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Der neue Heimatfilm: Filmfestival Freistadt

Das Heimatfilmfestival verdient den Namen Heimat aus meiner Sicht doppelt. So wurden in den letzten fünf Tagen nicht nur unzählige Filme mit dem Schwerpunkt „Heimat“ gespielt, sondern das Ganze hat sich auch in meiner wirklichen Heimat abgespielt – in der wunderschönen Stadt Freistadt. Ob das meine Objektivität beeinträchtigt, sei jedem selbst überlassen. 

Leider hatte ich nur am Donnerstag Zeit, dem netten, kleinen Festival beizuwohnen. Um den Tag auch wirklich von Anfang bis zum Schluss auszukosten, machte ich mich schon früh am Morgen auf in heimische Sphären.

Wer das Heimatfilmfestival noch nicht kennt – eine kleine Vorstellung. Seit 1988 versucht das Filmfestival, das Thema Heimat in all seinen Facetten, in all seinen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten zu beleuchten. Veranstaltet wird es vom Kulturverein Local-Bühne bzw. dem Freistädter Kino. Neben den Kinosälen und dem Salzhof, wird auch die Salzgasse zum Kino und die Filmvorführungen zu späterer Stunde finden unter sternenklarem Himmel statt. Der heurige Schwerpunkt war passend zu der Asylproblematik in Europa das Land Syrien.

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Mina Walking

Ohne offizielle Drehgenehmigung, in Mitten der turbulenten Stadt Kabul, mit Laiendarstellern und nur in zwei Wochen wurde der Film über das 12 Jährige Mädchen Mina gedreht. Minas Mutter wurde schon früh von den Taliban entführt und getötet, seither lag es an Mina den Haushalt und die Familie zusammen zu halten.
Minas Vater, ein Junkie der keine Arbeit findet und ihr kranker Großvater sind dem Mädchen dabei keine Hilfe. Neben dem Haushalt und der Schule arbeitet Mina als Straßenverkäuferin um Geld zu bekommen, damit sie die Familie ernähren kann. Ihr Boss der unter anderem ein Teehaus betreibt wo ihr Vater Tag ein Tag aus Drogen konsumiert, hält sich nicht an die Abmachen ihren Vater keine Drogen mehr zu geben und wie dann ihr Großvater stirbt gerät die schon wackelige Welt außer Kontrolle.

Ein sehr gelungener Film der durch seinen dokumentarischen Tonfall mehr an die Wirklichkeit erinnert als an einen Spielfilm. Die Laienschauspieler agierten auch nicht als ob sie schauspielern, sondern mehr als sei es ihr gegenwärtiger Alltag – umso mehr berührt einen der Film.


Nach einer kurzen Mittagspause und einem Verdauungsspaziergang durch die Gassen von Freistadt ging es mit „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ weiter.


Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da.

Namensgebend das gleichnamige Lied

Der Film ist nicht nur eine Homage an das „Fraunhofer Schoppenstüberl“, sondern auch als Nachruf für den Wirtn Werner. Ein Dokumentarfilm über die längst vergessene Wirtshauskultur. Im „Stüberl“ fanden sich Alt und Jung ein um gemeinsam mit dem Kneipenmusiker/Wirt Werner ihre Nächte zu verbringen. Aber auch die Wirtin Gerti war bei den Gästen sehr hoch angesehen – da wurden ihr auch oft die schiefen Töne beim selbstbewussten Mitträllern des unersättlichen Schlager-Repertoires schnell verziehen.

85 Minuten Wirtshauskultur, die wir Österreicher oft auch nur noch von Almbesuchen kennen. Eine Kultur, wo der Wirt mit der Ziehharmonika von Tisch zu Tisch geht und seine Musikkünste unter Beweis stellt.
Die Aufnahmen wirken  familiär und man fühlt sich mitten drinnen.
Eine Dokumentation, die nicht authentischer sein könnte.


Die Nachricht von dem LKW mit den 71 toten Flüchtlingen erreichte mich in der Pause. Mine Gedanken schweiften immer wieder ab und ich war nach dem doch sehr geselligen Film sehr deprimiert. Gerade die Schwerpunkte Heimat und Syrien des Filmfestivals waren für mich in dem Moment unheimlich passend. Mein nächster Film wurde unbewusst ausgewählt – Confusion.


Confusion -Verwirrung

Auf zwei wahren Begebenheiten beruht dieser fantastische Film. Eine davon ist die Tatsache, dass Genf drei ehemaligen Häftlingen aus Guantanamo Asyl gewährte. Um diese Thematik ging es auch hier. Ein junges zweiköpfiges Filmteam begleitete Caroline Gautier, eine Politikerin, die einen ehemaligen Häftling in Empfang nehmen sollte. Der Politikerin wurden sämtliche Steine in den Weg gelegt um ja nicht pünktlich vor Ort zu sein. Aber auch die Vorbereitung der Unterkunft wurde bewusst sabotiert. Der Widerstand anderer Politiker ging soweit, dass selbst die Familie von Caroline bedroht und sie erpresst wurde. 

Der Regisseur spielt bewusst mit dem Dukumentationstcharakter des Spielfilms. Gezeigt wird nur die Sicht der Kamera der beiden Filmstudenten. Hie und da stehen sie selbst vor der Kamera um einige Dinge zu erklären. Und am Ende ist man sich nicht mehr sicher, ob man bei der Beschreibung wirklich „Spielfilm“ gelesen hat oder ob es doch eine Dokumentation ist. Die Fiktion einen Politiker so nahe, persönlich und unzensiert vor die Kamera zu bringen, war eine spannende Idee des Regisseurs, Laurent Négre. 
Der Konflikt zwischen Bevölkerungen und den Politikern zum Thema Asyl erinnert stark an die momentan Situation in Österreich.

Ein starker Film, der sich würdevoll mit der Thematik beschäftigt. 

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Nach der spannenden Diskussionsrunde hatte ich es schon eilig zum nächsten Film, dieser wurde gezielt ausgewählt. Maskoon ist einer der fünf Filme zum Schwerpunkt Syrien.


Maskoon -Haunted

Mit respektvollen Abstand zu den Protagonisten erzählt Liwaa Jazji über das Leben im Exil, den Verlust des eigenen Haushalts und das Ungewisse. Ob in Damaskus, Beirut oder im Libanon, alle Orte haben eines gemeinsam, die Menschen die dort „hausen“ verspüren kein Zugehörigkeitsgefühl und kein Identitätsbewusstsein. 

Die Menschen leben in ihren Häusern, unter dem Bett eine gepackte Tasche mit den wichtigsten Dingen, bereit, jede Sekunde das Haus und Land zu verlassen. Ständiges bangen ob die nächste Bombe für sie bestimmt ist. Sie zählen die Tage wie Gefangene mit Strichlisten an den Wänden – ohne jede Aussicht. 

Liwaa Jazji hat mit wenig Budget die Situation authentisch eingefangen, im Hintergrund hört man immer wieder niederfallende Bomben, die den dort vorherrschenden Krieg nie vergessen lassen. Videoanrufe via Skype zwischen Familienmitgliedern zeigen den Zusammenhalt der Familie und geben Informationen über den momentanen Stand der Dinge. 

Ein Film, der Einblick in etwas gibt, was wir uns nicht vorstellen können, eine Welt die für uns komplett fremd ist. Solche Filme sind notwendig, damit Menschen auch in Österreich ein Bild von der Lage bekommen, damit sie verstehen warum Menschen nach Österreich kommen wollen und damit die Menschen die nach Zugehörigkeit suchen Willkommen geheißen werden. #refugeeswelcome


Zwei Filme standen nach dem beeindruckenden Film noch auf meiner Agenda. Den Film „Gesta ven“ wählte ich bewusst, da ich auch beruflich viel mit Armutsmigranten und  Roma zu tun habe. Ich wollte einen persönlichen Einblick in ihre Welt in Tschechien bekommen, einen Einblick der mich auch an die Lage in Österreich erinnert.

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Gesta ven – The way out

Die Roma Zaneta und David träumen von einem normalen Leben – Job, Wohnung und Bildung. Die gängigen Vorurteile gegenüber dem Volk der Roma machen die Erfüllung dieses Traumes fast unmöglich. Nur durch die Hilfe und die Zusammengehörigkeit der Klans finden die beiden zu einem „Happyend“. 

Die Situation in Tschechien ist ähnlich wie in Österreich, die Menschen bekommen auch dort kaum staatliche Unterstützung und eine Einstellung in ein Jobverhältnis passiert meist nur auf illegalen Wegen. Ein fiktiver Blick, der durch die Laiendarsteller einen dokumentarischen Charakter bekommt und durchaus das gängige Leben eines Romas beschreiben könnte. 

Der Regisseur Petr Václav beschäftig sich schon sein leben lang mit dieser Randgruppe unserer Gesellschaft auch sein Debüt als Regisseur handelte von einem kleinen Roma Jungen, das war laut einem Zitat der Hauptdarstellerin der Grund warum sie mit ihm zusammen gearbeitet hat, in ihren Augen handelt der Regisseur wie ein Roma-Angehöriger.


Last but not least ein Film den ich auf Grund von im Raum herumschwirrenden guten Kritiken gewählt habe. Am Festival als der „Charlie Chaplin-Film“ betitelte Film versprach war rundherum herum geflüstert wurde.


Masa’eb e Charlie

Narin reist inmitten der Wirren des Krieges in Begleitung eines Waisenjungen durch die Dörfer des kurdischen Gebiets in Nordirak. Zufällig endeckt der ehemalige Kinovorführer einen alten Filmprojektor. Kurzerhand beschließt er sein altes Handwerk wieder aufzunehmen und ein Kino in einem Dorf zu errichten. Anfangs wurden hauptsächlich alte Filme wie die vom Charlie Chaplin vorgeführt. Mit dem Erfolg des Kinos kommt auch die Liebe mit ins Spiel – leider ein aussichtsloses Liebesspiel, da die blinde Kurdin schon versprochen ist. Die im Dorf ansässigen Traditionalisten, die die Filme unmoralisch empfanden setzten alles daran die Vorführungen zu verhindern.

Ein Film der einem nach einen langen Tag in verschiedenen Kinosälen zum Lachen bringt und einem komplett in das Abenteuer Kino versinken lässt – im wahrsten Sinne des Wortes.

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Mein liebes Freistadt – danke für den wundervollen Einblick in so viele verschiedene Welten.


Mehr Informationen über das Festival findet ihr auf der Homepage.
Der Neue Heimatfilm

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