Das Festival der Regionen in Ebensee

Hackeln in Ebensee – Festival der Regionen

Es ist ja schon fast eine Tradition von subtext.at alle zwei Jahr einen Ausflug/Wandertag zum Festival der Regionen zu machen. Auch heuer folgten wir der Einladung und machten uns am Samstag auf nach Ebensee, um dort den „Schichtwechsel“ genauer in Betracht zu nehmen.

Nach der herzlichen Begrüßung und der Befriedung unser Grundbedürfnisse (= Wiener Schnitzel) ging es auf die Entdeckungsreise quer durch Ebensee. Unsere Tour startete beim Festivalzentrum, das von der HTBLA Hallstatt entworfen wurde, und neben den zahlreichen Projekten und Programmpunkten zum Feiern, Quatschen und Trinken einlädt.

Hackle Sauber

Bereits vor dem Festival gehen drei adrett gekleidete Menschen von Haushalt zu Haushalt in Ebensee und bitten um Erlaubnis, einen Raum gründlich zu putzen. Die Reinigung ist gratis; gebeten wird lediglich um ein Putzutensil. Diese Materialien werden genauestens beschriftet und ins museum.ebensee gebracht. Putzen ist eine alltägliche Kulturtechnik, Reinheit gilt als Ideal. Doch das Putzen selber gilt als minderwertige Arbeit, die in den meisten Haushalten immer noch von Frauen erledigt wird.
Während wir quer die Treppen zum Heimatmuseum erklommen haben, fielen uns am Weg immer mehr komisch in der Gegend stehende blaue Kübel auf. Antwort auf die artgerechte Verteilung der Kübel bekamen wir nach dem Besuch des Museums, es handelt sich hier um das Projekt „EbenSee“ von Susanne Mariacher und Helene Schauer.

Ebensee

Der Traunsee ist durch die stark frequentierte Bundesstraße und die Eisenbahn vom Ortskern ausgegrenzt, die Zugänge sind wenig ansprechend nur über die Straße und eine Unterführung möglich. Diese höchst unattraktive urbane Situation nehmen die beiden Künstlerinnen zum Anlass, den See in den Ort zu tragen. Während der gesamten Festivalzeit befüllen sie Kübel mit Seewasser und bringen sie an verschiedene Plätze in der Gemeinde.
Diese wenig ansprechende Unterführung war unser nächstes Ziel. Dort hatte sich ein Künstler mit dem einzigen uns bekannten „Stiegenmuseum“ verewigt.

stiegenmuseum.ebensee

In der Unterführung vom See zum Ortszentrum führt eine Treppe auf eine Verkehrsinsel zwischen Bundesstraße, Abbiegespur und Bahn. Die Treppe ist funktionslos. Diese absurde städtebauliche Situation nimmt Dirk Schlichting zum Anlass, den Treppenaufgang mit einem kleinen Gebäude einzuhausen – dem stiegenmuseum.ebensee. So erhält Ebensee vorübergehend eine Museumsinsel mit einem Museum, das ein einziges Exponat enthält: Die Stiege, deren Mittelpodest vergoldet wird.
Im dunkeln Durchgang findet man ein zweites Projekt, so wir auf die feuchte Wand eine Installation von Michaela Schwentner gezeigt.

Descending A Staircase / In Shifts

Eine Frau geht in einem Bademantel die Dienerstiege hinunter – immer wieder, einen ganzen Arbeitstag lang. Eine Treppe herabsteigend – in Schichten: Im Film „Le Mépris“ von J.-L. Godard aus dem Jahr 1963 ist es die Schauspielerin Brigitte Bardot im gelben Bademantel, die auf der Insel Capri eine Treppe von einer Villa zum Meer hinuntersteigt. In Ebensee sind es drei Darstellerinnen, die sich die Rolle im Schichtbetrieb teilen. Einen Arbeitstag lang wird die Filmszene auf der Dienerstiege nachgestellt. Die Figur ist auf drei Personen aufgeteilt. Sie teilen sich den Auftritt in Schichten.
Weiter ging es dann zur nächsten Installation. Dort spielte ein Radiobeitrag rund um das Thema Nachtschicht in Dauerschleife. Blickt man dann auf den schönen, idyllischen Traunsee, so fällt der Blick schnell auf das Eisengesänge am Ufer des Sees.

see t’raun – eine Bibliothek im Traunsee:

In der Nacht vom 22. auf 23. September 1934 versenkte die Heimwehr etwa 800 Bücher der Arbeiterbücherei im Traunsee. Das Verhältnis von Arbeit, Bildung, Repression und Macht ist der Anlass für die beiden Künstler, die versenkte Bibliothek „wiederauftauchen“ zu lassen. Bartholomäus Kinner und Hans-Jürgen Poetz konstruieren im Gedenken an die Bücherversenkung einen schwimmenden Leseraum und ersuchen das Publikum, die Bücherinsel per Ruderboot zu besuchen, die Regale wieder mit Büchern zu bestücken.
Die Theorie versprach ein sehr tolles Projekt, aber in der Praxis erinnert es leider nur an das kaputte Linzer-Auge – halbversunken und nicht begehbar. Am Weg zu unserem nächsten Schauplatz – im wahrsten Sinne des Wortes – begegneten wir den fleißigen Wasserträgen von „ebenSee“. Nächstes Projekt war der Schauplatz von der Soap-Opera „Ebensee Rising“.

Ebensee Rising

Eine Mystery-Polit-Heimat-Serie wurde in Ebensee gedreht, eine Soap-Opera, deren Serienheldinnen und -helden direkt vor Ort gecastet wurden. Alle hatten die Chance mitzuspielen. Was in der Serie passierte, wurde gemeinsam mit den Mitwirkenden entwickelt. Der Plot: Ein Gespenst geht um in Ebensee.
Zurück zum Festival-Zentrum machten wir einen kurzen Abstecher zum Projekt „Die Baugrube“ der jungen Künstlerin Andrea Maurer.

Die Baugrube

In einer Baugrube mitten in Ebensee heißt es graben und grübeln im Schichtwechsel. Während sich Maurer als Erdarbeiterin wortwörtlich in die unteren Schichten des Ebenseer Bodens hineinhackelt – und zwar um dem Sinn des Weltganzen auf den Grund zu gehen –, lässt das neben der Baugrube in einem Bauwagen installierte RADIO PST PST Wörter und Geräusche durch die Luftschicht von Ebensee fliegen. Maurer gräbt nicht nur die Geschichte von Ebensee anhand von Relikten im Erdreich aus sondern bekommt von vorbeigehenden Einheimischen oft auch Geschichten erzählt.
Ein weiteres Projekt in der Nähe des Festivalzentrums war das „Hört die Signale“. Eine Installation von Lukas Norer. Am Ende des Festivals erklang der Refrain der Internationale.

Anschließend besuchten wir noch die Austellung „3o Jahre später“ und die Installation von silk Fluegge „Von A nach E“. Auch das örtliche „Einkaufszentrum“ wurde ins Festivalgeschehen einbezogen. Heutiger Standort des Einkaufszentrum ist der der alten Salinenanlage, diese wurde durch ein riesiges Graffiti auf der Rückseite verewigt. Ein Highlight war unter anderem der Besuch in der Ausstellung „Stoff-Wechsel“. Schon der rote Faden quer durch Ebensee vereinfacht das finde der kleinen „Werkstatt“.

Stoff-Wechsel – Spinnen und Weben

Als 1993 mit der Webereifabrik in Ebensee einer der wichtigsten Arbeitgeber in Konkurs ging, verloren 140 Menschen – hauptsächlich Frauen – von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz. In Erinnerung an die verlorene Arbeit in der Weberei installieren die Mitarbeiterinnen der Lebenshilfe einen Webstuhl und arbeiten während des Festivals an einem großflächigen Teppich, der neben Stoffen auch unübliche Materialien wie alte Videobänder, Musikkassetten, Fahrradgummi, Wäscheleinen, Plastiksackerl und sonstige Wegwerfmaterialien enthält. 
Den roten Faden verfolgten wir weiter bis zum ultimativen Highlight des heurigen Wandertages. Excellence in Ebensee bot eine Führung durch ihre „Betriebshallen“ an. Auch wenn bis jetzt eher wenig Menschen bei den Projekten zu sehen waren, kamen zu dieser Performance mehr als 50 Personen.

Excellence in Ebensee – Kreuzstich Spitzenleistungen

Bei „Excellence in Ebensee“ trifft die traditionsreiche Handarbeitstechnik des „Ebenseer Kreuzstichs“ unmittelbar auf die rastlose Leistungsgesellschaft unserer Tage. Denn egal ob ProgrammiererIn oder GrafikdesignerIn, UnternehmerIn oder ManagerIn: Heutige „LeistungsträgerInnen“ können bei Ebenseer StickerInnen in puncto Time-Management, Arbeitsflow, Selbstmotivation und konsequenter Brand-Loyality noch eine ganze Menge lernen. Und würde nicht auch der Ebenseer Kreuzstich von einem solchen Wissenstransfer profitieren, um durch positiven Leistungsstress, Soft Skills und einen zielgruppenaffinen Vintage-Chic-Blog die eigene Innovationskraft zu boosten?
Mit kostbaren Ebenseer Kreuzstichdecken behangen, verwandelt sich der Ort in eine neuartige Kreuzstich-Erlebniswelt. Eine transmediale Performance-Tour erzählt von Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Handwerks, wobei sich das geneigte Publikum auch persönliche Kleidungsstücke besticken lassen kann.

Eine Performance die noch lange in Erinnerung bleiben wird, vor allem die beiden Wörter  „Grundstich“ und „Deckstich“.

Ein schöner Festivaltag geht zu Ende – wir sehen uns im Jahr 2017!

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