Anna Katt: „Blue or Grey ist ein gut fließendes Album“

Die beiden Linzer Musiker Kristina und Stefan Lindberg kennt man eigentlich nicht klassisch mit Stimme und Gitarre. An anderer Stelle haben wir ihre neue Platte „Blue or Grey“ bereits in höchsten Tönen gelobt. Im Interview erzählen die beiden mehr über den musikalischen Striptease, den die neue Platte fast schon gezwungenermaßen mit sich brachte.

subtext.at: Etwas, was ihr gleich hinter euch bringen möchtet?
Stefan: Die Frage, wie wir eigentlich zur Musik gekommen sind (alle lachen).

Subtext.at: „Blue or Grey“, eure aktuelle EP, wird im Pressetext als „musikalischer Striptease“ bezeichnet. Wie darf man sich diesen „Striptease“ vorstellen?
Kristina: Das hängt mit dem Musikstil zusammen. Wir haben früher viel Elektronisches gemacht. Nach einer längeren Pause samt Kind haben wir auch viel weniger Zeit für die Musik gehabt. Dann haben wir wieder angefangen – mit etwas Schlichtem. Gitarre, Gesang, das wars.

Subtext.at: Stichwort „zweites Kind“ – ist also aus der Not die Tugend geworden zu reduzieren, gerade im Hinblick auf den Zeitfaktor?
Kristina: Sicher, ja. Es ist einfach zeitintensiv, wobei man sich die Zeit für die Kinder ja auch gerne nimmt.
Stefan: Das ist eben dieser „Striptease“, wie der Pressetext so schön sagt (lacht). Diese sehr gering produzierte Musik, die wir jetzt gemacht haben. Getreu dem Motto „man ist alleine zu Hause mit den Kindern und will Musik machen, kannst dich aber nicht abends im Studio aufhalten“. Da wird man dann schlichter – das war zwar anfangs nicht der Plan, aber letztendlich sind wir dann dabei geblieben. Einfache Songs, wo Stimme, Text und ein paar Gitarrenarrangements zusammenkommen. Jegliches „Produzierte“, gerade im Hinblick auf die Electro-Ecke, aus der wir kommen, ist einfach weg.

Subtext.at: Bleiben wir gleich beim akustischen Singer/Songwritertum. Seht ihr das auch puristischer als das, was ihr vorher gemacht habt?
Stefan: Anders, komplett anders. Letztendlich glaube ich, dass Elektronik gleich stark produziert wird. Gerade heute im Zeitalter der Digital Natives, die gleich zum Schneiden anfangen, bevor sie mit Instrumenten anfangen (lacht). Insofern sehe ich das als völlig gleichwertig – die Arbeitsweise unterscheidet sich.

Subtext.at: Ein Zitat: „Pop ist all das, was man nirgendwo anders hinschieben kann.“ – würdet ihr das auch so sehen?
(beide schmunzeln) Kristina: Ich tu mir eher schwer, uns als „Pop“ zu sehen.
Stefan: Itunes hat uns ja auch unter „zeitgenössische Liedermacher“ kategorisiert (lacht). Das gefällt mir besser als Popmusik – das ist mir fast zu weit gefasst schon.

Subtext.at: Ihr seht euch also auch nicht als „Populärmusik“?
Stefan: Wir sind sicher hörbar – das schon. (lacht)

Subtext.at: Bleiben wir mal bei eurer aktuellen Platte „Blue or Grey“ – gibt es im Nachhinein betrachtet etwas, womit ihr auf dieser Platte nicht zufrieden seid?
Stefan: Das einzige, wo wir sicher beim nächsten Mal aufpassen werden, ist die Bandbreite. Mehr, auch innerhalb der Platte, zu brechen. Sie fließt zwar sehr schön, aber im Nachhinein wäre es vielleicht interessanter gewesen, auch mehr zu brechen. Ich hätte gern ein, zwei Tracks drinnen, die auch wieder mehr experimentiell sind. Das wäre auch für den Hörer spannend. Auch wenn die Stärke der Platte sicher ist, dass sie aus einem Guss ist. Was aber natürlich die Gefahr birgt, dass sie zu stark fließt. Obwohl wir schon finden, dass die Songs an sich sehr vielfältig sind.

Subtext.at: War „Blue or Grey“ ein Konzeptalbum? Gibt es so etwas für euch überhaupt?
Kristina: Wir haben es immer wieder probiert.
Stefan: Wenn ein Konzept da war, dann hatte das einen Namen: Unkompliziertheit. Wir wollten die Songs, die wir gut genug fanden, einfach stehen lassen. Und nicht überproduzieren – wir haben auch keine Overdubs, nichts. Auch im Studio wurde das Album innerhalb von fünf Tagen eingespielt.

Subtext.at: Also auch hier wieder der anfangs bereits erwähnte Zeitfaktor?
Stefan: Nein, das war auch unser Wunsch so. Elf Songs, die wir festhalten.
Kristina: Ja, stimmt.
Stefan: Wir wollten die Musik auch nicht überstrapazieren (alle lachen).

Subtext.at: Was wäre dieses „Überstrapazieren“?
Stefan: Zu lange im Studio zu sitzen. Und wirklich zu tüfteln und zu produzieren anzufangen. Zu viel Perfektionismus also. Es darf auch ruhig mal etwas schlampig sein, wenn es im Sinne des Songs ist (lacht).

Subtext.at: Zum ersten Mal live gesehen habe ich euch im Posthof, damals als Support zu Wallis Bird. Das war auch etwas anderes als eure musikalischen Ursprünge – war es auch live ein „musikalischer Striptease“? Wie viel intimer ist so ein akustischer Gig für euch?
Kristina: Schon um einiges intimer, ja. Auch die Einflüsse auf der Bühne sind anders. Für mich war das sehr, sehr intim. Aber nicht exponiert. (Überlegt) Weil es eine Herzensangelenheit ist, deine Musik live zu spielen. Das ist etwas an sich positives.
Stefan: Die Situation als Gitarrist ist aber nicht so anders. Für mich ist es ja zu einem gewissen Grad „wurscht“, ob ich Drumbeats habe oder Gitarre spiele. Die Frage ist eher, ob die akustische Musik trotzdem laut genug ist, um auf einer großen Bühne bestehen zu können. Vorher haben wir auf diese Art und Weise ja nur kleine Settings bespielt. Der Posthof ist da schon ein anderes Kaliber.
Kristina: Diese Größe ist da schon das entscheidende. Wir wollten uns auch ein bisschen abtasten, wie es sich auf größeren Bühnen anfühlt.

subtext.at: Bleiben wir gleich bei Konzertbühnen. Wie leicht tut ihr euch 2015, auch abseits von kleinen Settings Gigs aufzustellen? Habt ihr noch das Gefühl, dass das Limit relativ schnell erreicht ist?
Stefan: Was neu ist, ist, dass man auch tatsächlich Anfragen kriegt. (lacht) Früher hat es das nicht gegeben – was aber nicht mit der Qualität der Musik zu tun hat. Das Liveerlebnis scheint in der Tat wieder gefragter zu werden. Zumindest habe ich das Gefühl. Auch scheint es ein neues Selbstvertrauen in der Musikszene zu gehen. Es sind also Anfragen da – man kann sich also bewegen. Obwohl es natürlich auch vom Venue und der Veranstaltung her nach wie vor passen muss.

subtext.at: Wenn man sich neue Festivals ansieht, scheinen Pop, Jazz und Elektronisch die bevorzugten Stilrichtungen zu sein. Warum ist das eurer Meinung nach so?
Stefan: Ich glaube ja, dass das immer so war. Diese Richtungen waren immer ein bisschen zeitlos.

Subtext.at: Warum erlebt das „Live-Erlebnis“ wieder ein Revival?
Kristina: Ich glaube, dass das immer gefragt war. Natürlich ist es breiter geworden, und vielleicht liegt es schon daran, dass Pop auch im Mainstream immer stärker vertreten ist.

Subtext.at: Glaubt ihr auch, dass gerade heimische Acts wieder stärker gefragt sind?
Kristina: Ein erhöhtes Interesse besteht sicher, ja.
Stefan: Die Aufmerksamkeit ist höher, stimmt. Wir kommen tatsächlich mit Medien und Veranstaltern in Kontakt, die früher nicht selbstverständlich waren.

Links und Webtipps:

subtext.at vergibt drei Exemplare von „Blue or Grey“, der neuen Platte von Anna Katt! Einfach an gewinnspiel@subtext.at schreiben und begründen, warum ihr das Album haben müsst! Die kreativsten Einsendungen gewinnen, Einsendeschluss ist der 20.4.2015, der Rechtsweg ist ausgeschlossen!

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.