IN FLAMES: die vertane Chance / Gasometer Wien

Den desaströsen Auftritt von IN FLAMES beim Novarock 2011 kann man nur schwer vergessen. Den gestrigen Auftritt – wenn auch ganz und gar nicht desaströs – dann aber schon eher. Mit dabei: WOVENWAR und WHILE SHE SLEEPS.

Gleich vorn weg: IN FLAMES waren definitiv nicht mies. Und auch der Ton war – weil überhaupt vorhanden – unvergleichbar besser als beim Novarock 2011. Dennoch: ein fahler Nachgeschmack bleibt.

Aber mal ganz der Reihe nach: Gasometerkonzerte sind beim audiophilen Publikum eher verschrien. Die Akustik in Wiens Circus Maximus ist bautechnisch bedingt eine Herausforderung für jeden Tontechniker, der nicht die zweifelhafte Ehre hat, diese Hallen tagtäglich zu beschallen. Für WHILE SHE SLEEPS bedeutete das eins: ein halbes Set mit einem Sound der sogar dem taubsten der anwesenden Headbanger das Bier metaphorisch hochkommen ließ. Dieser Akustikdurchfall fühlte sich an, als würde man mit zwei Fingern in den Ohren und einem im Popsch herumlaufen. Eine extrem vertane Chance für die ansonsten brachiale Gewitterfront aus Großbritannien. WHILE SHE SLEEPS können nämlich definitiv mit Stolz auf ihr Schaffenswerk blicken: donnernde Drums, sphärisch-melodische Gitarrenparts und ein Sänger, der selbst Corpsegrinder Fisher Lektionen im Exzessheadbangen erteilen könnte – so muss sich deathlastiger Metalcore anfühlen!

Nach der Hälfte des Sets hatte sich dann der Tontechniker endlich mit dem alten Gasspeicher akklimatisiert, die Gitarren gewannen an Druck und auch die Backingvocals klangen nicht mehr, als würden sie direkt in einen Polster geschrien werden. Und so gelang es WHILE SHE SLEEPS dann doch noch einen Circlepit zum Titeltrack des Debüt- und bisher einzigen Albums „This is the Six“ heraufzubeschwören.

While She Sleeps Setlist Planet.tt Bank Austria Halle Gasometer, Vienna, Austria 2014

WOVENWAR @ Gasometer Wien

Im Anschluss gab es soundtechnisch wenig zu bemängeln. WOVENWAR hingegen lassen kein finales Fazit zu. Die San Diego-Metalkapelle wäre gerne eine Metalcore-Kombo. Aber irgendwie fehlt dazu was. Außerdem wäre sie doch irgendwie gerne so spacig unterwegs wie ANGELS & AIRWAVES. Aber dafür sind sie halt um einiges zu hart. Also irgendwie zu gut, um scheiße zu sein und dennoch zu komisch, um wirklich gut zu sein. Hier muss sich wohl jeder seine eigene Meinung bilden, denn der Applaus den die Amerikaner ernteten, ging klar über das übliche Höflichkeitsgeklatsche hinaus. Als Anspieltipp seien an dieser Stelle „Profane“, „Matter of Time“ und „Prophets“ erwähnt.

Wovenwar Setlist Planet.tt Bank Austria Halle Gasometer, Vienna, Austria 2014

Wirkliche Euphorie kam naturgemäß erst auf, als die bombastische Lichtshow von IN FLAMES losgetreten wurde. Eine Lawine aus Photonen, die sich erbarmungslos in die Netzhäute der moshenden Kundschaft brannte (an dieser Stelle ein herzliches Beileid an die Kollegen im Fotograben) und zeigte: IN FLAMES wissen, wie man eine Show abzieht.

Hervorhebungswürdig sind auch Sänger Anders Fridéns Ansagen. Etwas unkonzentriert aber umso authentischer wurde auf so manche Gemeinsamkeit zwischen den fünf Schweden und Österreichs bärtiger Grande Dame, Conchita Wurst, hingewiesen oder zum verstärkten Bierkonsum animiert. Ebenfalls Applaus erntete Fridén für die klare Ansage gegen das Mitfilmen von Konzerten: (sinngemäß) „I see some of you are filming the gig which is fine. But remember: you paid to watch us and not that shitty little screen. And remember: behind you is at least one person who is not filming.“ – das Paradoxon, dass im Verlauf des Konzertes ein äußerst motiviert filmender Fan auf die Bühne geholt wurde um für einen Song seinen Idolen etwas näher zu sein, ging an Fridén dennoch nicht unbemerkt vorbei.

Generell muss man dem – ansonsten etwas trägen – Wiener Publikum ausnahmsweise ein silbernes Sternchen ins Pflichtenheft picken. Es wurde lautstark bei Songs wie „Trigger“ oder „Take This Life“ mitgesungen, der Aufruf zum exzessiven Crowdsurfen wurde apostolisch erhört und zu „The Mirror’s Truth“ formierte sich ein äußerst respektabler Circle Pit. Verhaltensnote also (beinahe sehr) zufriedenstellend. Lediglich der Applausaufforderung für die Vorbands wurde eher schlecht als recht nachgekommen.

IN FLAMES hingegen haben sich besonders bei der Songauswahl einen groben Schnitzer erlaubt. Bereits die beiden Opener-Titel „In Plain View“ und „Everything’s Gone“ ließen die Marschrichtung für die kommenden eineinhalb Stunden erahnen: Fokus auf dem neuen Album „Siren Charms“, die Melodic Death-Wurzeln werden eher stiefmütterlich behandelt. Der gefühlte Großteil der Setlist bestand also aus den Singleauskopplungen von „Siren Charms“, „Sounds of a Playground Fading“ und „A Sense of Purpose“. Dazu gesellt sich der letzte Kritikpunkt: Zugabe ist Pflicht für Headliner, alles andere wäre faul! Klar, eigentlich wissen eh alle Beteiligten, dass der „letzte Song“ nie wirklich der letzte Song ist. Doch ist die Illusion einer Extrawurscht in Form von zwei, drei Zugabesongs ist etwas, was bei keinem Headliner fehlen sollte. Besonders der Mangel an „Old School“-Material hätte hier massiv ausgebügelt werden können.

Somit bleibt ein fahler Geschmack nach diesem ansonsten recht soliden IN FLAMES-Gig und der Blick in die Zukunft dürfte für Fans der ersten Stunde(n) eher deprimierend sein…

In Flames Setlist Planet.tt Bank Austria Halle Gasometer, Vienna, Austria 2014, Siren Charms

Markus liefert als Teil der Wiener Fraktion von Subtext Konzertfotos aller möglichen Genres. Egal ob Hip Hop oder Black Metal - Hauptsache die Musik geht unter die Haut und drückt in den Ohren.