PETAL: Shame

Petal, alias Kiley Lotz ist ein ziemlich außergewöhnliches Exemplar der Singer/Songwriter-Gattung und verdient deshalb diesen kleinen Review-Nachtrag aus dem abgelaufenen Jahr 2015. Sie verpackt Indie Rock, Americana, und verträumten Pop in ein federleichtes Bandgewand und weiß noch dazu verdammt gut wie sie ihre Stimme einzusetzen hat. Nun ist ihr Debüt-Album „Shame“ über Run For Cover Records erschienen.

Während das Line-Up ihrer Liveband immerzu variiert, hat sich die junge Amerikanerin für die Aufnahmesessions zu Shame die Unterstützung der Labelkollegen Ben Walsh und Brianna Collins (Tigers Jaw) gesichert. Die Chemie dürfte dabei ganz einfach gestimmt haben, denn die erste LP der seit 2012 aktiven Songschreiberin ist eine gänzlich runde und leichtfüßig klingende Angelegenheit geworden. Auf Dauer aber vielleicht ein kleines bisschen zu rund. Die Themenvielfalt (Liebe und gebrochene Herzen) hält sich dabei zwar eher in Grenzen, dafür liefert Petal aber zuckersüße Melodien am Fließband und ein äußerst kurzweiliges Hörvergnügen.

Allen voran das himmelhoch jauchzende Heaven, dass einen nicht mehr so schnell loslässt und die Platte geradezu trägt. Songs wie das melancholische Shame, das bittersüße Sooner, oder der intime „ich und meine Gitarre“-Moment  Silly Heart vermitteln laues Sommerabend-Flair zum Niederknien und zählen ebenso zu den Glanzlichtern auf Shame. Dazwischen driften die Songs aber leider oft zu sehr in Mittelmaß ab, oder verglühen viel zu früh, sodass die Explosion ausbleibt, was deshalb schade ist, weil die 12 soliden bis hervorragenden Stücke durch ihre doch stark ausgeprägte Monotonie immer wieder ins Reich der Hintergrundgeräusche abdriften. Ausreißer wie das Intermezzo aus Drums und Vocals Nature, oder grandios aufgehende Passagen, wie beim bereits erwähnten Heaven sind leider noch viel zu selten eingestreut. Was Petal jedoch auf Albumlänge gekonnt zustande bringt, ist es eine durchgehende Atmosphäre zu erzeugen, die zur Alltagsflucht einlädt und einen trotz fehlender struktureller Abwechslung nie auf die Idee kommen lässt, die Skip-Taste zu drücken. Shame ist ein Album, das von alten Narben, halb verblassten Erinnerungen und Bruchstücken zwischenmenschlicher Beziehungen erzählt, einen in seiner Melancholie aufsaugt, dabei aber nie bedrückend wirkt. >>I guess what I mean is that if I could/ Pick out all the parts of my brain/ I would leave the place where you made your home<< singt Kiley etwa in Photobooth.

So viel Genialität wie Kylie Lotz immer wieder aufblitzen lässt, wohnt dem Ganzen aber doch auch eines an Mittelmäßigkeit inne. Definitiv ist dafür aber, dass Shame ein heißer Kandidat ist, um im nächsten Spätsommer beim abendlichen Spritzertrinken auf der Terrasse, oder auf einsamen Autofahrten wieder als Soundtrack hervorgekramt zu werden. Darüber hinaus bin ich schon gespannt, welche Möglichkeiten sich Kiley durch ihren wechselnde Supporting-Cast an talentierten Aushilfsmusikern Musikern bieten und wie sich dies in ihren nächsten Veröffentlichungen widerspiegeln wird. Die erste Talentprobe auf Albumlänge hat Erwartungen geweckt!

 

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Tracklist

01. Camera Lens
02. Tommy
03. Heaven
04. Chandelier Thief
05. Feel
06. Sooner
07. The Fire
08. Shame
09. Nature
10. Camera Lens II
11. Photobooth
12. Silly Heart

VÖ: 23.10.2015, via Run For Cover Records

 

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.