AnnenMayKantereit oder die Art zu begeistern

Das der große Saal des Posthofes ausverkauft ist, gehört zu den Naturereignissen welche leider nur ganz selten im Jahr auftreten, zumindest bei Konzerten. Schon alleine diese in der Stahlstadt sehr schwer zu meisternde Aufgabe routiniert, wie alte Hasen zu schaffen beweist, wo AnnenMayKantereit gerade stehen. Linz hat einen musikalischen Abend erlebt, der diesen Redakteur nicht nur sprachlos zurückließ, sondern auch zu Tränen gerührt hat.

Was ausverkauft? Auch wenn es schwer zu glauben ist, dem war so. In den letzten Jahren blieb der Posthof trotz toller Location und gutem, bis sehr gutem Programm oftmals schlicht und ergreifend leer. Über die Gründe spekulieren wir alle schon seit Jahren und finden keine Antwort. Aber wieso sollte dieser Samstagabend nicht eine Trendumkehr sein? Los ging es dann kurz nach 20:00 Uhr mit den Engländern von Findlay. Was die Damen und Herren hier boten, kann sich sehen lassen und ist vor allem etwas Außergewöhnliches. Ich würde das ganze folgendermaßen kategorisieren: Eine Mischung aus Stoner Rock, Brit Rock, das ganze noch garniert mit elektronischen Elementen und einer einzigartigen Stimme, welche an britische Soul-Sängerinnen erinnert. Absolut zu empfehlen und vor allem sehr passend. Denn das dieser Abend stimmlich gewaltig wird, wusste man bereits im Vorfeld und wurde hier sehr gut auf den Hauptact eingestimmt.

Bereits eine Stunde später, also doch recht früh für einen Hauptact, betraten dann die vier Herren den Saal, welche für diesen – vor allem weiblichen – Besucherandrang verantwortlich waren. Was in den nächsten 75 Minuten folgte bewies, nein untermauerte auf sehr eindrucksvolle Art und Weise, wieso AnnenMayKantereit vollkommen verdienterweise diesen steilen Karrierestart hingelegt haben. Und wieso sie diesen ausverkauften Posthof einfach verdient haben! Denn vor allem Frontmann und Sänger Henning May und sein entsprechendes Organ haben mich von den Socken gehauen. Man stelle sich vor, ein Tontechniker stellt einem 10 Boxen vor die Nase, dreht den Bass voll auf und beschallt einen aus ein Meter Entfernung. So ungefähr hört sich das und fühlt sich das Ganze in jedem einzelnen Knochen an, wenn man am Samstag im Posthof gestanden ist. Wie bereits in der EP-Kritik ausführlich beschrieben, hat dieser Mann eine Stimme, welche ihresgleichen sucht und die live einen noch rauer, nochmals tiefer, nochmals druckvoller und durchdringender packt, und damit wirkt und begeistert. Wäre das nicht schon eigentlich Grund genug, um auf der musikalischen Wolke 7 zu schweben, zeigten sich die Jungs am Samstag nicht nur von ihrer musikalischen Seite, sondern auch von ihrer persönlichen Seite sehr positiv. Zumindest denke ich, dass die 4 jungen Damen in den ersten Reihen den Moment, als ihre exzessive Handnutzung spontan zu einem Lied geformt wurde, nie wieder vergessen werden. Genauso wie die Band wohl Linz immer als die Stadt in Erinnerung behalten wird, deren Menschen ihnen einen Plastik-Blumenstock geschenkt haben – für den kleinen WG-Balkon, versteht sich. Abgerundet wurden diese wunderschönen 75 Minuten dann noch von einer perfekten Setlist, die sowohl längere als auch erst neu dazugekommen Fans zufrieden gestellt haben dürfte und einem textsicheren, sehr aktiven Linzer Publikum.

Eigentlich schreibe ich ja ungern Kritiken, bei denen ich nichts finde was ich kritisieren könnte. Von daher noch ein Schlusssatz. Die Box am Eingang zum Fotograben stand nicht ideal, wenn man vollgepackt mit Equipment ist ;). Zusammenfassend merkt man also daran, dass mir nur ein  klitzekleiner, lächerlicher Kritikpunkt einfällt, welcher nichts mit der Band zu tun hat. Dieser Abend war musikalisch ganz, ganz großes Kino und ich kann jedem nur empfehlen, sich für die zwei noch ausstehenden AnnenMayKantereit Österreich-Konzerte im April des nächsten Jahres in Wien und Salzburg eine Karte zu sichern. Sie werden begeistert sein!

Foto: Andreas Wörister / Slihs Photography

Musikliebhaber, Festivalreisender, Konzertsüchtig, Vinylnerd, Photograph, Konzertveranstalter, Linz-Liebhaber