THIRTY SECONDS TO MARS @ Marx Halle Wien

Ein Abend ohne Rockklischees, altbekannte Posen und tausendmal gehörte Ansagen? Natürlich nicht, nicht bei Thirty Seconds To Mars, die an diesem Abend in der Wiener Marx Halle als Duo fungieren. Was mit Schlagzeuger Shannon Leto los ist, weiß niemand so genau. Die Gerüchteküche brodelt. Ausreiseverbot aus den USA wegen Alkohol am Steuer. Zwist mit seinem Bruder und dessen Egotrip. Aufenthalt in einer Suchtklinik. Die wahren Hintergründe bleiben jedenfalls im Dunkeln und die Band klärt einen auch nicht auf, sondern verschweigt mehr oder weniger das Fehlen.

Anstatt einen Ersatz am Schlagzeug zu organisieren, kommen die Drums vom Band. Darüber verlieren Thirty Seconds To Mars auch kein Wort. Dafür wird ein Brimborium bestehend aus einer wahrlich fantastisch auffahrenden Lightshow, riesigen Luftballons und Konfettiregen geboten.

Normalerweise gibt man sich als ernstzunehmender Musiker dem Schmerz und dem Leid hin, durchlebt seine Ängste und Träume auf der Bühne noch einmal, teilt seine Emotionen mit dem Publikum, weil es einen befreit und diese Dinge zum Leben unweigerlich dazugehören. Bei Jared Leto kommt es einem so vor, als gebe es eine imaginäre Trennmauer zwischen all dem und seinem Ausdruck auf der Bühne. Gefühle sind Fehl am Platz. Stattdessen: Animationen und Aufforderungen wie die eines Drill instructors. Springen, die Hände in die Luft, schreien bis der Arzt kommt. Alles wirkt durchchoreographiert und wenn man einen Blick auf die Setlist wirft, so ist genau geregelt, wann zum Beispiel ein Besucher kurz auf die Bühne darf und wann nicht. Für Spontanität ist bei dieser Band kein Platz vorhanden. Alles hat seine zweit Seiten – wie diese Formation, die mich inzwischen schon zwölf Jahre lang begleitet.

Mit den Tönen von „Birth“ wird Leto euphorisch auf der Bühne der prächtig aussehenden Marx Halle empfangen. Wie ideal, dass der König die passende Krone bereits auf seinem Kopf trägt. Der Oscarpreisträger changiert mit dem Publikum, feiert und stachelt es an, provoziert sie, schmiert den Leuten dann Honig ums Maul. Er ist ein Entertainer, ein Alleinunterhalter, ein Augenmagnet – und vor allem ein cleverer Geschäftsmann. Wer ihm bis zu seiner Garderobe folgen möchte, um mit ihm zu plaudern oder sich ein Autogramm zu holen, der sollte schon dazu bereit sein, bis zu mehr als 2500,- Euro dafür hinzublättern. Diese Option (unter vielen) bietet seine Firma Adventures In Wonderland an. Alles hat seinen Preis und so auch die Aufmerksamkeit von Jared Leto.

Vielleicht sollte sich der 42-Jährige mal darüber informieren, was Aristoteles über den Begriff der Katharsis gesagt hat, denn von einer psychischen Reinigung ist bei diesem Konzert nichts zu spüren. Die Oberfläche glänzt stattdessen wie ein polierter Luxuswagen und der Sound kommt dick und bombastisch aus den Boxen. Es sind Sekunden, in den Langeweile aufkommt, weil man das Gefühl hat, man würde nicht zu den Musikern durchdringen können. You only get what you deserve.

Das Set konzentriert sich vor allem auf Songs von „This Is War“ und dem aktuellen Werk „Love Lust Faith + Dreams“. Nach 80 Minuten inklusive Akustikteil ist diese Messe vorüber und die schöne Realität mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten hat einen wieder. Welch ein Glück.

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