Hitlers Tournee in Linz

Sommer, 2011. Ein leeres Grundstück in Berlin. Adolf Hitler erwacht, ohne Partei, in einer Demokratie und im Frieden. Timur Vermes’ Roman „Er ist wieder da“ (2012) wurde zum Bestseller, in 38 Sprachen übersetzt und verfilmt. Das Theaterstück setzt am Ende der Fernsehshow an, lässt diese Revue passieren und in Linz Station machen.

Hitler (Simon Jaritz) erschrickt im Kiosk: Kein Völkischer Beobachter, über unbekannte Zeitungen und vor allem über das Jahr 2011. Der Besitzer des Kiosks (Markus Hamele) hat Mitleid. Er hält Hitler für einen Komiker, der durch die Trennung von seiner Freundin keine Bleibe mehr hat. Hitler wird Joachim Sensenbrink (David Fuchs) und Franz Sawatzki (Felix Rank), zwei Fernsehproduzenten, vorgestellt. Er bekommt einen Auftritt in Ali Wizgürs (David Fuchs) Show. Während die Reaktionen des Publikums und Kritiken anfangs skeptisch sind, wird Hitler später als genialer Satiriker bezeichnet. Als Abwechslung zu Mario Barth, als jemand, der eine neue Richtung einschlage und Hitler zur Abschreckung imitiere. Ausraster und Reden werden zum Erkennungsmerkmal. Sina und Sabrina (Sina Heiss, Sabrina Rupp), Carmen Bellini (Emese Fáy)geben ihre Bedenken auf, am Ende ist es nur mehr Vera Krömeier (Rebecca Döltl), die Zweifel gegenüber Hitler hegt…

Hitler kann auch in „Er ist wieder da“ Menschen für sich gewinnen- sei es durch sein Charisma, durch Medien oder rechtspopulistisches Agieren: Hitlers Aussagen sind klassenübergreifend, Bürger_innen werden auf der Straße befragt und bekommen Vorrechte zugesprochen, sofern sie nicht aus dem Ausland zugezogen sind. Migrant_innen werden als Bedrohung der ethnisch-kulturellen Identität wahrgenommen. „Die Deutschen trennen ihren Müll besser als Rassen“, so Hitler, bei manchen Menschen hätten sich die Ethnien erst vor fünfzehn Minuten gemischt. Angst vor Hitlers Aussagen ist bis auf Ausnahmen nur zu Beginn erkennbar: Franz Sawatzki ignoriert seine Furcht jedoch, als er merkt, dass sein Kollege über Hitlers Rede lacht. Überhaupt beeinflussen sich die Menschen stark gegenseitig. Erst als Hitler an Emotionen und die eigenen Kinder appelliert, werden die befragten Mütter in ihren Forderungen nach Strafen radikaler. Schade, dass es die Todesstrafe nicht mehr gebe, Autofahrer_innen über der Geschwindigkeitsgrenze sollten aber auf jeden Fall ins Gefängnis kommen.

Das Lachen bleibt dem/der ein oder anderen Besucher_in nicht nur an dieser Stelle stecken. „Er ist wieder da“ ist eine Satire, deren überspitzte Elemente viel Platz in Gebhartls Inszenierung bekommen. Das sind zum Einen Charaktere wie Mehmet (Sabrina Rupp), die bewusst weniger authentisch als andere wirken, und ihre Aussagen. Zum Anderen  sind dies ein Schlaflied für Hitler (Musik: Wolfgang Peidelstein), Masken für NDP-Mitglieder (Kostüme: Linda Redlin), puppenhafte Schritte im Takt und weitere schräge Bewegungen wie der einschlafende Hitler (Choreografie: Doris Jungbauer). Orte wie die Blitzreinigung Yilmaz sind mit Schildern dargestellt, das Bühnenbild (Michaela Mandel) vereint Showcharakter mit der NS-Zeit. Mikrofone; Stufen, die in verschiedenen Farben leuchten (Licht: Ingo Kelp); ein Scream im Backstage-Bereich (Video: Erik Etschel), eine Titelmelodie der Sendung „Er ist wieder da“ und Kostüme der Showgäste, die extravaganter als die Alltagskleidung der Menschen hinter dem Format sind. Neben Hitlers Kleidung erinnern die Aufschrift, Fahnen und Symbole der Sendung an den Reichstag 1938.

„Er ist wieder da“ bezieht sich aber nicht ausschließlich auf die NS-Zeit, das gesamte Stück stellt Parallelen zur Gegenwart her: Hitler nimmt einen gemeinsamen Volkswillen als selbstverständlich an, richtet seinen Hass nun nicht mehr auf Juden und Jüdinnen, sondern unter anderem auf Türk_innen. Zu Beginn fällt ihm die Kronenzeitung ins Auge. Mit großer Schrift und vielen Bildern hätte Goebbels eine noch wirksamere Propaganda verbreiten können, über das Internet sowieso. Am Ende des Stückes trifft Hitler auf NDP-Mitglieder. Einer Partei, gegenüber der er Vorbehalte hegt, obwohl ihre Vertreter_innen zugleich Anhänger_innen der Reichsbürgerbewegung zu sein scheinen. Das Deutsche Reich bestehe ohnehin nach wie vor fort. Rationale Argumente helfen hier wenig und sind auch nicht im Sinne Hitlers.

Das kurzweilige Stück , so die Bezeichnung eines Besuchers, erzählt aus der Ich-Perspektive, kommentiert wird von Hitler, teils auch von dem Moderator des Fernsehformates (Markus Hamele). Witze werden mit einer unverdaulichen Beilage serviert, meint der Autor Timur Vermes (*1967, Journalist  u.a. bei „Abendzeitung“ und „Express“) im Interview mit Oliver Das Gupta. Wie dem negativen Beigeschmack, den das Stück am Ende erhält. Ein adäquater Abschluss, in dem einzig schade ist, dass die Großmutter die Begründung liefert und die eigene Reflexion dahinter zurückzubleiben scheint.

„Er ist wieder da“ ist eine politische Satire, ein Stück, das nahe am Roman gehalten ist und ihn um zuletzt passierte Ereignisse ergänzt, ein Werk, das für viele Lacher sorgt, aber leider nichts an Aktualität verloren hat. Mehr Szenen, bei denen der/die Zusehende tatsächlich überlegen muss, ob es nun angebracht sei zu lachen, hätten dem Stück eine zusätzliche Komponente des Sarkasmus geben können.

Als das Licht im Saal ausgeht, folgt der Applaus nicht sofort, dafür ist er anhaltend. Die Schauspielenden kommen mehrmals auf die Bühne, das Publikum- von vereinzelten Jugendlichen (Die Altersempfehlung liegt bei 16 Jahren) bis älteren Menschen- jubelt, wenn auch zurückhaltend.

Foto: Christian Herzenberger

http://www.theater-phoenix.at/detail.php?iStueckID=178

„Er ist wieder da“ wurde 2015 in Deutschland uraufgeführt und ist bis 14. Jänner im Theater Phönix zu sehen. Die nächsten Vorstellungen, für die noch Karten erhältlich sind, finden von 4-6. Dezember um 19.30 Uhr statt.

 

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/