Crossing Europe 2014: Under the Skin

Zuallererst einmal bleibt mir nichts anderes zu sagen als „Wow!“. „Under the Skin“ ist ein Film, der seinem Namen alle Ehre macht und der den heutzutage viel zu leichtfertig verwendeten Begriff „Film“ noch verdient. Es ist schon einige Zeit her, seit ich das letzte Mal etwas anderes als ein visuell hinterlegtes Hörbuch genießen durfte. Die Romanvorlage von Michel Faber (dt. Titel: Die Weltenwanderin) wurde hier gekonnt umgesetzt.

Vorweg möchte ich sagen, dass dies sicherlich kein Film ist, der jeden ansprechen wird, wobei ich auch nicht glaube, dass er dies möchte, dafür denke ich liegt das Selbstverständnis zu stark in dem Bereich der Konzeptkunst.

Nun ein paar Worte zur Handlung: Die überirdische Schönheit Laura (Scarlett Johansson) ist eine Femme Fatale par excellence. Sie streift einsam durch die Nächte, stets auf der Suche nach einem neuen, zu verführenden Mann. Fündig wird sie dabei jede Nacht, vielleicht nicht beim ersten Versuch, aber dennoch. Unterstützt wird sie dabei von einem ebenso schweigsamen wie finsteren Motorradfahrer.

Die Dialoge sind trotz des Vokabulars eher schlecht zu verstehen, aufgrund der undeutlichen Aussprache und des schottischen Akzents wird dem Seher einiges an Übung abverlangt. Sie bleiben jedoch zu jedem Zeitpunkt stimmig und sollten schon allein durch die geringe Anzahl an Dialogen niemanden abschrecken.
Ansonsten lässt der Film durch bewusste Abstraktion der Konversation und unterstützender Erzählformen sehr viel Raum für Interpretation, sodass ein aktiv MIT-denkender Zuschauer gefordert, wenn nicht gar vorausgesetzt ist. Wer eine einfache und klar verständliche Geschichte in ebensolcher Aufmachung mag, dem sei von diesem Film abgeraten.

Für die meiner Meinung nach überaus gelungene audiovisuelle Umsetzung zeichnen sich Jonathan Glazer („Sexy Beast“ 2000, „Birth“ 2004) und Mica Levi („Micachu“, Singer-Songwriterin, Komponistin und Produzentin) verantwortlich. Für die Romanadaption brauchte Glazer zehn Jahre und mehrere verschieden Versionen, bis er es zu der endlich im vergangenen Jahr erschienen Version brachte. Mica Levi ergänzt die starken Bilder äußerst stimmig durch ihren minimalistischen Score: wenn beispielsweise Scarlett Johansson’s laszive ihr Opfer verführt während ein Orkan von Streichern bedrohlich die Szenerie untermalt.

Der Science-Fiction-Thriller ist von der ersten Minute fesselnd, da er eine herrlich bedrohliche Grundstimmung aufbaut, die sich bis zu dem Ende auf gleichen Niveau hält. Der Film verzichtet weitgehendst auf übertriebene Effekthascherei, sondern setzt auf das ästhetische Zusammenspiel von Bild und Ton, welche sich zu einem berauschenden bis ekstatischen Strudel vereinen, der dazwischen von ruhigen Passagen gebrochen und somit auf einem aushaltbaren Niveau gehalten wird. Sonst würde es wahrscheinlich zu einem regelrechten Overkill der Eindrücke kommen. Überhaupt werden einige sehr starke Szenen geboten, die unter die Haut gehen und sich intensiv in das Gedächtnis brennen.

Alles in allem ein intensives Werk, das ich einem offenen und das Medium Film auch als Kunstform verstehenden Publikum empfehlen kann.

Die Bewertung der subtext.at-Redaktion:
4/5 Punkte