JEFF BUCKLEY: Spiritus Rector

Charmant, warm, verführerisch dunkel und mehr Moll als Dur, die tröstlichen Weisheiten eines Jeff Buckley. 1997 im Mississippi tragisch ertrunken, stellt jede neue Veröffentlichung aus den Archiven des Musikers erneut klar, dass Buckley unter 100 000 Künstlern heutzutage weiterhin herauszuhören wäre. „You And I“ ist pures, formvollendetes Songwriting – selbst in Demoform.

Dass „Grace“ ein Klassiker ist und in jede gut sortierte Plattensammlung gehört, ist klar. Zu Lebzeiten wenig beachtet, gilt das Debüt von Jeff Buckley aus dem Jahr 1994 als Inspiration und Vorbild für viele Musiker. Namedropping gefällig? Von Thom Yorke über Chris Cornell zu Brandon Boyd und PJ Harvey. Von Courtney Love, Jimmy Page über Chris Martin zu Heather Nova und Lana Del Rey, um nur einige zu nennen. Mit nur einem Album schuf er etwas, was auch in hundert Jahren noch Bestand haben wird. „You And I“, kuratiert von seiner Mutter Mary Guibert, ist die perfekte Ergänzung. Zu keinem Zeitpunkt kommt das Gefühl auf, die Zusammenstellung wäre aus purer Geldmacherei oder Bündelungsnot zusammengeklatscht worden – Buckleys Stilsicherheit und der hohe Wiedererkennunswert halten die Compilation, die aus Fremdkompositionen und Sessionaufnahmen besteht, wunderbar zusammen.

Auf „You And I“ schwebt er abermals jenseits von Raum und Zeit in einem Meer aus gitarrenaffinen Wohlklängen. Dass „You And I“ alles andere als eine lockere Stilübung ist, merkt man nach den ersten Sekunden. Buckley liebt diese Musik von ganzem Herzen, die er hier vorträgt, und deshalb gelingen ihm Cover-Songs von zeitloser Schönheit. Das Schwärmerische in „Just Like A Woman“ (Bob Dylan), der Überschwang in „Grace“ oder die Hingabe in „Night Flight“ (Led Zeppelin) sprechen eine deutliche Sprache. Seine Stimme gleitet geradezu durch de Landschaften aus dein zilesierten Gitarrenakkorden, immer wieder unterbrochen von eruptiven Augenblicken. Sein Gesang, mal flüsternd und leise, dann zornig, malt eine nebelige Atmosphäre über dem Horizont.

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Sonnendruchflutete Hymnen für einsame Autofahrten oder für daheim. Einfach Tür zumachen, Licht dimmen, „You And I“ einlegen und es sich ganz bequem machen. Die Fleecedecke auf der Couch lacht einen schon an. Sie kratzt zwar ein wenig, aber sie tut auch so gut. Das Hier und das Jetzt werden kurz vergessen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spielen für einige Minuten keine Rolle mehr. Das Gesetz der Zeit wird außer Kraft gesetzt. Buckley erhebt sich über alle Eingrenzungen stilistischer und kategorischer Art und inszenierte berauschende Gitarren-Opern mit allem Pathos, was von solch einem Happening erwartet werden kann. Unangestrengt und doch immer virtuos. Musik mit Wärmefaktor. „You And I“ demonstriert wie gut es ist, dass die Welt ein weiteres Vermächtnis von Jeff Buckley hat.

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