BIFFY CLYRO: „Hast du ein starkes Fundament, kann dich nahezu nichts aus der Fassung bringen“

Wenn es eine Band gibt, die im vergangenen Jahr nahezu alles richtig gemacht hat und in kein Fettnäpfchen getreten ist, dann ist das Biffy Clyro. Die Schotten veröffentlichten mit „Opposites“ ein gelungenes Doppelalbum – und Doppelalben sind in der Branche ja immer ein zweischneidiges Schwert und ein gewagtes Vorhaben. Schließlich müssen zwei Discs statt einer mit interessanten, abwechslungsreichen und guten Songs befüllt werden. Normalerweise sind Ausfälle vorprogrammiert, doch Biffy Clyro haben es gut hingekriegt.

Ein Interview mit Schlagzeuger Ben Johnston über Risiken, starke Fundamente und wie es war, mit der verstorbenen Artwork-Legende Storm Thorgerson zusammenzuarbeiten.

subtext.at: Ben, ich habe mich schon oft gefragt, weshalb Künstler das Risiko auf sich nehmen und ein Doppelalbum veröffentlichen.
Ben Johnston: (lacht).

subtext.at: Hast du eine gute Antwort für mich parat?
Ben Johnston: Nun ja, warum denn nicht? Warum denn nicht mal ein Risiko wagen? Es gehört mit Sicherheit zu den größten Errungenschaften für eine Band, eines zu veröffentlichen. Wir wollten auf jeden Fall ein Doppelalbum herausbringen, bei dem es sich lohnt, seine Zeit zu investieren. Man braucht natürlich auch Geduld, sich mit dem Material auseinanderzusetzen, wenn es gleich auf zwei CDs verteilt und vorhanden ist. Wir wissen natürlich, dass die Zeitspanne und die Aufmerksamkeit der Leute ständig abnimmt. Niemand will sich mehr ein Album von Anfang bis Ende anhören. Es fehlt an Zeit, an Muße, wie auch immer. Trotzdem haben wir gesagt: „Fuck you!“ Wir veröffentlichen ein Doppelalbum (lacht)!

subtext.at: Du hast es soeben angesprochen – laut einer Studie ist die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen von zwölf auf fünf Minuten gesunken.
Ben Johnston: Da siehst du es ja (lacht)!

subtext.at: Macht man sich darüber Gedanken, wie sich die Wahrnehmungen verändert und welchen Einfluss die neuen Technologien auf uns ausüben?
Ben Johnston: Klar, sicher. (überlegt) Auf der anderen Seite ist es heutzutage viel einfacher, als junge und aufstrebende Band von den Leuten da draußen entdeckt zu werden. Es gibt einfach viel mehr Möglichkeiten. Das ist mit Sicherheit das Gute daran. (überlegt) Dass sich ein Künstler jedoch entwickeln darf mit der Zeit, fällt immer mehr weg. Ich denke, dass eine Band zu Beginn durchaus scheiße sein darf, damit sie am Ende umso besser und erfahrener ist. Es bleibt aber auf der Strecke. Ein zweischneidiges Schwert für Gruppen.

subtext.at: Ist es heutzutage dann noch riskanter, ein Doppelalbum herauszubringen als beispielsweise in den 60er, 70er Jahren?
Ben Johnston: Ja, sehr viel riskanter. Bis in die letzten Minuten wurde an uns herangetragen, dass wir doch eine Short version von dem Album machen sollten. Fuck off. Es gibt Gründe, weshalb es ein Doppelalbum geworden ist. Thematisch und von den Texten her ergeben die beiden Hälften ein großes Ganzes. Am Ende wurde sogar eine gekürzte Version in einigen Ländern veröffentlicht, ich habe aber keine Ahnung, welche Songs darauf zu finden sind. (überlegt) Weißt du, wir haben fünf Alben bereits veröffentlicht und wir besitzen eine starke Fanbase, deswegen sind wir diesen Schritt gegangen. Die Reaktionen waren aber durchweg positiv. Klar, man kann heutzutage nicht mehr große Verkäufe erzielen wie früher, aber die Resonanz auf „Opposites“ war sehr gut.

subtext.at: Für mich zeigt „Opposites“ einmal mehr, dass ihr als Band weiterhin motiviert seid. Ihr wollt nicht stehen bleiben. Außerdem habt ihr wohl genug starke Songs zur Auswahl gehabt, um das Album zu befüllen.
Ben Johnston: Wir haben um die fünfundvierzig Songs gehabt, das stimmt (lacht).

subtext.at: Fünfundvierzig gute Songs?
Ben Johnston: Ja (lacht). Simon war zu dieser Zeit sehr kreativ und hat jeden Tag zwei Songs rausgehauen. Es war schon sehr schwierig, sie am Ende auszuwählen. Natürlich können wir manche als B-Seiten für Singles verwenden, aber an sich war der Prozess gar nicht leicht. Wir mussten den Leuten etwas für ihr Geld geben, deswegen wollten wir nur die stärksten Songs herauspicken.

subtext.at: Gab es trotzdem Momente, wo ihr das Handtuch hinwerfen wolltet und gedacht habt, dass ihr die Idee eines Doppelalbums lieber wieder aufgeben wollt?
Ben Johnston: Nein.

subtext.at: Es stand also keine weitere Option im Raum?
Ben Johnston: Nein, nicht für uns. Für unsere Plattenfirma hingegen schon (lacht)! Sie haben kalte Füße bekommen, möchte ich nicht verschweigen. Sie sagten zu uns: „Sollen wir nicht lieber ein Album mit vierzehn Titeln herausbringen?“ Daraufhin wir: „Weshalb haben wir uns dann den Arsch aufgerissen?“ Wir wollten es jedenfalls bis zum Schluss durchziehen. Aber wie gesagt, es gibt auch eine Version mit nur vierzehn Songs (lacht).

subtext.at: Bei meiner Recherche habe ich davon auch erfahren.
Ben Johnston: Es macht für mich keinen Sinn, denn auch die Promo wurde mit dem Doppelalbum betrieben.

subtext.at: Sich mit Leuten zu umgeben, die verstehen, zu welchen Dingen ihr einen Draht habt, scheint euch wichtig zu sein.
Ben Johnston: Ja, das stimmt.

subtext.at: Wie war es denn, mit Produzent Garth Richardson und Grafiker Storm Thorgerson zusammenzuarbeiten?
Ben Johnston: Umwerfend, mit beiden. Sie sind Legenden und Storm ist ja leider verstorben, ein großer Verlust. Er war ein Unikat, wirklich besonders. (überlegt) Er hat ikonische Bilder entworfen, für Bands wie Pink Floyd oder The Mars Volta. Er wollte unsere roughen Demos hören, um mit seiner Arbeit anzufangen. Wir haben gemeint: „Aber wir sind doch noch gar nicht fertig und…“ Er hat gesagt: „Ich will die Demos haben. Schickt mir alles, was ihr zustande bringt!“ Es war toll (lacht). Er hat das Talent gehabt, Bilder in der Musik zu sehen, die einem selbst verborgen bleiben. Das Titelbild zu „Opposites“ ist auch so gut geworden, wir haben ja schon davor mit ihm zusammengearbeitet. Obwohl sich der Baum biegt, ist der Stamm stark in der Erde verankert. Das steht auch symbolisch für uns als Band. Wir fühlen uns geehrt, dass er für uns die Artworks designt hat. Garth ist inzwischen ein guter Freund von uns. Als wir angefangen haben, mit ihm zu arbeiten, wussten wir noch nicht alle Kniffe, an welcher Stelle man beispielsweise Streicher einsetzt. Er hat uns bei solchen Dingen geholfen. Diesmal wussten wir genau, an welcher Stelle etwas zu sein hat. Es gab keine Streitigkeiten.

Opposites

subtext.at: Fallen euch Ideen eigentlich spontan ein, wie aus dem Nichts, oder entwickeln sie sich mit der Zeit?
Ben Johnston: Es kann alles sein. Manche Dinge sind nahezu perfekt, wenn sie entstehen. Um andere Sachen muss man sich halt ein wenig kümmern. Ich kann dir aber sagen, dass die einfach gestrickten Songs, so will ich es mal ausdrücken, am schwersten umzusetzen sind (lacht). Wie der Song „Pocket“.

subtext.at: Ich mag „Pocket“. Der ist so locker gespielt, er gefällt mir.
Ben Johnston: Es hat verfluchte Jahre gedauert, bis wir ihn endlich fertig hatten (lacht)! Er hätte auf dem Album „Puzzle“ sein sollen, doch es hat irgendwie nicht funktioniert. „Many Of Honor“ saß hingegen vom ersten Moment an. Seltsam ist das (lacht).

subtext.at: Der härteste Kritiker in der Band ist von euch wer?
Ben Johnston: Ach, ich denke da sind wir alle drei gleich, um ehrlich zu sein. Wir stacheln uns gegenseitig zu Höchstleistungen an. Manchmal kann das grob sein (lacht). Aber wir halten zusammen. Hast du ein starkes Fundament, kann dich nahezu nichts aus der Fassung bringen. Wir spornen uns an, immer besser zu werden. So war es schon immer. Dann hörst du vielleicht eine neue Band, die dich inspiriert und du wirst vom Musiker zu einem Fan. Das beflügelt einen auch.

 

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