Erwin & Edwin: „Etwas Trauriges wird es von uns nie geben!“

Erwin & Edwin haben sich schnell einen Namen als einer der wohl aktuell besten Live-Bands des Landes gemacht. Elektronische Einflüsse gemischt mit Brass sprechen nicht nur für die verschiedenen musikalischen Einflüsse der einzelnen Bandmitglieder, sondern auch für ein ganz spezielles Liverlebnis. Dass die Jungs neben guter Musik auch nicht auf den Mund gefallen sind, beweisen sie uns im Interview.

subtext.at: Elektronik meets Blasmusik – ist Erwin & Edwin das „mutigste“ Crossover-Projekt, das Österreich derzeit zu bieten hat?
Edwin: Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass unser Projekt etwas äußerst „mutiges“ ist. Was wir machen, hat aber auf jeden Fall mit Leidenschaft und Hingabe zu tun. Wir machen genau die Musik, die uns Spaß macht, und wir wollen damit die Leute zum Tanzen bringen.
Ewald: Der Erwin ist mutig! Den muss man mal Klettern sehen!
Erwin: Geiler Sport.

subtext.at: Stichwort gemischte Musikrichtungen: war das von vornherein klar, vor allem deswegen, weil ihr aus unterschiedlichsten Ecken kommt?
Erwin: Blasmusik ist mein Leben. (grinst)
Edwin: Erwin und ich hatten ein reines Electro-Projekt, bei dem wir dann für ein neues Live-Konzept Ewald dazuholten, der eigentlich aus der Drum´n’ Bass Schiene kommt. Als wir dann mit Eberhart noch einen funky Gitarristen dazugewinnen konnten, war klar, dass wir da ein komplett neues Projekt kreieren, dass sehr vielseitig ist. Wir haben uns da auch nie irgendwelche Grenzen gesetzt. Wenn uns eine Melodie, ein Beat oder ein Arrangement als Kollektiv gefällt, dann wollen wir das Ding auch live spielen.
Ewald (mit funkelnden Augen): Für mich ist klar, dass auf jeden Fall noch ein Drum´n´Bass / Breakbeat Track von uns kommen wird.

subtext.at: Ihr bezeichnet euch selbst als „Brass-Electro“-Band. Ist es euch vor allem wichtig, als Band und nicht als weiteres x-beliebiges DJ-Set aufzufallen? Habt ihr Schwierigkeiten euch da abzuheben?
Ewald: Für meinen Teil versuch ich einfach, kein Laptop-DJ zu sein. Und ich will auch noch viel besser werden was Turntablism angeht. Ich hab´s mit Vinyl gelernt und das möcht ich nie vergessen.
Edwin: Es war uns seit der Begründung der Band klar, dass wir unsere Musik immer live rüberbringen wollen. Wir haben uns gleich von Anfang an drauf geeinigt, keine abgespeckte Version, also kein „Erwin & Edwin DJ-Set“ anzubieten. Wir sind vier Leute, die gemeinsam auf der Bühne ihr bestes geben und ihre Vision in die Welt tragen wollen.
Eberhart: Für uns hat das Projekt eigentlich sehr wenig mit einem DJ-Set zu tun, daher hat sich für uns die Frage gar nie gestellt, ob wir uns da abheben müssen. Das passiert von selbst, bei dem was wir machen.

IF Hagenberg Sommerfest 2014 - Erwin & Edwin

subtext.at: Wie mutig muss man sein, um im musikalischen Brei aufzufallen? Würdet ihr „Erwin & Edwin“ als „mutiges Projekt“ bezeichnen?
Ewald: Ich glaub wir machen einfach. (grinst)
Edwin: Natürlich gehört eine Portion Eier dazu, um ein eigenes Ding durchzuziehen. Der Brei von dem hier gesprochen wird ist allerdings etwas, von dem wir uns sehr gerne distanzieren. Da hatten wir noch nie das Gefühl, Mut dazu zu brauchen, weil wir einfach das vertreten, was uns richtig erscheint. Außerdem ist unsere Musik ja von Anfang an bei einer relativ breit gefächerten Masse sehr gut angekommen. Da haben es andere Bands sicher eindeutig schwerer, ihren eigenen Stil unter dem massiven Brei an populärer Musik zu behaupten.
Eberhart: Wenn man was mit Leidenschaft macht und es ernst damit meint, braucht man gar keinen Mut. Dann läuft es eigentlich von alleine.

subtext.at: „Wien“, ein Feature gemeinsam mit ALIX, ist eure derzeitige Singleauskopplung. Was waren die ursprünglichen Beweggründe hinter diesem doch ironischen Werk?
Erwin: Die Nummer war da, der Sänger war da, drum ham wir das gemacht. (lacht)
Edwin: Die Instrumentalnummer gibt es ja schon seit fast 2 Jahren. Wir haben Alix über unseren Remix für [dunkelbunt]’s „Boomerang“ kennen gelernt, für den er die Vocals eingesungen hatte. Nachdem er auf unsere Einladung die Nummer mit uns live zum Besten gab, sprang der Funke über. Die Energie seines Gesangs kommt vor allem auf der Bühne wahnsinnig gut zur Geltung. Wir sind nun seit über einem Jahr mit ihm in Kontakt und laden ihn immer wieder zu Konzerten als Gastmusiker ein. Dadurch sind einige neue Tracks mit ihm entstanden, einer davon war die Vocal-Version von „Wien“. Die Lyrics stammen von ihm und seinen Erlebnissen als „Piefke“ in der österreichischen Großstadt. Wir waren vom ersten Moment an begeistert davon, wie gut sich seine Stimme in unsere Arrangements einfügt, darum war klar, dass wir früher oder später einen gemeinsamen Release anpacken. Und, wer weiß, vielleicht folgen ja noch weitere…
Ewald: Alix hat uns den Text geschickt und wir fanden ihn großartig. Vieles ist Ironie, vieles ist subtiler Ernst. Die Grenzen muss jeder selber finden.

Zur eben angesprochenen Ironie: Wie ernsthaft können Erwin & Edwin überhaupt sein angesichts von Tracks wie „Nudlsuppn“?
Ewald: Für die Nudlsuppn gilt das genauso. Da steckt viel Meinung drin. Ich denk’ Trauriges wird’s von uns nie zu hören geben. Eher noch ein Liebeslied, ha? (lacht)
Eberhart: Das ist aber eine etwas depperte Frage. Also die Nummer hat ja einen komplett ernsten Hintergrund, der ist halt recht lustig verpackt.
Erwin: Die Vocals waren da, die Nummer war da, drum ham wir sie gemacht. (allgemeines Gelächter)
Edwin: Sagen wir mal so, wir haben schon sehr viel Spaß gemeinsam. Der Gesang zur Nudlsuppn stammt ja aus der Feder vom grandiosen Bernhard Höchtel, und die Nummer gibt es auch als reine Acapella-Version von der Gesangskapelle Hermann. Textlich passt uns das schon sehr gut ins Konzept, daher ist aus dieser Nummer auch eine Kollaboration entstanden. Ich glaube, dass es uns manchmal schon ein bisschen schwer fällt, ernst zu bleiben. Dazu ist uns halt auch der Schmäh bei der gemeinsamen Arbeit viel zu wichtig.

subtext.at: Ich hab mal, nicht ganz ernst gemeint, über euch geschrieben: Parov Stelar mit mehr Druck dahinter. Würdet ihr diesen Vergleich, rein musikalisch gesehen, auch sehen?
Erwin: Na. Wer ist dieser Parov? (grinst)
Eberhart: Ich habe Parov Stelar noch nie live gesehen. Also vermutlich, ja. (lacht)
Edwin: Wir werden seit unserem ersten Release sehr oft mit Parov Stelar verglichen. Von uns aus würden wir nie sagen, dass unsere Musik so etwas wie Electro Swing ist. Dafür ist viel zu viel Balkan, Funk, Techno, Blasmusik und Rock darin enthalten. Generell ist es wahrscheinlich der „Dreck“ in unserer Musik, der uns von Acts wie Parov unterscheidet. Aber natürlich ist es schmeichelhaft, mit einem so erfolgreichen und mittlerweile zur Institution geworden Projekt verglichen zu werden.

IF Hagenberg Sommerfest 2014 - Erwin & Edwin

subtext.at: Erwin & Edwin spielen auf verschiedensten Veranstaltungen. Glaubt ihr, dass gerade ihr gerade den Nerv der Zeit trefft, unabhängig von anderen Genre-Vorlieben diverser Veranstalter?
Erwin: Den Nerv haben wir schon lange getroffen. (grinst) Ist halt von allem ein bisschen was dabei.
Edwin: Natürlich gehört es in der Musik dazu, in einer Zeit den richtigen Nerv zu treffen. Ich glaube aber, dass unsere Musik da relativ unabhängig davon funktioniert. Wir werden sehr oft gebucht, nachdem die Leute einen Live-Auftritt von uns gesehen haben. Wenn das Publikum die positive Energie spürt, die wir rüberbringen wollen, und mit uns in eine Ekstase gerät, gibt es uns das Gefühl, unser Ding richtig zu machen. Man sieht ja auch bei diversen Bands, die schon seit Jahrzehnten ausverkaufte Konzerte spielen, dass die momentanen Vorlieben einer Generation nicht unbedingt eine Rolle spielen müssen und die Musik etwas Zeitloses hat. So etwas zu erreichen wäre natürlich am Allerschönsten.
Eberhart: Dadurch, dass wir kein fixes Genre bedienen, haben wir einfach viele Möglichkeiten.
Ewald: Wir sind selbst oft darüber erstaunt, dass wir kein Zielpublikum haben, sondern die Leute einfach immer zu Springen anfangen. (schmunzelt)

subtext.at: Ich habe das Gefühl, dass Musik immer in Wellen verläuft – mal ruhiger, mal schneller, aktuell mit Fokus auf letzterem. Würdet ihr dem zustimmen? Gäbe es Bestrebungen, auch Erwin & Edwin „ruhiger“ angehen zu lassen, oder liegt der Fokus eher auf dem Live-Geschehen?
Edwin: Mit der Single „Sun“, die wir im letzten August als Vocal- und Instrumentalversion herausgebracht haben, ist schon eine ziemlich ruhige Seite von uns zum Vorschein gekommen. Obwohl wir live natürlich sehr viel auf ‚Schub’ machen, gibt es auch langsamere, ruhigere Nummern die uns sehr viel Spaß machen. Wir sind momentan sehr viel damit beschäftigt, unser erstes Album zu produzieren, das im Herbst erscheinen soll. Da stellt sich diese Frage natürlich auch. Prinzipiell wollen wir einfach die Musik machen, die uns am Herzen liegt, und das wird auch am Album zu hören sein. Vor allem, weil es sehr viele verschiedene Facetten haben wird. Das wird bestimmt das umfangreichste und intensivste musikalische Projekt auf der Welt. (Gelächter)
Ewald: Das Live-Ding macht´s denk ich. Wir sind eher für die Bühne als für’s Wohnzimmer oder fü’´s Auto geeignet. Es freut uns aber umso mehr wenn Leute erzählen, sie hören unsere Musik auch zuhause.
Eberhart: Ich glaube nicht, dass die Musik allgemein gerade unbedingt schneller wird. Es läuft ja eh nur Deep House im Radio. (lacht)

subtext.at: Eine kleine Anekdote: der bislang absolut beschissenste Gig?
Eberhart: Ich glaube, es gab noch keinen beschissenen Gig. Es gab aber oft schon Überraschungen, zum Beispiel keine Bühne, keine Monitore, keine Instrumente oder eine fette Müllhalde auf der Stage. Im Endeffekt spielts aber eh immer. (grinst)
Edwin: Puh, also es waren schon einige schwierige dabei. Aber um ganz ehrlich zu sein, bisher haben wir es noch jedes Mal geschafft, das Publikum zu Motivieren. Bei einem Konzert in einer Halle, in der 1500 Leute Platz hatten, waren ungefähr 40 Personen anwesend. Inklusive Veranstalter und Mitarbeiter, das waren ca. die Hälfte davon. Aber es haben ziemlich alle getanzt und wir hatten sehr viel Spaß auf der Bühne. Allgemein ist es immer schön, vor Leuten zu spielen, die alle voll dabei sind. Da können noch so viele Menschen vor der Bühne stehen, wenn sie nicht mit uns gemeinsam abgehen macht’s einfach keinen Spaß…
Ewald: Einmal gabs kein Backstage-WC. Das war eher unpraktisch. Vor allem weil die Besucher hauptsächlich dort waren, um mit Farbpulver zu werfen. Den Weg zum Besucher-WC hätten unsere weißen Hemden eher nicht weiß überstanden. Aber beschissen war eigentlich kein Gig.
Erwin: Vorm Holi in Linz bekam ich eine riesige Fieberblase, das war die Hölle zum Trompete spielen. Und bei einem Gig in der Schweiz war ich krank und musste mich ständig zusammenreißen, nicht umzukippen.

subtext.at: Zum Abschluss: über Erwin & Edwin soll nie gesagt werden, dass….?
Eberhart: Wir eine Playback-Band sind. (grinst)
Edwin: Wir langweilig und abgestumpft sind. Oder dass wir unsere Musik nur wegen der Kohle machen, obwohl sie uns selbst nicht gefällt.
Erwin: Dass der „Saxophonist“ so gut ist, damit bin meistens ich gemeint.
Ewald: Des is die nächste depperte Frage. Hiermit ist das Interview beendet. (lacht)

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.