Da tanzt der Schwarze mit der Chinesin, der Latino gräbt eine Britin an und greift ihr auch gleich unverschämt auf die Brüste, von hinten, bevor er sein …  in sie hineinrammt.

Der Countdown läuft. 3-2-1-Mitternacht: „Happy New Year 2014“ , die Menge kreischt, alle zücken ihre Cellphones und texten ihren Freunden ihre Glückwünsche fürs neue Jahr und bemitleiden die Menschenmassen, die in der Arschkälte am Times Square einen Blick auf Macklemore, Miley Cyrus und den nach unten fallenden Ball erhaschen wollen. Dann folgt guter tanzbarer HipHop mit derben Texten, zu dem auch die Upperclass tanzt.

Abgeshakt kämpfen wir uns in unseren High Heels bereits um halb drei Uhr Früh raus, da die Clubs in Amerika immer schon so früh zusperren. Da lob ich mir mein Heimatland in ehrlicher Fortgehmanier. Rein in die subway-uptown-raus-Kälte überall-rein ins Apartment-zusammengequetscht. Zu acht frieren wir uns durch die Nacht, so kalt war mir noch nie. Die Heizung ist ausgefallen, drei Schichten Gewand und mein Wintermantel lassen mich nur powernappen, bevor der Rest des Morgens erwacht und wir uns von den wunderschönen, graffiti- und straßenkunstverzierten Häuserwänden entfernen und uns schlafend in den Bus nach Hause, nach New Jersey, reinhieven. Fortsetzung folgt!

Text: „mybird“